Die Experton Group untersucht im "Cloud Vendor Benchmark" 38 Anbieter - und analysiert den Cloud-Markt. Eine Erkenntnis: Fachkräftemangel hemmt das Wachstum.
von Werner Kurzlechner (CIO-Redakteur)
Kuschelig eng ist es oben in der Wolke. Die dehnt sich zwar aus, aber nicht an allen Stellen. So tun sich Freiräume auf, in denen es sich strecken und ausbreiten lässt. Anderswo ist die Luft aber so dick, dass mancher dort bald ersticken dürfte. So stellt sich hierzulande die Lage der Cloud-Computing-Anbieter dar, die die Experton Group in einer aktuellen Studie skizziert. Rund 350 gibt es nach Zählung der Analysten mittlerweile in Deutschland, 109 stufte Experton als relevant ein, 38 davon wurden für die neue Ausgabe des "Cloud Vendor Benchmark" in vier Kategorien analysiert und verglichen.
Weil das Etikett „Cloud“ auf so vielen unterschiedlichen Dingen klebt, gibt es letztlich eine ganz Schar von Anbietern, die sich irgendwie als Gewinner im „Cloud Vendor Benchmark“ fühlen dürfen. Wer für den Augenblick nur einen Siegernamen hören mag, nehme den von IBM. Das Traditionshaus schneidet in diversen Kategorien hervorragend ab und ist beispielsweise als einziger Anbieter in allen vier Service-Bereichen präsent.
Datenschutz-Debatte wird bald sachlicher
Die Experton-Analysten Carlo Velten und Steve Janata bringen in ihrer Studie gleichwohl nicht nur Transparenz in den Anbieterdschungel, sondern ordnen aktuelle Entwicklungen insgesamt kritisch ein. Die derzeit emotionale Debatte über Datenschutz und Compliance etwa werde sich bald versachlichen. Allerdings werde die Masse der Anbieter bis 2015 nicht profitabel sein. „Cloud Computing wird zum Ausscheidungsrennen“, so Janata und Velten. Dies gelte insbesondere für Infrastructure-as-a-Service (IaaS).
Vor diesem Hintergrund bleibe IaaS ebenso wie Platform-as-a-Service (PaaS) ein „Spiel der Großen“. Auf Dauer könne dort nur bestehen, wer über große finanzielle Ressourcen und Skalierungsfähigkeit verfüge. Auf dem dynamischeren, lebhafteren und deutlich größeren Markt für Software-as-Service (SaaS) gebe es demgegenüber auch gute Chancen für kreative Entwickler und Start-Ups.
Aktuelle Gemengelage und Perspektiven sind nach Einschätzung von Experton keineswegs nur rosig. „Viele vermeintliche SaaS-Produkte halten einem prüfenden Blick nicht stand“, urteilen die Autoren. „Meistens handelt es sich um gehostete Instanzen normaler On-Premise-Software.“ Anwender könnten in solchen Fällen nur eingeschränkt von den Vorteilen des Cloud-Modells profitieren.
Eine Milliarde für Cloud-Rechenzentren
Als Wachstumshemmnis machen Velten und Janata schon jetzt den Fachkräftemangel aus. „Insbesondere Unternehmen aus der zweiten Reihe haben damit zu kämpfen“, so die Analysten. „Integratoren, die erste Ausschreibungen gewonnen haben, sind kaum in der Lage, weitere Projekte abzuwickeln.“
Denn alles in allem entwickelt sich der deutsche Cloud-Computing-Markt durchaus prächtig. Im vergangenen Jahr investierten Firmenkunden laut Experton rund zwei Milliarden Euro, dieses Jahr soll die Marke von drei Milliarden Euro geknackt werden. 2016 werden laut Prognose mehr als zehn Milliarden Euro für Dienstleistungen, Technologien sowie Integration und Consulting ausgegeben.
Über eine Milliarde Euro werden bereits in diesem Jahr für den Aufbau und Betrieb von Cloud-Rechenzentren ausgegeben. Das ist mehr, als Experton eigentlich erwartet hatte. Dafür korrigieren die Analysten ihre Prognose für den IaaS- und PaaS-Markt nach unten. Im Vergleich zum milliardenschweren SaaS-Markt stecken diese Service-Segmente ohnehin weiter in den Kinderschuhen.
Als Wachstumstreiber für die kommenden Jahre sieht Experton Collaboration- und Communications-Services, die alle IT-Nutzer in den Firmen adressieren. Social Media ist dabei ausdrücklich eingeschlossen.
