Fallstricke und Ratschläge

Die Benchmark-Checkliste

25.05.2011 von Alexander Müller-Herbst
Die Faustregel: Je größer Vertrag und Reifegrad des Unternehmens desto höher das Konfliktpotenzial mit dem IT-Dienstleister. Was beim Benchmark zu beachten ist, erklärt Geschäftsführer Alexander Müller-Herbst von Compass.
Alexander Müller-Herbst ist Geschäftsführer bei der Compass Deutschland GmbH.
Foto: ISG

Jeder Benchmark bedeutet für ein Unternehmen zunächst einmal Investitionen in personelle und finanzielle Ressourcen. Bringt er dann lediglich einen Verhandlungsspielraum für das laufende Geschäftsjahr, steht der Aufwand meist nicht im angemessenen Verhältnis zum Nutzen. Die Auftraggeber sollten die Analyse nicht nur dazu nutzen, billiger einzukaufen, sondern auch die IT optimal an ihre geschäftlichen Ziele anzupassen - also ein Commercial und ein Service Alignment vorzunehmen.

Doppelrolle des Benchmarkers

Der Benchmarker übernimmt dabei zwei Rollen: die des Beraters und des Moderators. Als Berater muss er die vom Dienstleister erbrachten Services analysieren und bewerten, mit Leading Practices am Markt vergleichen und so Optimierungspotenziale identifizieren. Doch wo etwas zu optimieren ist, gibt es in der Regel Divergenzen - die wiederum zu Konflikten führen können.

Hier setzt die Vermittlungsfunktion des Benchmarkers an: Er muss als Moderator, teilweise sogar Mediator zwischen dem Kunden und dessen IT-Provider fungieren, indem er die Fakten so detailliert präsentiert, das beiden Seiten kein Diskussionsspielraum mehr bleibt.

Konflikte entstehen entweder durch schlecht verhandelte Verträge oder durch Abweichungen zwischen kontrahierter und erbrachter Leistung. Zum Zeitpunkt des Benchmarks werden oft Mehr- oder Minderleistungen gegenüber den Vertragsvereinbarungen festgestellt. Dem können Entwicklungen beim Kunden zugrunde liegen: Das Geschäft hat sich verändert, dem Hauptvertrag wurde eine Fülle von Ergänzungen hinzugefügt, die niemand mehr recht überschauen kann. Oder der Dienstleister "macht einfach" viele Dinge, ohne dass ihnen eine vertragliche Regelung zugrunde liegt.

Der Benchmarker muss empfehlen, den Vertrag entsprechend anzupassen und die Abweichungen zu bepreisen. Oft hat sich auch der Markt weiterentwickelt, etwa durch neue Technologien wie etwa Cloud Computing, die die Anforderungen des Business besser abdecken. Auch diese muss der Benchmark erfassen und Abpassungen vorschlagen.

Bei Unterschieden zu Leading Practices am Markt wendet nun der IT-Dienstleister häufig ein, diese seien mit der eigenen Situation nicht vergleichbar. Hier greift die faktenbasierte Moderation des Benchmarkers: Seine Analyse muss so granular sein, dass beide Seiten nicht mehr dagegen argumentieren können.

Eine Faustregel besagt: Je größer der Vertrag und der Reifegrad des Unternehmens (das heißt dessen Erfahrungen mit Outsourcer-Steuerung, Benchmarks, sein Know-how über Preisfindung, Servicedesign etc.), desto höher ist das Konfliktpotenzial - und desto tiefer muss der Benchmark ins Detail eintauchen. Die angewandte Methodik muss sich entsprechend dieser Herausforderung anpassen (Breite und Tiefe des Ansatzes).

