Klaus-Hardy Mühleck

"Die Autobranche braucht starke CIOs"

04.10.2004 von Thomas Zeller
Klaus-Hardy Mühleck hat es geschafft. Ab dem 1. Oktober 2004 ist er einer der mächtigsten IT-Manager in Deutschland. Seine neue Stelle als Konzern-CIO bei Volkswagen tritt der 49-Jährige in einer Umbruchphase an. Er setzt deshalb auf Skaleneffekte und selektives Outtasking.

CIO: Sie waren jetzt drei Jahre CIO bei der Audi-Markengruppe. Das ist eine gute Gelegenheit einmal Bilanz zu ziehen. Welche Projekte haben Ihrer Meinung nach das Unternehmen vorangebracht?

Mühleck: Wir haben beispielsweise den Großrechnerbereich der Audi-Markengruppe konsolidiert. Dahinter verbirgt sich die Verlagerung des Segments nach Spanien. Geholfen hat uns dabei die gute Zusammenarbeit mit dem zum VW-Konzern gehörenden IT-Dienstleister Gedas. Daneben konnte die Audi-Markengruppe mehrere SAP-Projekte erfolgreich abschließen. So haben wir den gesamten HR (Human Ressources - Anm. d. Redaktion)-Bereich standardisiert. In der Folge haben wir nun eine einheitliche Lösung für 46000 Mitarbeiter, etwa 4000 User und 16000 Rentner.

Solche Projekte gehören zum Tagesgeschäft und gelten nicht unbedingt als Türöffner für die weitere Karriere. Was unterscheidet Sie von anderen IT-Managern?

Mir ist es in den vergangenen drei Jahren gelungen, die IT bei Audi zu transformieren. So wurde aus einem reinen Dienstleister eine gestaltende IT-Prozesseinheit. Mittlerweile sind wir nicht nur ein Ansprechpartner bei IT-Umsetzungsprojekten im Unternehmen, wir werden immer mehr auch als gleichberechtigter Partner zu den automobilen Kernkompetenzen, wie Entwicklung oder Logistik, wahrgenommen.

Zu einer Bilanz gehört auch eine Fehleranalyse. Welche Projekte würden Sie im Nachhinein anders angehen?

Insgesamt haben wir bei Audi keine Fehler bei den Projekten in den vergangenen Jahren gemacht. Natürlich gab es auch Projekte, die wir nach Problemen wieder zurückgefahren haben. Die Gründe konnten damit fehlende Wirtschaftlichkeit oder die geringe Produktreife sein. Auf solche Entwicklungen haben wir jedoch mit unseren Test-Instrumenten schnell reagiert.

Das größte Kapital eines Unternehmens liegt in seinen Beschäftigten, lautet eine Management-Weisheit aus besseren Zeiten. Was haben Sie für Ihre Mitarbeiter erreicht?

Ich habe bei Audi die Requalifizierung weiter vorangetrieben. Aus vielen IT-Spezialisten wurden so Generalisten mit Beratungs-Know-how. Zudem lohnt sich eine Laufbahn in der IT und O (IT und Organisation - Anm. d. Redaktion) bei Audi. Ich möchte Ihnen dafür ein Beispiel geben. Für den Produktionstart des A4 und jetzt des A6 in China mussten unsere Standardprozesse in Joint Ventures mit den chinesischen Partnern an deren Bedürfnisse angepasst werden. Dafür wurde das Rollenbild des IT-Verantwortlichen um den Bereich Prozessverantwortung erweitert. Der zuständige Manager kommt natürlich aus unserer IT und O.

Eine Laufbahn mit großen Karrieresprüngen haben Sie ebenfalls durchschritten. So waren Sie vor Ihrem Wechsel zu Audi CIO bei Mercedes-Benz und später bei Daimler-Chrysler für den Automotive-Bereich. Wo sehen Sie in der Branche Unterschiede im IT-Einsatz?

Unterschiede sehe ich nur in einem geringen Umfang. Die Themen der CIOs in der Autobranche sind fast identisch. Hier dreht sich viel um Stücklisten, Order to Delivery, SAP-Projekte und die automobilen Wertschöpfungsketten. Die Unterschiede liegen wahrscheinlich eher im zeitlichen Ablauf als bei der Themenfindung. Damit das auch künftig so bleibt, gibt es regelmäßig Treffen zwischen den IT-Verantwortlichen der Unternehmen.

