Hybride und Multi-Cloud-Szenarien werden zum festen Bestandteil der Unternehmens-IT, beobachtet Carlo Velten, CEO des Kasseler IT-Marktforschungs- und Beratungshauses Crisp Research. "Es wird in Zukunft nicht die 'eine Cloud' geben. Deshalb ist der Anbieter- und Provider-Mix in den Unternehmen ein immer wichtigeres Thema."
Die Analysten erwarten, dass es auf absehbare Zeit eine Mischung aus unterschiedlichsten IT-Betriebsmodellen und -Plattformen geben wird. "On-Premise-Services und Private Clouds haben für bestimmte Workloads und Aufgabenbereiche derzeit noch klare Argumente, sodass die Hybrid Cloud definitiv kein kurzer Zwischenschritt in der Entwicklung ist", argumentiert Velten. Trotzdem seien Public Cloud Services der Motor der künftigen IT-Entwicklung.
Die Wettbewerbssituation im Cloud-Markt hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Die technischen Voraussetzungen der Anbieter bezüglich virtueller Maschinen, Speicherlösungen und Netzwerkverbindungen seien heute weitgehend vergleichbar, so die Auguren. Der einst harte Preiskampf der IaaS-Anbieter habe an Bedeutung verloren. Velten: "Die Anbieter kämpfen heute hauptsächlich mit Innovationen und verbessertem Support um die Workloads von morgen." Sie arbeiteten intensiv daran, neue Trends wie Machine Learning, Internet of Things und Container Services zu unterstützen und dazu möglichst rasch eigene Angebotspakete zu schnüren.
Vor diesem Hintergrund hat Crisp Research die auf dem deutschen Markt aktiven Anbieter von "Cloud Platforms" analysiert. Darunter finden sich sowohl Infrastructure-as-a-Service- als auch Platform-as-a-Service-Provider. Einige Player, vor allem die Schwergewichte in diesem Marktumfeld, bieten beide Varianten an. Viele Anbieter konzentrieren sich seit jeher auf Cloud Computing, insbesondere Amazon Web Services, ProfitBricks oder auch Google. Andere stammen aus der klassischen Enterprise-IT und haben ihr Portfolio nicht zuletzt durch Zukäufe erweitert. Zu dieser Gruppe zählt Crisp Research etwa IBM, Microsoft und SAP. Hinzu kommen Hosting-Anbieter wie OVH und 1&1 sowie Telekommunikationskonzerne wie Vodafone und Telekom, die ihr Portfolio ebenfalls um Cloud-Angebote ergänzt haben.
Lesen Sie auf den nächsten Seiten, wie die Cloud-Plattform-Anbieter im Ranking von Crisp Research abgeschnitten haben.
Cloud-Plattformen- die wichtigsten Anbieter in Deutschland
Um in die Wertung zu kommen, mussten die Anbieter zunächst einige allgemeine Kriterien erfüllen. Dazu gehörten eine deutsche Niederlassung oder ein deutsches Partnernetzwerk sowie mindestens ein Referenzprojekt im deutschen Markt (auch nicht-öffentlich/ unter NDA). Darüber hinaus mussten die Dienstleister weitere Merkmale mitbringen:
ein Angebot an Compute, Network und Storage als Basiskomponenten;
Integrationsmöglichkeiten der Plattform in Form von API / Schnittstellen;
Platform-Services: Standard-Services für einzelne Tasks und Workloads sowie für Entwicklungs- und Monitoring-Aufgaben.
Für die Bewertung der Anbieter definierte Crisp Research eine Reihe von Einzelkriterien, aufgeteilt in die zwei Hauptkategorien "Service / Product Value Creation" und "Vendor Performance". Sichtbar wird die Gesamtwertung in einem Quadranten, der vier Anbietergruppen unterscheidet: Accelerator, Innovator, Emerging Player und Challenger (siehe Grafik).