Klassische Kenngrößen

Was sollte nun beim IT-Business-Alignment geprüft werden? Am Anfang stehen sicherlich die klassischen Benchmark-Komponenten: Preise, Serviceinhalte, -qualität und -level. Der Benchmarker betrachtet zunächst die Komplexität der individuellen IT-Dienstleistung, nimmt detailliert die Leistungen auf, bricht diese in ihre einzelnen Bestandteile herunter und bildet sie auf standardisierte Leistungsscheine ab. Damit kann er dann die Services mit Leading Practices in marktführenden Referenzunternehmen vergleichen. Die Differenzen werden transparent dargestellt und quantitativ wie qualitativ bewertet.

Nehmen wir zum Beispiel das Datenbank-Hosting. Der Provider stellt hier u.a. Hardware und Software bereit. Diese Bereiche werden nun in einem Drilldown aufgefächert: Die Hardware etwa enthält RZ-Infrastruktur, Tools, Disk Storage, Backup sowie den Serverbetrieb. Bei jeder dieser Komponenten wird geprüft, inwieweit sie im Leistungspaket des Providers enthalten ist, und wie es im Vergleich dazu bei der Referenzgruppe aussieht. Leistungsdifferenzen werden genau beschrieben und konkret finanziell einzeln bewertet. Entsprechend wird mit der Software verfahren.

So können in vertraglich komplexen Umgebungen mehr als 100 einzelne Positionen aufgelistet werden. Diese granulare Faktenbasis bietet in der Regel keinen Raum mehr für unterschiedliche Interpretationen und damit Konflikte zwischen Auftraggeber und Provider. Dies dient nicht nur der direkten "De-Emotionalisierung" der Situation, sondern ist auch Auditsicher und Jahre später noch nachvollziehbar.

Neben den genannten klassischen Größen sollte der Benchmark auch Serviceschnitte und Bundling ins Blickfeld rücken. Oft wird in Outsourcing-Deals die Trennung zwischen ausgelagerten und verbleibenden Services so ungünstig vorgenommen, dass überflüssiger Overhead entsteht - etwa wenn Desktop und Servicedesk auseinandergerissen werden.

Neue Abrechnungsmodelle

Ein weiteres wichtiges Feld des Commercial Alignment sind moderne Abrechnungs- und Delivery-Modelle, die stärker auf individuellen Anforderungen des Kunden eingehen. Beispielsweise können technische Bezugsgrößen - Preis pro MIPS, pro GB etc. - durch branchenspezifische Business-Bezugsgrößen abgelöst werden.

Dabei werden alle Leistungen auf Geschäftsgrößen normiert, die den Verbrauch der IT beeinflussen: etwa Preis pro Versicherungspolice, pro Ticket, pro Tonne, pro Kontobewegung etc. Solche Modelle haben heute erst weniger als 10 Prozent der Unternehmen eingeführt. Und selbst die haben meist noch eine "Schattenbuchhaltung" mit technischen Verrechnungsgrößen.

Der Grund: Es gibt viele zugrunde gelegte Annahmen, die sich ändern können, wie Volumenkorridore, der Verkauf oder Zukauf von Betriebsteilen etc. Stärker im Fokus steht derzeit ein Utility based Pricing, also eine tatsächlich verbrauchsbezogene Vergütung ("Pay what you get"), die z.B. im Cloud-Computing obligatorisch ist.

"Weiche" Komponenten

Neben den harten Fakten sollten im Rahmen eines Commercial Alignment auch "weiche" Vereinbarungen betrachtet werden. Ein in fast allen Fällen unterschätztes und übersehenes Thema ist Innovation. Nahezu alle Dienstleister versprechen sie. Doch wie wird sie genau gemessen, wie ihr Wert bestimmt?

Aufgabe des Benchmarkers ist es, Kriterien dafür festzulegen und zu prüfen, inwieweit sie realisiert wurden. Solche Messkriterien können sein:

Letztere sind von einer Besonderheit geprägt: Sie verletzen eine "eherne Regel" des Outsourcing, denn die Optimierung findet hier im Gegensatz zur IT erst beim Auslagern statt. Weil der Auftraggeber selbst nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügt, überträgt er bewusst nicht optimierte Transaktionen an einen Dienstleister, der dann für mehr Effizienz sorgt. Auftraggeber und Dienstleister teilen sich dann den Nutzen. Der Benchmarker misst den Erfolg und schlägt ein faires Modell vor, wie beide Seiten davon profitieren.

