Die Welt der CIOs ist aus den Fugen geraten: Bis vor kurzem war die Hauptaufgabe der Unternehmens-IT, Technologiesprünge zu meistern, neue Anwendungssysteme mit nie geglaubten Funktionalitäten bereitzustellen, Betriebsmodelle mit ungeheurer Komplexität und einem Mix aus zentralen und dezentralen, eigenen und zugekauften, Onsite- und Offshore-Leistungen zu planen, zu realisieren und fortlaufend zu optimieren. War diese Arbeit damit nicht schon herausfordernd und risikoreich genug?
Das sollte man meinen. Allerdings wird der allgegenwärtige und mächtige Treiber der nächsten Jahre, die Digitalisierung, die Rolle und den Aufgabenbereich der IT grundlegend verändern.
Dabei beschleunigenTrends auf der Technologie- wie auch auf der Business-Seite die Digitalisierung der Geschäftswelt. Mobile Geräte, die permanenten Zugriff auf alle im Internet verfügbaren Informationen bieten, neue Möglichkeiten, immense Datenmengen über Big Data-Technologien und In-Memory Computing zu beherrschen und Maschine-zu-Maschine-Kommunikation, die das Internet der Dinge in alle Lebensbereiche bringt, ermöglichen vollkommen neue Geschäftsmodelle.
Intelligente Maschinen, industrialisierte Services sowie die Ausbreitung von Cloud-Technologien und 3D-Druckverfahren, werden die Kosten für Geschäfts- und IT-Prozesse und damit für die angebotenen Produkte und Services in den Industrien drastisch verringern.
Zusätzlich verändert sich durch die Digitalisierung die Wettbewerbslandschaft in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit. Die Kundenerwartungen sind massiv gestiegen und gleichzeitig hat sich die Verhandlungsmacht durch die hohe Markttransparenz des Internets über Leistungen, Qualität und Preise deutlich zu Gunsten der Kunden verlagert. Die Kunden sind durch die vorhandenen Technologien jederzeit erreichbar, stets online und gewillt, mit anderen Konsumenten und Unternehmen zu interagieren und zu teilen - seien es physische Waren oder Informationen. Sie suchen den für sich passenden Vertriebs- und Kommunikationskanal beziehungsweise fordern entlang der "Customer Journey" ein kanalübergreifendes Einkaufserlebnis.
Die (Marken-) Loyalität ist gesunken und der Wettbewerb hat in vielen Branchen durch neue Wettbewerber und immer schnellere Innovationszyklen stark zugenommen. Um in diesem Wandel zu bestehen, ist die Analyse von strukturierten und unstrukturierten Informationen in Zukunft eine immer wichtigere Erfolgskomponente.
Unternehmen haben verstanden, dass sie sich den tiefgreifenden Veränderungen stellen müssen. Digitalisierungsprojekte schießen in den unterschiedlichsten Branchen wie Pilze aus dem Boden.
Doch wie soll man das Thema im Unternehmen aufsetzen?
Welche Trends haben wirklich die Substanz, um zum Blockbuster zu werden?
Wie können Themen schnell und zielgerichtet erschlossen werden?
Wer sollte dafür verantwortlich zeichnen - Business oder IT oder vielleicht beide? Diese Fragen werden die CIO Agenda 2015ff maßgeblich prägen.
Richtigen Ansatz für die Erschließung der digitalen Welt wählen
Die Erschließung der digitalen Welt ist von Aktionismus geprägt: Zu groß wäre der Schaden, wenn ein Unternehmen zu spät in der digitalen Welt ankäme. Häufig gibt es parallele und nicht abgestimmte digitale Initiativen, die zu unterschiedlichen Plattformen führen und die dem CIO den Betrieb am Ende des Tages außerordentlich schwer machen. Um dies zu verhindern, gibt es verschiedene Ansätze, die Digitalisierung von Beginn an sinnvoll und strukturiert aufzusetzen:
Etablierung einer eigenen "digitalen Division":Die enge Integration in das Unternehmen stellt Geschäftsbezug und Bodenhaftung her. Die Erfahrung zeigt aber, dass innovative Lösungen in einer solchen Umgebung oft schwer gedeihen können. Zu eingefahren wird gedacht, zu wenig ist man geneigt, quer zu denken und dafür Akzeptanz zu finden.
Aufsetzen einer "digitalen Projektorganisation":So kann der Abstand zum Tagesgeschäft hergestellt und eine Innovationskultur gefördert werden. Die Bereitschaft von Leistungsträgern, aus der Linie in eine temporäre Organisation zu wechseln, ist allerdings in der Praxis eher gering.
Gründung einer "digitalen Stand-alone Organisation", oder sogar in einem separaten Unternehmen für das digitale Geschäft: So lassen sich sogar "Digital Natives" für etablierte (und somit häufig als "langweilig" angesehene) Unternehmen einfacher gewinnen und die Innovationszyklen durch die vorhandenen Freiheiten beschleunigen. Hier gilt es aber die Gefahr des "Elfenbeinturms" zu vermeiden, in dem eine enge Kooperation mit Linienabteilungen vorgenommen wird.
Welche der Optionen für ein Unternehmen die richtige ist, hängt von der Industrie und daraus resultierend von der Bedeutung ab, die die Digitalisierung für ein Unternehmen hat. Ein Verlag, für den die Umstellung von Print auf digitale Medien existenzielle Bedeutung hat, wird sich eher für die dritte Option entscheiden, während ein B2B-Chemie-Unternehmen die Optionen 1 und 2 abwägen wird.