Cloud-Plattformen - die Anbieter in der Einzelwertung
Amazon Web Services (AWS)
Im "Accelerator"-Quadranten positioniert Crisp Research diejenigen Anbieter, die für Unternehmenskunden als besonders attraktiv gelten in puncto Produktreife und Marktpräsenz. Amazon Web Services ist hier nach wie vor der Marktführer. Die Analysten begründen dies mit "der immer währenden hohen Innovationsgeschwindigkeit und der Vormachtstellung als verbreitetste Plattform in den Unternehmen und in Entwicklerkreisen". Auch die Anzahl an Platform-Services und die hohe Reputation bei den Kunden sorgten für den Spitzenplatz.
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Microsoft
Auch Microsoft besitzt mit seiner Azure-Plattform ein attraktives Angebot, das dem AWS-Portfolio nur noch in wenigen Punkten unterlegen sei. Nach Einschätzung der Crisp-Analysten gelang es dem Anbieter, das Innovationstempo in Sachen Azure hochzuhalten und dabei eine fast ebenso umfangreiche Auswahl an Plattform-Services und Betriebsmöglichkeiten wie AWS zu entwickeln. Hinzu komme der besondere Fokus auf Enterprise-Kunden, den Microsoft mit einem deutschen Rechenzentrum und dem Treuhändermodell mit T-Systems verdeutlicht habe. Das helfe dabei, die Kundenakzeptanz weiter zu steigern.
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Mit SaaS-Angeboten wie der G Suite genießt der Suchmaschinenkonzern schon lange einen hohen Stellenwert in den Unternehmen. Durch die neue Enterprise-Strategie, die gerade erst zu greifen beginnt, will der Anbieter nun auch IaaS- und PaaS-Dienste stärker auf professionelle Kunden ausrichten. "Noch beschränkt sich dies vor allem auf eine leistungsfähige Plattform mit einer Reihe von Diensten, insbesondere im Umfeld von Artificial Intelligence (AI) und Machine Learning", kommentieren die Crisp-Experten. In Sachen Vendor Performance müsse Google aber mehr tun, als eine Vertriebsmannschaft für den deutschsprachigen Raum aufzubauen.
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IBM
Vor nicht allzu langer Zeit hat IBM seine unter dem Namen Softlayer gestarteten IaaS-Angebote in das Bluemix-PaaS-Portfolio integriert. Trotz mäßiger Erfolge im Produktiveinsatz sei die Plattform hinsichtlich der angebotenen Services, RZ-Standorte und des Enterprise-Niveaus zurecht auf der Shortlist vieler Entscheider, urteilen die Analysten. Insbesondere für langjährige Kunden halte IBM ein gutes Angebot bereit. Das gelte auch in Hinblick auf Hybrid-Cloud-Betriebsmodelle.
SAP
Mit seiner Hana Cloud Platform hat SAP im Crisp-Ranking ein ähnliches Standing im Markt wie IBM. Das Produkt und die Idee hinter dem PaaS-Angebot auf Basis der In-Memory-Technologie Hana seien für viele Einsatzszenarien insbesondere im Analytics- und Big-Data-Umfeld sehr interessant, so die Marktforscher. Auch für viele SAP-Kunden sei die Plattform eine gute Wahl, wenngleich das Going Live oftmals länger dauere als erwartet.
Telekom
Die Telekom hat mit der Open Telekom Cloud inzwischen auch ein echtes und eigenes Public-Cloud-Angebot. Entwickelt wurde es gemeinsam mit Huawei auf der Basis des Open-Source-Pakets OpenStack. Bereits zum Markteintritt hatte der deutsche Konzern wichtige Plattform-Dienste im Portfolio, kommentiert Crisp. Insbesondere mittelständische Kunden ließen sich damit kostengünstig und durch einen Partner vor Ort bei ihrem Cloud-Einstieg begleiten.