Rahmenkonstrukt

Beim Commercial Alignment werden nicht nur zwischenzeitliche Abweichungen gegenüber dem Outsourcing-Vertrag geprüft, sondern auch das Rahmenkonstrukt selbst. Neben den Leistungsscheinen werden Struktur, Design und Inhalt einer Revision unterzogen. Entspricht das Vertragswerk marktüblichen Standards? Sind die angenommenen Mengen - im Marktvergleich - realistisch, sind die Anforderungen des Business wirklich notwendig?

Auch hier entwickelt der Benchmarker auf Grundlage von Leading Practices marktgängige KPI, beispielsweise: Wie viele Mitarbeiter teilen sich in einer bestimmten Branche üblicherweise einen Drucker? Das sind etwa in einer Bank mehr als im Versicherungsgewerbe (wo hochwertige Ausdrucke von Kundenverträgen erforderlich sind) oder in F+E-Abteilungen (CAD etc.). Benötigt jeder Mitarbeiter einen eigenen Arbeitsplatz, oder ist Desk-Sharing sinnvoll? Welche Service-Zeiten, Qualitäten, Mengen etc. sind in der Branche üblich?

Ein weiterer wichtiger Prüfgegenstand sind die Rahmenkosten. Dazu gehören beim Outsourcing insbesondere die Transitionskosten. Der Dienstleister legt sie oft auf die Laufzeit des Vertrags um, so dass ihre genaue Höhe für den Kunden nicht transparent ist.

Ähnlich verhält es sich mit den Kosten für das vertraglich vereinbarte Monitoring und Reporting, die oft nicht direkt abgerechnet, sondern allgemein verrechnet werden. Oder ursprünglich wurden jährliche Berichte vereinbart, der Kunde möchte sie aber monatlich, und keiner weiß genau, was dies kosten darf. Zudem vernachlässigen insbesondere kaptive Dienstleister nicht selten ihre diesbezüglichen Verpflichtungen ("man kennt sich ja").

In all diesen Fällen muss der Benchmarker die Situation prüfen und konkrete Regelungen vorschlagen. Weitere Untersuchungsgegenstände im Rahmenwerk sind u.a. Bonus-Malus-Regelungen, Zahlungsbedingungen, Preisanpassungen, Benchmarkklauseln und wie mit den Ergebnissen des Benchmarks umgegangen wird.

Governance-Check

Jede Beziehung zwischen Auftraggeber und Dienstleister braucht Strukturen und Gremien zu deren Steuerung. Hier kommt es darauf an, das richtige Verhältnis zwischen Funktionsfähigkeit und investierter Manpower zu finden; oft stößt man auf regelrechte "Effizienzkiller":

Ein Benchmark sollte in größeren und reiferen Konstrukten all diese Punkte untersuchen und Empfehlungen für eine Optimierung abgeben, denn die Marktkonformität der Governance-Strukturen beeinflusst direkt die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens im Sinne von Agilität und Kundenorientierung.

Beide Seiten profitieren

Ein Benchmark, der ein umfassendes Commercial Alignment vornimmt, bringt beiden Seiten Vorteile. Der Auftraggeber erhält marktübliche Servicelevel, -inhalte und -schnitte, Preise und Strukturen. Aber auch der IT-Provider wird nicht nur zu - im ersten Moment vielleicht schmerzhaften - Anpassungen gezwungen. Ein Benchmark, der neben den Preisen auch (exklusiv) die korrespondierenden Kosten des Dienstleisters unter die Lupe nimmt, hilft ihm, seine IT-Produktion so zu optimieren, dass er zu den vorgeschlagenen Konditionen liefern kann. Das gilt insbesondere für kaptive Dienstleister, die sich meist nur an Preisen orientieren und ohne Effizienz-Management langfristig damit ihre Leistungsfähigkeit einbüßen.

