Geschäftsfreundschaften

Die Causa Wulff und die Bratwurstsemmel

20.10.2014 von Christiane Pütter
Der Fall Christian Wulff hat den Umgang mit Geschäftsfreundschaften verändert, beobachtet Consultant Theo Bergauer. CIOs wie Matthias Moritz (Almirall) und Klaus Weiß (dwpbank) haben ihre Prinzipien - und mancher CIO mochte sich nur "off the records" äußern.

Dass man mit fachlicher Kompetenz allein keine Karriere macht, liest man allerorten. Netzwerke, Soft Skills und Kontakte gehören unbedingt dazu, so das Credo. Dass das auch seine Tücken hat, weiß Theo Bergauer, Consultant für Souveränität und Persönlichkeitsentwicklung. Seit Christian Wulff nach Ermittlungen wegen Vorteilsnahme sein Amt als Bundespräsident verlor, sind die Regeln streng geworden, beobachtet Bergauer.

Eine - nicht repräsentative - Umfrage von cio.de zeigt, wie brisant das Thema ist: Viele IT-Chefs äußerten sich dazu nur "off the records". Klartext reden Matthias Moritz, CIO von Almirall, und Dwpbank-CIO Klaus Weiß. Sie bestätigten Bergauers These: Sie nehmen Geschenke grundsätzlich nicht an. Falls doch, geht es nicht um materiell wertvolle Geschenke, sondern um die freundliche Geste.

CIOs über Compliance und Geschenke -
Consultant Theo Bergauer
Consultant Theo Bergauer weiß, wie schwierig das Thema Geschenke und Gefälligkeiten in der Businsswelt seit dem Fall Christian Wulff geworden ist. Sein Tipp: "Es sind ja nicht die großen Geschenke oder Gefälligkeiten, die die Freundschaft erhalten. Sondern kleine Dinge. Wenn ich weiß, dass jemand Anhänger eines bestimmten Vereins ist oder ein bestimmtes Hobby pflegt, maile ich ihm einen interessanten Zeitungsartikel dazu."
Wenn es um die Wurst geht
Bergauer weiter: "Viele Unternehmen haben erstmals Abteilungen rund um Compliance eingerichtet. Dabei gehen die Policies manchmal schon ins Lächerliche. Wenn die Mitarbeiter keine Bratwurst-Semmel mehr annehmen dürfen, kann das Trotz wecken."
Äußerungen meist off the records
Wir haben zu diesem Thema eine - nicht repräsentative - Umfrage unter einigen CIOs gestartet. Die meisten mochten sich nicht öffentlich äußern - der Brisanz des Themas wegen. Teilweise haben die CIOs schleche Erfahrungen mit unternehmensinternen Petzen gemacht. Deren "Anlass" bewegte sich in den uns geschilderten Fällen auf dem Niveau der besagten Bratwurst-Semmel.
Matthias Moritz, Almirall-CIO
Matthias Moritz, CIO bei Almirall, sagt: "Ich habe es mir zu eigen gemacht, meinen persönlichen Werten entsprechend, eigentlich weder Geschenke noch Einladungen et cetera anzunehmen." Ausgenommen ist davon lediglich das ein oder andere Geschäftsessen. Moritz Erfahrung: Geschäft funktioniert auch ohne! "Und meist besser...", sagt er.
Die Geste macht die Musik
Der Almirall-CIO bestätigt Bergauers These vom Wert der kleinen Geste. Moritz spielt Bass in einer Pop-Band und sagt: "Über musikalischen Gedankenaustausch freu ich mich natürlich immer gern..." Zum Beispiel über Presseartikel oder gute Tipps.
Klaus Weiß, CIO der dwpbank
Auch Klaus Weiß, CIO der dwpbank, nimmt Geschenke und Einladungen zu Events nur in Ausnahmefällen an. "Nicht nur wegen der strengen Compliance-Regeln, sondern ganz grundsätzlich", sagt er.
Die Kunst der Geschäftsfreundschaft
Auch er hat die Erfahrung gemacht, dass eine Aufmerksamkeit ohne großen materiellen Wert mehr Freude bringt. Einmal hat zum Beispiel das Team eines Geschäftspartners eigenes Bier gebraut. Ein anders Mal nahm Weiß an einer besonderen Führung durch die Kunsthalle Schirn (Foto) teil.

Herr Bergauer, haben die Vorwürfe gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff in puncto Geschenke/Gefälligkeiten etwas verändert?

Theo Bergauer: Auf jeden Fall! Viele Unternehmen haben erstmals Abteilungen rund um Compliance eingerichtet. Dabei gehen die Policies manchmal schon ins Lächerliche. Wenn die Mitarbeiter keine Bratwurst-Semmel mehr annehmen dürfen, kann das Trotz wecken.

Wenn mir etwas angeboten wird, das ich aus Compliance-Gründen nicht annehmen darf - wie weise ich das zurück, ohne grob zu wirken?

Theo Bergauer: Ganz offen sagen, dass einem hier die Hände gebunden sind. Das Gegenüber muss wissen, dass das nichts mit ihm zu tun hat. Grundsätzlich ist es ja gut, dass das beobachtet wird. Denn man will ja unabhängig bleiben. Keiner will sich den Vorwurf gefallen lassen, er sei käuflich …

Und umgekehrt: wenn ich einem Geschäftsfreund etwas anbiete, das für mein Unternehmen Standard ist, und derjenige weist es zurück, weil er es nicht annehmen darf - wie reagiere ich?

Theo Bergauer: Mit der sachlichen Aussage: "Ich akzeptiere das."

Was raten Sie in puncto Geschenke in Geschäftsbeziehungen?