Auch wenn sich die IT-Themen in der Autobranche ähneln, so gewichten die Konzerne ihre IT recht unterschiedlich. Bei Daimler-Chrysler verantwortet der CIO beispielsweise nur noch die IT und keine Organisation mehr. Wie sieht es mit der Bedeutung der IT bei VW aus?

VW sieht in der IT einen wesentlichen Bereich für die Weiterentwicklung des Gesamtkonzerns. Bereits seit anderthalb Jahren gibt es im Konzern die Vorstandsausschüsse IT und Prozesse sowie die Steuerungskreise, und jetzt werden wir den nächsten Schritt gehen. Wir wollen in einer weltweiten Matrix die IT-Prozessgestaltung vorantreiben. Durch mich soll das Ganze umgesetzt werden. Ich werde zudem zahlreiche Projekte von meinem Vorgänger Dieter Schacher weiter vorantreiben. VW hat schon jetzt als eine Art Vorreiter in der Branche eine weltweit einheitliche Stückliste. Wir werden allerdings auch einige Themen zurücknehmen, wie die Individualisierung im Client-Bereich sowie die historisch gewachsenen Unix-Plattformen.

Der Wind in der Autobranche weht angesichts sinkender Umsätze und Gewinne deutlich rauer. Was halten Sie in diesem Zusammenhang von dem Thema Outsourcing?

Ich bin gegen das blinde Outsourcing von IT-Dienstleistungen. Bei Audi haben wir stattdessen auf selektives Outtasking gesetzt. Hier kommen vor allem Shared Services zum Einsatz, bei denen das IT-Management die Governance-Rolle wahrnimmt. Bei Audi war das sehr erfolgreich. Mittlerweile ist das Unternehmen Benchmark in der Branche. Die IT-Kosten liegen bei 0,77 Prozent vom Gesamtumsatz. Gemeinsam wollen wir im VW-Konzern daran weiterarbeiten. Künftig werden wir im Haus noch stärker auf den VW-eigenen IT-Dienstleister Gedas zurückgreifen. Besonders im "Extended Enterprise in der Anbindung der Zulieferer und unserer Händler und Importeure können so Skaleneffekte besser genutzt werden.

Nicht alle Unternehmen räumen der IT eine so große Bedeutung ein, wie es bei VW der Fall zu sein scheint. Was müssen die IT-Verantwortlichen ändern, damit die IT künftig als Werttreiber anerkannt wird?

IT-Verantwortliche müssen in Zukunft ihre Position proaktiv und unternehmerisch ausfüllen. Der CIO erhält damit idealerweise eine Ordnungsfunktion. Im VW-Konzern geschieht dies beispielsweise durch Vorstandsausschüsse. Das ist jedoch erst in 30 bis 40 Prozent der Unternehmen der Fall. Bei anderen Firmen befindet sich die IT in einem Übergangsstadium. Vielen Kollegen fehlt dabei schlicht der generalistische Blick in Richtung firmeninterne Unternehmensberatung.

Wie macht sich dieses fehlende beratende Element in der Positionierung im Unternehmen bemerkbar?

Nur wenn der CIO als Gestalter sichtbar wird, dann kann er in die gehobenen Managementpositionen integriert werden. Das ist im Augenblick vor allem bei den Banken und Finanzdienstleistern der Fall. In den Firmen, wo der IT-Verantwortliche nur Umsetzer ist, also nicht auf die Wertschöpfung einwirkt, bleibt die Position auch künftig im mittleren Management angesiedelt.

Sind das auch die Empfehlungen, die Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben wollen?

Mein Nachfolger muss Steh- und Durchhaltevermögen haben. Die Autobranche benötigt starke CIOs, die konsequent ihren Weg gehen und nicht vergessen dürfen, eigene Duftnoten zu hinterlassen. Mein Nachfolger sollte solche Veränderungssituationen bereits durchlaufen haben. Er muss die Fähigkeit haben, sich artikulativ gegenüber dem Vorstand und den Mitarbeitern durchzusetzen.