Erstsemesterpartys an technischen Hochschulen und Universitäten sind anders. Wie bei Soziologen oder Juristen kommen Bier und Wein zwar auch aus Pappbechern, die Luft ist genauso schlecht, die Musik ebenso laut. Der Unterschied aber: Es gibt fast keine Frauen.
Daniela Schiff ist eine der wenigen. Als sie vor knapp vier Jahren ihr Maschinenbaustudium an der Uni Trier aufnahm, gab es noch zwei Erstsemesterstudentinnen. Bei den Abschlussklausuren im Februar dieses Jahres war Schiff dann allein unter 25 Männern.
Frauen brechen in Deutschland zwar seltener ihr Studium ab als Männer; in technischen Fächern ist es jedoch umgekehrt. Laut Bundesministerium für Bildung und Forschung ist zum Beispiel in Physik die Quote der Abbrecherinnen und Studienfachwechslerinnen doppelt so hoch wie bei den Männern. In Informatik ist es den Angaben des Ministeriums zufolge ganz ähnlich. "Wir sind von einer Chancengleichheit für junge Frauen noch weit entfernt," konstatiert Staatssekretär Uwe Thomas.
Wer das ändern will, muss sich vor allem mit den Ursachen beschäftigen. Die erforscht Franziska Fellenberg, Psychologin an der Uni Trier. Ihre Studie wird zwar erst in der zweiten Jahreshälfte abgeschlossen sein, aber schon jetzt zeichnen sich die drei wichtigsten Gründe ab, die Frauen von technischen Studiengängen fernhalten oder sie wieder heraustreiben: die Theorielastigkeit des Studiums, eine negative Selbsteinschätzung von Frauen in Bezug auf Technik und das Fehlen weiblicher Vorbilder.
Einseitiges Bild von technischen Berufen
Die kann es indes nur dann geben, wenn sich mehr Abiturientinnen für Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer einschreiben. Der Anteil der Studentinnen ist hier jedoch - nach einem Zwischenanstieg - seit Mitte der 90er-Jahre bundesweit wieder rückläufig. Die Quote der angehenden Ingenieurinnen stieg zwar leicht, das Ungleichgewicht zugunsten der Männer ist aber weiterhin überdeutlich. Vor allem in den traditionellen Industriefächern wie Maschinenbau, Elektrotechnik oder Informatik bleiben die Studenten nach wie vor beinahe unter sich.
Erfolgreiche Frauen "sichtbar machen"
Schiff besucht als Mentorin Schulklassen, um ihre Erfahrungen aus dem Studium weiterzugeben. "Wir wollen Frauen sichtbar machen, die in diesen Bereichen Erfolg haben", sagt Elisabeth Kaiser, Koordinatorin des Projekts an der Uni Trier. Und die Bemühungen scheinen sich auszuzahlen: Durch die Initiative sei der Frauenanteil im Fachbereich Mathematik von 30 auf fast 50 Prozent gestiegen, und der Trend in Ingenieurwissenschaft und Informatik zeige ebenfalls nach oben.
Dass es wichtig ist, Frauen intensiver über Ausbildungsgänge und Berufschancen zu informieren, davon ist auch Sue Unger überzeugt. Als Senior Vice President und CIO bei Daimler-Chrysler ist Unger in Europa und den USA eine bekannte Persönlichkeit, die schon zahlreichen Frauen mit IT-Affinität als Vorbild gedient haben dürfte. "Viele Frauen wissen zu wenig darüber, was IT ist und welche Chancen IT-Jobs bieten. Es gibt immer neue Entwicklungen, das ist ungeheuer spannend." Ihr Plädoyer: "Wir müssen immer wieder für die Vielfalt der IT werben."
Allerdings ist die Daimler-Chrysler-Managerin sich mit den Gesellschaftswissenschaftlern darüber einig, dass das ganze Werben wenig bewirkt, wenn die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Karriere von Frauen in technischen Berufen nicht gegeben sind. Deutschland kommt bei ihr in dieser Hinsicht nicht gerade gut weg: Hierzulande sei es schwieriger als in den USA, Familie und Beruf zu koordinieren. In den Vereinigten Staaten könnten Kinder bis 18 Uhr in der Schule betreut werden; in Deutschland gebe es solche Möglichkeiten kaum. Deshalb würden Frauen häufig immer noch Berufe wie Lehrerin vorziehen, die ihnen eine flexible Zeiteinteilung ermöglichen. "So lange die Infrastruktur nicht stimmt, wird es kaum Fortschritte geben", prophezeit Unger.
Es werde höchste Zeit, entsprechende Voraussetzungen zu schaffen - schon im Interesse der Unternehmen, die nach wie vor Probleme hätten, Spitzenkräfte zu finden. "Ein Verzicht auf Frauen in IT-Jobs bedeutet, 50 Prozent des Potenzials zu vernachlässigen", warnt Unger.