ProfitBricks
Mit ProfitBricks schafft es ein verhältnismäßig kleiner deutscher Player in den Quadranten der führenden deutschen Cloud-Plattformanbieter. Mit einem zusätzlichen Rechenzentrum in den USA kann der Berliner Provider auch internationale Kunden gut bedienen. Die Übernahme der erst 2010 gegründeten ProfitBricks durch United Internet zum 1. August 2017 beurteilt Crisp Research positiv. Unter dem Dach der Geschäftssparte 1&1 Internet SE könne der Anbieter seine Marktpräsenz weiter ausbauen. Derzeit tritt ProfitBricks noch als eigenständige Marke und eigenständiges Unternehmen auf.
Salesforce
Der CRM-Spezialist zählt mit Salesforce1 und den zugehörigen PaaS-Angeboten ebenfalls zum Kreis der Topanbieter im Accelerator-Quadranten. Die proprietäre Plattform erfordere zwar etwas Einarbeitungsaufwand auf Seiten des Anwender, geben die Analysten zu bedenken. Dennoch sei die PaaS-Umgebung insbesondere in Ergänzung zu den hauseigenen SaaS-Diensten und als Basis für IoT-Szenarien teilweise erfolgreich im Markt.
Drei "Innovatoren" im Markt für Cloud-Plattformen
DgitalOcean
Der US-Anbieter DigitalOcean konzentriert sich vor allem auf Entwickler und neue, digitale Workloads. Zwar können auch klassische Enterprise-Applikationen auf der Cloud-Plattform betrieben werden. Doch die Stärken des Providers liegen nach Einschätzung von Crisp Research in neuen Themen wie Container-Techniken oder Machine Learning. Trotz des deutschen Rechenzentrumsstandorts sei die Präsenz von DigitalOcean in größeren deutschen Unternehmen und dem Mittelstand noch gering.
OVH
Mit der Übernahme des vCloud-Air-Geschäfts von VMware ist OVH zu einem größeren Player aufgestiegen. Schon zuvor hatte der Anbieter sein Dedicated-Hosting-Angebot um Cloud-Services erweitert. Mithilfe der VMware-Architektur könne der Provider seine Cloud-Strategie nun konsequenter verfolgen, urteilen die Crisp-Experten.
Alibaba
Besonders offensiv arbeitet der chinesische Internet-Gigant Alibaba an seinem Cloud-Angebot. Ausgehend vom asiatischen Markt taste sich der Anbieter immer näher an europäische Unternehmen heran, beobachtet Crisp Research. Das liege nicht zuletzt an der internationalen Plattform, die zusätzlich zur rein chinesischen kürzlich in Betrieb genommen wurde. Bislang waren die Produkte vor allem für chinesische und asiatische Konzerne ausgelegt. Die wachsende Zahl der Services sowie die große Investitions- und Innovationsmacht des Suchmaschinenriesen verbesserten nun auch die Chancen für einen erfolgreichen Markteinstieg in Europa.
Die Herausforderer: Oracle, Fujitsu, Vodafone
Oracle
Der Datenbank-Primus Oracle ist spät in den Cloud-Markt gestartet. Mit seiner großen Zahl an Cloud-Services hat der Softwarekonzern nur ganz knapp eine Position im Accelerator-Quadranten verfehlt. Crisp Research hebt Oracles starke Präsenz bei wichtigen Enterprise-Kunden hervor. Gelinge es dem Anbieter, seine Stärken nah am eigenen Kerngeschäft in Richtung Cloud Computing weiter auszubauen, könne sich die Position weiter verbessern.
Fujitsu
Seine K5-Plattform hat Fujitsu maßgeblich auf Basis von OpenStack entwickelt. Sie stellt sowohl IaaS- als auch PaaS-Dienste zur Verfügung und gewinnt nach Einschätzung der Analysten in Deutschland an Bedeutung. Wesentliche Plattform-Services seien bereits verfügbar, und die Bereitstellung der Dienste auf Basis leistungsstarker Hardware-Konfigurationen (zum Beispiel Field Programmable Gate Arrays, FPGA) werde ein zunehmend wichtiger Teil des Angebots.
