Zurzeit würden in Deutschland wohl ständig Sektkorken knallen, wenn es nicht so viel zu tun gäbe. Die Stimmung ist bestens angesichts in vergessene Tiefen sinkender Arbeitslosenzahlen und im internationalen Vergleich herausragenden Wirtschaftswachstums - was es gefühlt zuletzt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gab. Man weiß hierzulande womöglich gar nicht, dass alleinige Höhenflüge in einer globalisierten Weltwirtschaft auch negative Folgen haben. CIOs sollten das schleunigst lernen, denn Experton warnt vor Knappheit und Teuerungen auf dem Markt für Business Clients. Wer Lieferengpässe im Jahr 2011 vermeiden will, sollte demnach so schnell wie möglich bestellen.
Wintersportelnde IT-Chefs dürfen ihre Freizeiterfahrungen dabei getrost aufs Berufsleben übertragen. Die Sportartikelartikelhersteller könnten derzeit die Nachfrage nach Skiern nicht bedienen, berichtet Andreas Zilch, Lead Advisor der Experton Group. "Es ist einfach nicht genug Kunststoffgranulat da", so Zilch. Genauso wird es laut seiner Prognose in wenigen Monaten bei den Herstellern von Notebooks, Desktops und Mobiles für den Business-Bereich sein. Es werde voraussichtlich an Vorprodukten wie Prozessoren, RAMs oder Motherboards fehlen, um die Nachfrage aus Deutschland zu befriedigen, so Zilch. Und zwar nicht bei einzelnen Herstellern, sondern branchenweit.
Die deutschen Firmen sind in dieser Hinsicht offensichtlich Opfer der ansonsten so erfreulichen Entwicklung, dass der Konjunkturmotor in der Bundesrepublik so schnell wieder angesprungen ist wie sonst fast nirgends. Schaut man auf die aktuellen Vergleichsdaten der OECD für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im zweiten gegenüber dem ersten Quartal des Jahres, weisen nur die Türkei und Mexiko ein höheres Plus auf - sowie Indien als Nichtmitgliedstaat von Rang. Aus China gibt es keine offiziellen Zahlen.
Ansonsten stechen die deutschen 2,2 Prozent unter anderem 0,4 Prozent in den USA, 0,7 Prozent in Frankreich, 1,2 Prozent in Großbritannien oder 1,0 Prozent als Durchschnitt der Eurozone deutlich aus. Und zuletzt ging es sogar noch steiler aufwärts in der Republik.
Dieser Aufschwung bleibt nicht ohne Folgen für die Business-IT. Wegen der Wirtschaftskrise stoppten die mittleren und größeren Anwenderunternehmen in den vergangenen beiden Jahren weitgehend ihre Investitionen für Clients. Ein weltweites Phänomen, das zudem durch das Warten auf Windows 7 verstärkt wurde. "Viele dieser Anwender sind damit heute noch auf einer Kombination aus Windows XP, Office 2000 und Internet Explorer 6, was aus mehreren Gründen schon heute inaktzeptabel ist", so Zilch.
US-Anbieter planen konservativ
Nun haben mittlerweile Windows 7 und Office 2010 den Praxistext bestanden, und die Unternehmen bewilligen wieder größere IT-Budgets. Experton rechnet deshalb für die ersten neun Monate des kommenden Jahres mit einem spürbaren Nachfrage-Boom bei den Business Clients. Zum normalen Austausch kämen größere Rollouts in vielen Unternehmen und entsprechende Projekte innerhalb von Outsourcing-Verträgen - ein Trend, den die Analysten aufgrund von Gesprächen mit ihren Kunden beobachten.
Das Problem: Das alles gilt so für nur Deutschland. Anderswo brummt die Wirtschaft nicht so vernehmlich, und die Einkaufsbereitschaft der dortigen Firmen ist entsprechend weniger ausgeprägt. Die Anbieter von Business Clients haben deshalb laut Experton bisher keinen Anlass, ihre Produktion anzukurbeln. "Keiner will groß vorproduzieren oder die Kapazitäten erweitern", sagt Zilch. Insbesondere Hersteller mit Sitz in den USA planten für 2011 äußerst konservativ.
Die Anwender müssen sich nach Ansicht Expertons vergegenwärtigen, dass Business Clients anders als PCs für den Heimgebrauch seit einiger Zeit nicht mehr auf Vorrat gefertigt werden. Es gilt das Prinzip „Build-to-order“: Gebaut wird, sobald geordert ist. Wenn zu Beginn des kommenden Jahres die große Nachfragewelle die fast durchweg in Asien stehenden Fabriken - also jene, die nach dem Zusammenbruch des Marktes noch übrig sind - erreicht, kann die Produktion nicht von heute auf morgen hochgefahren werden.
Der limitierende Faktor ist laut Zilch weniger in der Endproduktion zu suchen als in der Lieferkette. Experton geht davon aus, dass es Monate dauert, bis alle Vorprodukte in benötigtem Maße vorhanden sind - genauso, wie derzeit bei den Skiherstellern das Granulat fehlt. "Somit ist abzusehen, dass Produktionskapazitäten für Business Clients auch in 2011 nicht massiv hochgefahren werden", vermutet Zilch. Er rechnet mit einem Nachfrageüberhang bis in den Herbst 2011.
Für die Anwender sind eine mögliche Folge Preiserhöhungen. Experton geht aber davon aus, dass dies nicht in dem Maße der Fall sein wird wie vor einigen Jahren bei Speicherchips, deren Preis sich in kurzer Zeit verdoppelte. Weil voraussichtlich alle Hersteller betroffen sind, kann keiner den Rahm der anderen abschöpfen.
Lieferfähigkeit wichtiger als Preis
Zilch rechnet stattdessen mit unvermeidbaren Lieferengpässen. "Die Empfehlung ist klar", so der Analyst. "Anwender, die größere Client-Rollouts planen, sollten früh mit der Ausschreibung und der Auftragsvergabe starten.“ In Verhandlungen mit den Herstellern sei es sinnvoll, vor allem auf das Kriterium der Lieferfähigkeit zu achten und gegebenenfalls Abstriche beim Preis zu machen, rät Experton.
Mit eigenen Zahlen kann Experton den bevorstehenden Client-Boom nicht belegen. Allerdings sagte unlängst IDC in einer Analyse des deutschen Hardware-Marktes ein Wachstum voraus. Demnach litt der Bereich der Clients - mit 45 Prozent des Gesamtkuchens das größte Teilsegment - im vergangenen Jahr unter einem Schrumpfen der PC-Verkäufe um rund 13 Prozent. Auch in diesem Jahr bleiben die Umsätze laut IDC um gut zwei Prozent rückläufig, was auf den überproportionalen Rückgang bei den Desktop PCs zurückzuführen sei.
Doch ab 2011 verzeichnet laut IDC auch das Client-Segment wieder Wachstum. Ein Grund dafür ist der Boom bei den "Smart Handhelds", also Smartphones und ähnliche Minirechner. "Diese Geräte erfreuen sich wachsender Beliebtheit und ersetzen vermehrt klassische Mobiltelefone", schreibt IDC.