Theo Bergauer: Es sind ja nicht die großen Geschenke oder Gefälligkeiten, die die Freundschaft erhalten. Sondern kleine Dinge. Wenn ich weiß, dass jemand Anhänger eines bestimmten Vereins ist oder ein bestimmtes Hobby pflegt, maile ich ihm einen interessanten Zeitungsartikel dazu. Anderes Beispiel: ich weiß, dass mein Geschäftsfreund in den Urlaub fährt. Also schicke ihm ein paar Tipps oder einen netten Gruß: "Ich hoffe, du kriegst deinen Schreibtisch noch aufgeräumt."

"Dass man mehr Spaß an der Arbeit hat"

Ganz grundsätzlich: Wozu Geschäftsfreundschaften? Was ist der wesentliche Unterschied zwischen der privaten Freundschaft und der freundschaftlichen Geschäftsbeziehung? Welchen Zweck hat Letztere?

Theo Bergauer: (lacht) Dass man mehr Spaß an der Arbeit hat! Dass man sich freut auf den Geschäftspartner, mit dem man zu tun hat. Wer Spaß an der Arbeit hat, kann sich eine Menge schöner Tage machen. Zweck einer Geschäftsfreundschaft ist natürlich, sich gegenseitig nützlich zu sein.

Andererseits ist einem aber nicht jeder sympathisch…

Theo Bergauer: Man soll sich auch nicht verkrampfen. Es muss nicht aus jedem beruflichen Kontakt eine Geschäftsfreundschaft entstehen. Man braucht aber eine positive Einstellung zum Gegenüber.

Welche Gesprächsthemen gehören NICHT in eine Geschäftsfreundschaft?

Theo Bergauer: Politische Fragen und politische Einstellungen. Ebenso Religion. Alles, was die persönliche Überzeugung berührt.

Welche Dos und Dont's gibt es in einer Geschäftsfreundschaft?

Theo Bergauer: Das wichtigste "Do" ist, Zeit zu haben. Für einen Geschäftsfreund da zu sein bedeutet, sich nicht nur dann zu melden, wenn die Budgetverteilung und die Auftragsvergabe anstehen. Echtes Interesse zeigt sich, wenn ich mir seinen Geburtstag oder seine Hobbys merke, statt sie beim nächsten Treffen in meinen Notizen nachzulesen.

Was sind die "Dont‘s"?

Theo Bergauer: Das schlimmste "Don’t" sind Drohungen nach dem Motto: "Wenn Du mir diesen Gefallen nicht tust, dann….". Außerdem ist die Beteiligung an Intrigen Tabu. Kurz: in der Geschäftsfreundschaft muss man ebenso loyal sein wie in der privaten Beziehung. Ein weiterer Fehler: Der Geschäftsfreund bekommt weniger Leistung, als er erwarten darf. Da werden Termine nicht eingehalten oder halbfertige Produkte abgeliefert, weil man meint, der Geschäftsfreund "verträgt das schon". Das ist falsch.

Wie verhalte ich mich, wenn ich bei einem Geschäftsessen vielleicht zu viel getrunken habe und über Firmeninterna gesprochen habe, die ich eigentlich geheimhalten muss?

Theo Bergauer: Ausbügeln kann man das nicht mehr. Das muss man schon mit sich selbst ausmachen und klare Regeln treffen. Wer keinen Alkohol verträgt, trinkt dann eben alkoholfreies Bier.

Fiktive Situation: Ich habe eine Geschäftsfreundschaft mit einem unabhängigen Berater geschlossen, mit dem ich seit längerer Zeit immer wieder zu tun hatte und der mir sympathisch ist. Jetzt übernimmt er eine Position in einem Unternehmen, das mit meinem Unternehmen konkurriert. Wie verhalte ich mich?

Theo Bergauer: Das ist schwierig. Die gute Beziehung soll erhalten bleiben, auch wenn Geschäftliches zunächst einmal außen vor bleiben muss. Mittelfristig kann aber für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation entstehen. Es ist heute nicht ungewöhnlich, dass Wettbewerber punktuell kooperieren oder strategische Allianzen bilden. Vielleicht kommen die Geschäftsfreunde so wieder zusammen.

Frauen haben den siebten Sinn

Sind Frauen bei Geschäftsfreundschaften eigentlich anders als Männer?

Theo Bergauer: Ja, ich beobachte schon, dass Frauen den siebten Sinn haben. Sie merken schneller, ob das Interesse echt ist oder gespielt. Mit Komplimenten muss "mann" Frauen gegenüber natürlich erst einmal zurückhaltender sein - zu einem Kumpel kann man bedenkenlos sagen, er habe ja abgenommen und sehe jetzt gut aus. Bei einer Frau muss sichergestellt sein, dass sie das nicht falsch versteht.

Welche Rolle spielt Social Media in Geschäftsfreundschaften?

Theo Bergauer: Social Media-Tools bieten eine gute Möglichkeit, auch auf Distanz Nähe zu pflegen. Ich kann verfolgen, dass jemand am Wochenende in den Bergen war und ihm einen kurzen Kommentar schicken. Dabei muss man natürlich aufpassen, was man ins Netz stellt. Sind andere Menschen mit auf Fotos, muss man sie vorher nach ihrem Einverständnis fragen. Grundsätzlich halte ich Xing für professioneller als etwa Facebook.

Der Berater Theo Bergauer aus Waldsassen (Oberpfalz) spezialisiert sich auf Themen wie Souveränität und Persönlichkeit. Er ist Autor des Buches "Warum Gewinner mehrfach siegen", das die Denkwelten erfolgreicher Sportler und Unternehmen ergründen soll.