Vodafone
In Sachen Cloud Computing fährt Vodafone in Deutschland zweigleisig. Zum einen gibt es eine eigene Cloud-Plattform, zum anderen tritt das Unternehmen als Vertriebspartner der Alibaba Cloud auf. Das eigene Produkt heißt Total Cloud und wird in den drei Varianten Private, Flex und Fusion angeboten. Hinzu kommt ein Managed-Cloud-Modell.
Cloud Computing: Emerging Player lauern im Hintergrund
QSC
Im Emerging-Player Quadranten positioniert Crisp Research die ambitionierten Verfolger im deutschen Cloud-Markt. Dazu gehört auch QSC. Der Telekommunikationsdienstleister aus Köln hat mit seinen deutschen Rechenzentrumsstandorten ein Infrastrukturangebot entwickelt, das vor allem mittelständischen Unternehmen als Basis ihrer Digitalisierungsaktivitäten dienen soll. Insbesondere die eigene Netzwerkarchitektur ist aus Sicht der Analysten ein Vorteil, der QSC auch jenseits seiner Kernzielgruppe interessant mache.
Red Hat
Die als Linux-Distributor gestartete Red Hat offeriert mit der OpenShift-Plattform vor allem eine Grundlage für verschiedene Cloud-Services der Mitbewerber, kommentiert Crisp Research. Der Open-Source-Ansatz verhelfe dem Anbieter im Cloud-Markt zwar zu einem Alleinstellungsmerkmal. Isoliert betrachtet liege das Angebot in Hinblick auf die Plattform-Services aber noch deutlich hinter den Marktführern.
CloudSigma
Auch das schweizerische Unternehmen CloudSigma drängt in den deutschen Cloud-Markt. Seit 2009 hat der Anbieter mit inzwischen rund 50 Mitarbeitern seine Services weiterentwickelt, die aktuell aus zehn weltweiten Cloud-Standorten geliefert werden. Die Platform-Dienste gewönnen vor allem durch Partner und Integrationsprojekte an Bedeutung, berichten die Analysten. Allerdings sei die Wahrnehmung im Enterprise-Umfeld trotz der lokalen Nähe noch nicht sehr hoch.
NTT
Der Telekommunikationskonzern NTT offeriert zusätzlich zum Angebot seiner Tochter Dimension Data auch eine eigene Public Cloud. Die Stärken des umfangreichen Netzwerks lägen aber eher im asiatischen Raum. Deutsche Unternehmen fänden bei NTT nur selten die richtigen Angebote für ihren Bedarf, urteilen die Crisp-Experten.
Atos Information Technology
Strategisch hat sich Atos Information Technology nach Einschätzung der Analysten in den vergangenen Jahren von der eigenen Canopy Cloud wegbewegt. Im Vergleich zur Outsourcing- und Managed-Cloud-Sparte seien Produktentwicklungen der Canopy Cloud eher sporadisch verfolgt worden. Als Teil des gesamten Portfolios und aufgrund der hohen Präsenz im Kerngeschäft von Atos Information Technology platziere sich die Cloud-Plattform aber immerhin auf der Longlist einiger Entscheider.
1&1
Mit seinem Cloud-Server ist 1&1 nach wie vor als eigenständiger Cloud-Anbieter aktiv. Im Unterschied zu den meisten Playern im Plattformvergleich konzentriert sich 1&1 aber vorwiegend auf kleine und mittelständische Unternehmen. Das schlägt sich sowohl im Portfolio als auch in der Vendor Performance nieder. Nach Einschätzung von Crisp Research gelingt es dem Provider derzeit nicht, sich mit den großen Anbietern zu messen. Mit der Übernahme von ProfitBricks könne sich das aber schnell ändern.
Weitere Segmente im deutschen Cloud-Markt
Neben der bedeutendsten Kategorie "Cloud Platforms" nahm Crisp Research in einer umfangreichen Studie eine Reihe enger definierter Marktsegmente unter die Lupe. Dazu zählen:
Cloud Platforms - Serverless Computing
Cloud Platforms - Container Platform Services
Cloud Platforms - Special Purpose Hardware
Unified Performance Management Software
Managed Public Cloud Provider
Managed Hybrid Cloud Provider