Dabei wird untersucht, zu welchen Kosten der Provider produziert und wo Abweichungen zu Leading Practices am Markt bestehen. Durch einen Drill Down auf Prozesse, Ein-kaufs- und Konsolidierungspotenziale, Standardisierungsmöglichkeiten usw. erhält er konkrete Ansatzpunkte für Optimierungen. In diesem Teil der Analyse wird die ursprüngliche Dreier- zu einer Zweierbeziehung zwischen Benchmarker und Dienstleister, denn die Kosten, Kalkulationen und Gewinnspannen des IT-Providers sollten gegenüber dem Auftraggeber vertraulich bleiben.

Darüber hinaus gibt der Benchmark oft Empfehlungen für die Zusammenarbeit beider Parteien ab, die dem Provider ein effizienteres und damit kostengünstigeres Arbeiten erlauben. Werden beispielsweise die Serviceschnitte Leading Pactices angepasst, bringt dies oft Synergie-Effekte mit sich - etwa wenn der Dienstleister zusätzlich zum Desktop-Betrieb den zuvor getrennten Servicedesk übernimmt.

Generell können die Empfehlungen dazu beitragen, nicht sinnvolle Restriktionen des Auftraggebers aufzuheben und dem IT-Provider mehr Freiheit zu verschaffen, seine Produktion eigenverantwortlich optimal zu organisieren - etwa welches Personal er einsetzt, an welchen Lokationen er arbeitet und welche Technologien er nutzt, um die vereinbarten Anforderungen zu erfüllen.

Mit einem traditionellen Preisvergleich können Unternehmen im Schnitt rund 10 Prozent der IT-Kosten in einem vertikalen Schnitt (Infrastruktur) beziehungsweise 10 bis 20 Prozent in horizontalem Schnitt (Applikations-Management und darunter liegende Infrastruktur) einsparen. Ein strategisch angelegter Benchmark mit dem Ziel einer nachhaltigen Ausrichtung auf Standards und Einbeziehung moderner Abrechnungs- und Delivery-Modelle schafft Potenziale von 40 Prozent und mehr.

Entscheidend dabei ist, dass durch agilere Werteketten auch der Dienstleister kommerziell und taktisch in eine bessere Lage versetzt wird, um die Lösung auch für ihn attraktiv zu gestalten.

Die wichtigsten Elemente eines strategischen Benchmarking

1. Commercial Alignment

  • a. Mehr- und Minderleistungen prüfen

  • b. Preismodelle auf Kundenanforderungen zuschneiden

  • c. Kosten in ihre Bestandteile herunterbrechen (Drill-Down)

  • d. Transparenz für den Vergleich mit dem Markt schaffen,…

2. Service-Optimierung

  • a. Wettbewerbsfähigkeit der Services prüfen

  • b. Verbundeffekte (Economies of Scope) identifizieren

  • c. Design des Service-Bundling optimieren

  • d. Anpassung der Service Level an den tatsächlichen Bedarf (Sizing-Szenarien),…

3. Vertragsanalyse

  • a. Vollständigkeit und Compliance prüfen

  • b. Die Regelungen sinnvoll allokieren (Rahmenvertrag versus Einzel-SLA)

  • c. Pönalen-Regelungen sicherstellen,…

4. Unterstützung der Verhandlungen zwischen Auftraggeber und Dienstleister

  • a. Assessment potenzieller IT-Provider vornehmen

  • b. Risiken mitigieren

  • c. Taktische Analyse durchführen (Neuausschreibung etc.),…

5. Strategic Services

  • a. Analyse der Standarisierungspotenziale,…

  • b. Sicherstellung von durchgehenden Governance-Strukturen (End-to-End Governance Design),…

Alexander Müller-Herbst ist Geschäftsführer bei der Compass Deutschland GmbH.