Bring-Your-Own-Device (BYOD) ist in aller Munde. Unaufhaltsam scheint der Trend, dass Mitarbeiter mit eigenen Notebooks, Tablets und Smartphones am Arbeitsplatz tätig sind. Wie eine Studie von IDC in Australien und Neuseeland zeigt, setzt das CIOs zunehmend unter Handlungsdruck. Da BYOD für fast alle Firmen Neuland ist, sind Anwenderbeispiele im jetzigen Stadium besonders anregend und nützlich. Umso mehr gilt das, wenn es sich bei beim Anwender um ein IT-Schwergewicht wie IBM handelt. In unserer amerikanischen Schwesterpublikation CIO.com berichtet Konzern-CIO Jeanette Horan, wie die weltweit 440.000 Mitarbeiter schrittweise alle an BYOD herangeführt werden sollen.
Wie die IDC-Studie aus Down-Under zeigt, verspüren die IT-Entscheider Druck von oben und unten. Einerseits forcieren die Vorstände eine BYOD-Umsetzung, andererseits fordern die Mitarbeiter einen adäquaten Support für ihre Tablets und Smartphones ein. Die Vielzahl an publizierten Fallstudien zum Thema erhöhe den Druck weiter, so IDC-Analystin Amy Cheah.
Kürzere Lebenszyklen konterkarieren Spareffekt
Die Hälfte der von IDC befragten CIOs kann sich BYOD offenbar nicht mehr verschließen. 13 Prozent haben bereits ein entsprechendes Konzept implementiert, 27 Prozent sind in der Pilotierungsphase. Jeweils rund fünf Prozent planen BYOD entweder für mindestens oder höchstens die Hälfte der Mitarbeiter. Analystin Cheah berichtet, dass das Thema in der Realität mit mehr Problemen und Widersprüchen beladen sei als oft angenommen. Die oftmals vorausgesetzte Begeisterung der Mitarbeiter für BYOD bestätigt die Studie jedenfalls nicht. Nur ein Fünftel der Belegschaft will im Durchschnitt mit eigenen Geräten arbeiten. „Das bedeutet, dass die Mehrheit weiterhin Firmengeräte haben will“, so Cheah.
CIOs müssen sich laut IDC darauf einstellen, dass BYOD einerseits mit einer größeren Vielzahl an Geräten sowie mit dem Firmennetzwerk verbundenen Betriebssystemen einhergeht. Andererseits werde der vergleichsweise kurze Lebenszyklus von Geräten für Endverbraucher in höherer Frequenz als bisher gewohnt Upgrades notwendig machen. „Während von BYOD oft eine Kostensenkung erwartet wird, werden die kürzeren Lebenszyklen umsichtig gemanagt werden müssen, um Ausfälle beim Support und der Anwendungsmodernisierung sowie verlorene Produktivität der Mitarbeiter zu verhindern“, kommentiert Cheah.
Solchen Problemen vermochte IBM nach Horans Darstellung zwangsläufig nicht mehr auszuweichen. Traditionell habe man als Unternehmen bei mobilen Endgeräten auf BlackBerrys gesetzt. Weil immer mehr Mitarbeiter ihre iPads und andere Geräte mitbrachten, habe man aktiv werden müssen. Es habe ein Szenario gedroht, dass jeder für sich nach Support suche, wenn es von Unternehmensseite keine Aktivitäten gegeben hätte.
Konzernweit 80.000 Privatgeräte
Das BYOD-Programm von IBM ziele nun darauf ab, jeden Mitarbeiter dabei zu unterstützen, auf die gewünschte Weise arbeiten zu können. „Sie werden das jeweils am besten für ihren Job geeignete Tool finden“, sagt die IT-Chefin. „Ich will klarmachen, dass ich ihnen das ermöglichen kann – aber in einer Art und Weise, die die Integrität unseres Geschäftes sicherstellt.“
120.000 Nutzer greifen derzeit mit mobilen Endgeräten auf das Firmennetzwerk von IBM zu. 40.000 Mitarbeiter machen das nach wie vor mit Geräten, die IBM ihnen stellt. Zwei Drittel allerdings bringen ihre eigenen Geräte mit ein. Als ersten Schritt gab IBM den Mitarbeitern deshalb eine Reihe von Richtlinien für sicheres Arbeiten am Computer an die Hand. So sollte das Bewusstsein für Online-Security und die Sensibilität von Unternehmensdaten geschärft werden.