Es gibt keine Business- und IT-Seite mehr
Um es vorab klarzustellen: Im digitalen Umfeld gibt es keine Business- und IT-Seite mehr. Zur Erschließung der Potenziale bedarf es kombinierter, schlagkräftiger Teams. Erster Schritt ist ein Technologie-Scan und eine Einschätzung über die Nachhaltigkeit der gängigen Trends und ihrer Bedeutung für das Kerngeschäft. Dabei sollte der CIO eine zentrale Rolle übernehmen - auch im Hinblick auf die Integration neuer Technologien in die bestehende Infrastruktur.
Die Praxis zeigt zudem, dass die Fachbereiche, anders noch als zu Zeiten von SAP-Einführungen, immer technologie-affiner werden. Sie denken proaktiv mit, setzen sich intensiv mit neuen Technologien auseinander und suchen Anwendungsfelder in ihrer Arbeitswelt.
In Zeiten der "Appisierung" und des "Internet der Dinge" sind die Fachbereiche mündig geworden. Diese Konvergenz zwischen Business und IT ist auch zwingend notwendig, um die richtigen Entscheidungen im digitalen Zeitalter treffen zu können.
Welche Trends im Einzelfall von Bedeutung sind, hängt maßgeblich von der Industrie ab. Stehen bei Konsumgüterunternehmen Themen wie Omni-Channel oder Digitized Consumer Journey im Mittelpunkt, so werden Unternehmen der produzierenden Industrie, insbesondere im B2B-Segment eher auf Maschine-zu-Maschine-Kommunikation oder die digitale Anbindung von Lieferanten und Kunden sowie den unternehmensübergreifenden Informationsaustausch fokussieren.
Anschließend muss die Transferleistung auf das Geschäft erfolgen: Wie können über den Einsatz von Technologie Umsatz- oder Kostenwirkungen erzielt werden? Das geht nur in gemeinsamer Diskussion: "Use Cases" werden entworfen, bewertet und in eine Digitalisierungsroadmap konsolidiert. Das Ergebnis ist ein digitales Geschäftsmodell, das insbesondere Themen wie Kunden-Interaktion und -Einbindung, "Connected Products" und Services, Data Analytics sowie das Betriebs- und Umsatzmodell beschreibt.
Zielgerichtete Implementierung sicherstellen
Steht das digitale Geschäftsmodell, beginnt die eigentliche Arbeit für den CIO: die Konzeption des digitalen Betriebsmodells. Welche Fähigkeiten werden dazu benötigt? Sollten diese intern aufgebaut oder fremdbezogen werden? Bei der Frage von "Make-or-buy" steht in Zukunft weniger der Kostenaspekt im Vordergrund, vielmehr geht es um "Time-to-market" und die Verfügbarkeit des "richtigen" Know-hows.
Weil neue Ideen von unabhängig agierenden "Digital Natives" oft den Unterschied bei der Lösungsfindung machen, können Partnerschaften durchaus wertvoll sein, auch wenn Unternehmen gerne das wettbewerbskritische, digitale Know-how intern vorhalten wollen.
Darüber hinaus muss die Sicherheit von Informationen gewährleistet sein, um die Geschäftsbeziehungen mit Partnern und Kunden nicht zu gefährden und entscheidende Wettbewerbsvorteile zu verlieren - Cyber Security ist mehr als je zuvor ganz oben auf der CIO-Agenda angesiedelt.
Digitale Betriebsmodelle brauchen Governance und Prozesse
Wesentlicher Bestandteil des digitalen Betriebsmodells sind seine Governance und Prozesse. Gerade weil für die Entwicklung von digitalen Lösungen fast ausschließlich Scrum-basiert gearbeitet wird, hat der CIO hier eine massive Transformation seiner Organisation, aber auch deren Kultur vor sich. Im "analogen" Geschäft werden häufig etablierte Standardsysteme eingesetzt, die nach dem Wasserfallprinzip fortentwickelt werden und für die Stabilität und geringe Fehlerquote die wesentlichen Qualitätskriterien sind.
Anders sieht es im digitalen Umfeld aus: Hier werden agile Methoden eingesetzt, die Fehlertoleranz ist wesentlich höher und "Time-to-market" ganz entscheidend.
Da Kultur und Team für beide Kategorien nicht immer vereinbar sind, werden sich einige CIOs für getrennte Organisationen entscheiden. Hierfür macht der Begriff der "Two-speed Organizations" bereits die Runde.
2015 wird für CIOs nicht ruhig
Auch das Jahr 2015 wird für die CIOs nicht ruhig. Die Vielfalt der Themen erfordert ein Höchstmaß an Augenmaß zur Priorisierung sowie Leidenschaft und Ausdauer für die Umsetzung. Der Lohn wird aber nicht auf sich warten lassen: Nie zuvor waren die Möglichkeiten für CIOs so groß, über die Digitalisierung des Geschäfts Einfluss auf den Markterfolg des eigenen Unternehmens zu nehmen. Nie zuvor war die Vielfalt der Hebel zur Gestaltung einer leistungsfähigen IT größer. Wahrlich keine schlechten Voraussetzungen für die Zukunft.