Vor diesem Hintergrund bewertete Experton in mehreren Kategorien die aktuellen Anbieter. Eingeordnet wurden sie jeweils in ein vierteiliges Raster: Marktführer, die sowohl durch Wettbewerbsstärke als auch durch ihr Angebot bestechen; Herausforderer entweder mit Stärken bei der Marktposition oder beim Produktangebot; schließlich Nachzügler mit Nachholbedarf auf beiden Ebenen.
Google "bedingt interessant"
In der Kategorie IaaS im Public-Cloud-Modell liegt Amazon Web Services unangefochten vorne. Experton beobachtet eine Weiterentwicklung in Richtung Enterprise-IT, wenngleich auf Selbstbedienungsbasis. IBM, Microsoft und Fujitsu zählt Experton ebenfalls zu den Marktführern. Google, NTT und Rackspace punkten durch ihre Produkte, Deutsche Telekom, 1&1 und Strato durch ihre Wettbewerbsstärke.
„IBM bietet die Enterprise-Alternative für Kunden, die ein deutsches Rechenzentrum und geschäftskundenorientierte Service Level Agreements und Serviceangebote schätzen“, heißt es in der Studie. „Google App Engine und Microsoft Azure sind trotz guter Usability und hoher Skalierbarkeit nur bedingt interessant für klassische Infrastruktur-Services, da der integrierte PaaS-Ansatz nicht die gewünschte Auswahlfreiheit und Kombinationsmöglichkeiten bietet.“
Die führenden Firmen bei IaaS Managed Cloud charakterisiert Experton so: „Sie sind als Managed Service Provider bereits im Markt etabliert und haben früh begonnen, in eigene Cloud-Infrastrukturen sowie in den Personal- und Skillaufbau zu investieren.“ Gleich zehn Leader machen Velten und Janata hier aus. Ganz vorne liegen Schwergewichte wie T-Systems, IBM, BT Germany und Fujitsu. Dahinter folgen Colt, Telefonica, Deutsche Telekom, Atos, Claranet und NTT.
„Bundles aus Managed-IaaS und Netzwerk-Services machen Angebote der Telco-Töchter sehr attraktiv“, kommentieren die Autoren. „US-Anbieter wie Savvis, Rackspace und Terremark setzen mit europäischen Rechenzentren zum Sprung über den Teich an.“ Noch finden sich diese Firmen aber unter der Rubrik „Herausforderer“.
In der Kategorie technologische Infrastruktur thronen Namen wie Cisco, IBM, Fujitsu, EMC, HP, Dell, Oracle und NetApp an der Spitze. „Der Markt wird klar dominiert von wenigen Technologiekonzernen, die als Komplettanbieter nahezu das gesamte Spektrum an Server-, Storage- und Netzwerkkomponenten abdecken“, so Experton. Klarer Punktsieger ist Cisco, das sich mit UCS innerhalb kurzer Zeit als eine der dominierenden Hardware-Plattformen für den Aufbau und Betrieb von Cloud-Infrastrukturen etablieren konnte.
Punktsieger Cisco und SAP
Die Sieger beim Cloud Management lauten in dieser Reihenfolge: VMware, Microsoft, IBM, Zimory, BMC und CA. Experton sieht hier eine deutliche Verbesserung der angebotenen Lösungen im Vergleich zum Vorjahr. „Dies gilt für den Funktionsumfang der Lösungen, deren Integrationsmöglichkeiten in Technologien von Drittanbietern und vor allem für die Gestaltung der Benutzeroberflächen“, so die Autoren. Der Wettbewerb zwischen einer Vielzahl junger Softwarefirmen und den etablierten, globalen Technologielieferanten sei voll entbrannt, zudem bilde sich eine Vielzahl unterschiedlicher Kooperationen und Allianzen.
Auf kleine Kunden beschränkt ist bisher der Nischenmarkt für SaaS-ERP. Er wird klar von SAP beherrscht, dahinter – aber bei weitem nicht auf den Fersen – folgt myfactory. „SAP hat das Offering mit dem größten Funktionsumfang und der Option, bei Wachstum auf größere Lösungen zu migrieren“, so Experton. Im überschaubaren Verfolgerfeld machen die Analysten mit dem Marburger Anbieter Weclapp eine in ihren Augen interessante und junge Alternative aus deutschen Landen aus.
Die Studie „Cloud Vendor Benchmark 2012“ ist bei Experton erhältlich und enthält weitere Rankings.