Technologisch setzt das BYOD-Programm bei IBM unter anderem auf Lotus Traveler als Client-Anwendung, über die Mitarbeiter die Mail- und Kalendar-Funktionalitäten von Lotus nutzen können. Der mögliche Einsatz eines Virtual Private Network (VPN) als Sicherheits- und Support-Option werde derzeit evaluiert, so Horan.
Im Gegensatz zu gewöhnlichen Anwenderunternehmen hat IBM den Vorteil, auf eine Schar an eigenen IT-Lösungen zurückgreifen zu können. Eine bei den Mitarbeitern beliebte Applikation wie Dropbox, der File-Hosting-Service aus der Cloud, diente kurzerhand als Anregung für eine eigene, auf geschäftliche Nutzung getrimmte Anwendung mit Dropbox-ähnlichen Funktionalitäten. „Wir animieren die Leute dazu, es auszuprobieren“, so Horan.
Für das Management der mobilen Geräte nutzt IBM eine eigene Plattform: den Tivoli Endpoint Manager. Diese Lösung ermöglicht insbesondere die Fern-Säuberung von gestohlenen oder verlorenen Geräten. Systematisch gelöscht werden so auch die Geräte von Mitarbeitern, die IBM verlassen. Wer sein eigenes Gerät dienstlich verwenden will, muss sich vorab mit dieser Prozedur einverstanden erklären.
HTML5 eine Option
Zukünftig könnte es einen alternativen Ansatz für diesen Fall geben. Denkbar wäre der Einsatz von sicheren Containern, über die von den Mitarbeitern genutzte Anwendungen bereitgestellt werden. Im Falle des Falles müsste dann nur der Container gereinigt werden, nicht das ganze Gerät. Noch sei diese Lösung aber nicht im Einsatz, berichtet Horan. Die IT-Chefin freut sich ferner darauf, dass bald mobile Hypervisoren auf breiter Front verfügbar sein könnten, die den Betrieb getrennter Betriebssysteme für private und berufliche Zwecke auf einem Gerät ermöglichen.
Noch ungelöst ist die Frage, ob separate native Applikationen für jedes mobile Betriebssystem entwickelt und betrieben werden sollen oder ob sich Browser-basierte Anwendungen empfehlen, die einmal geschrieben und dann plattformübergreifend eingesetzt werden können. HTML5 macht das zumindest möglich. „HTML5 ist definitiv eine Richtung, in die wir denken“, sagt Horan. Sie selbst verspüre nämlich wenig Lust, sich um jedes einzelne Gerät im Unternehmen kümmern zu müssen. „Ich weiß aber nicht, ob meine User das akzeptabel finden werden.“
Mit der Übernahme von Worklight, Spezialist für mobile Anwendungen, hat IBM kürzlich eine Lücke im Portfolio geschlossen, was sich bei den aktuellen BYOD-Anstrengungen als höchst hilfreich herausstellt. Jenseits der technologischen Aspekte bedauert Horan, für jedes der 170 Länder, in denen das Unternehmen präsent ist, einen individuellen Carrier-Vertrag abschließen zu müssen. Langfristig verfolgt IBM laut Horan durchaus die Strategie, das Handy zum einzigen Telefon der Mitarbeiter zu machen und so die Ausgaben für eigene Bürotelefone einzusparen. Noch gebe es aber nicht an allen Standorten die notwendigen Funknetze.
Trotz derartiger Probleme: Schon aufgrund des prominenten Namens und der schieren Größe des Projektes verdiene IBMs BYOD-Programm größte Aufmerksamkeit, urteilt Dion Hinchcliffe vom Beratungshaus Dachis Group. Das gelte insbesondere für die Wege, die IBM bei Management und Strategie beschreite.