Daten brauchen etwa eine Millisekunde pro 100 Kilometer. Aufgrund dieser physikalischen Gegebenheit benötigen Handelstransaktionen zwei Millisekunden: Ein Nutzer nahe der Deutschen Börse kann also schon mehrere Transaktionen durchgeführt haben, bevor eine weiter entfernte Bank die Daten überhaupt bekommt.
Banken aus Übersee beispielsweise erleiden deshalb einen Nachteil, wenn sie in Deutschland an der Börse handeln wollen. Das passiert beim automatischen Handel, bei dem Broker nur noch obere und untere Limits setzen. Den Rest erledigen Maschinen vollautomatisch. Um diesen Nachteil auszugleichen, können Banken seit Mitte 2008 Räume bei der Deutschen Börse mieten und dort ihre Rechner aufstellen. Bei diesem Co-Location-Modell bekommt der Börsenkunde einen Crossconnect zu den Zugangsknoten und kann über schnelle gebuchte Leitungen die Daten im Millisekundenbereich empfangen - egal wo sein Hauptsitz liegt.
Für die Commerzbank liegt der Vorteil nicht nur in der größeren Geschwindigkeit. Schließlich haben Commerzbank und Deutsche Börse ihren Sitz in Frankfurt. "Es geht nicht darum, dass wir immer schneller und immer mehr handeln wollen", erläutert Commerzbank-CIO Peter Leukert. "Für uns bedeutet die Nutzung des Premiumangebots, dass wir die Daten schneller im Haus haben und damit eine raschere Beurteilung der Lage möglich ist." Weil die Datenqualität steige, erweitere sich der Handlungsspielraum für die Banker.
Verhandlungen brauchten viel Zeit
Aus technischer Sicht gab es bei dem neuen Anschluss an die Börse zwei Aufgaben zu lösen. Zum einen galt es, den Zugang zu den Börsen-Servern einzurichten und geeignete Leitungen zu schalten, um die Daten in die Systeme der Bank schnellstmöglich zu übertragen. Dabei musste wie bisher immer die 100-prozentige Verfügbarkeit der Daten sichergestellt sein. Auf Basis dieser Anforderungen wurden Infrastruktur und Beauftragung der Dienstleister ausgerichtet. So legte die IT die Architektur ebenso redundant aus wie die Carrier. "Ein anderer wichtiger technischer Aspekt war, dass die Komplexität weiterhin beherrschbar sein muss", sagt Projektleiter Kai Behning von der Commerzbank.
Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Rechtsfragen mit der Deutschen Börse sowie den Dienstleistern Equinix (Germany) und Colt Telecom. Sie liefern die Rechenzentrums-Infrastruktur und stellen die Server-Räume, die Co-Locations, bereit. Darüber hinaus sorgen die Carrier BT, euNetworks und Colt für die Anbindung. Der Kick-off aller Beteiligten inklusive vieler interner Abteilungen und Dienstleister machte die externen Abhängigkeiten sehr schnell deutlich. Aufgrund der Vielzahl der Beteiligten beanspruchten die Vertragsverhandlungen viel Zeit, fast mehr als die technische Aufgabe - eine Erfahrung, die für spätere Projekte mit vielen Spielern genutzt werden kann.
In der Umsetzung musste die IT die neuen, schnellen Leitungen von der Deutschen Börse in die Bank schalten. Doch in der Infrastruktur sowie bei Hard- und Software war nicht viel zu ändern. Die Anzahl der Router konnte sogar halbiert werden. Nach drei Monaten vom "Aus-der-Taufe-Heben" über Vertragsabschlüsse, Einkauf und technischer Umsetzung schloss die IT das Projekt Mitte November ab. 15 interne Mitarbeiter arbeiteten im schlank aufgestellten Projektteam.
Kein Parallaufbau notwendig
Das Projekt wurde schnell umgesetzt, und die Projektkosten wurden niedrig gehalten. Grund: "Die Commerzbank hat sich in den letzten Jahren ein sehr gutes Monitoring aufgebaut. Das ersparte uns einerseits eine lange Analysephase, weil die wichtigen Daten schon alle vorlagen", begründet Behning. "Andererseits konnten wir Belastungstest simulieren, ohne ein zweites System während der Projektzeit parallel aufbauen zu müssen."
Die Deutsche Börse muss durch die Co-Location keine Leitungen mehr buchen und gibt die Ersparnisse an die Commerzbank weiter. "Und der Schnelligkeits- und Qualitätsfortschritt liegt auf unserer Seite“, sagt CIO Leukert. "Nach unserem Business Case wird sich die Umstellung bereits nach eineinhalb Jahren rechnen."
Peter Leukert spricht auf den diesjährigen IT-Strategietagen in Hamburg. |
Der Handel wird sich auch künftig weiter ändern, da ist sich Leukert sicher. In den vergangenen fünf Jahren sei die Volatilität ständig gestiegen. "Die Belastung der Systeme variiert immer stärker, wachsende Datenmengen sind in immer kürzeren Zyklen zu verarbeiten. Der Durchsatz von Marktdaten hat sich in den zurückliegenden zwei Jahren verzwanzigfacht." Außerdem rücken die Durchlaufzeiten immer stärker in den Fokus: Je schneller die Daten kommen, desto früher kann eine Bank den Markt beurteilen und handeln.
Von der Millisekunde zur Mikrosekunde
Dass der Handel immer schneller laufen wird, davon geht auch Key Account Manager Jürg Räss von Equinix aus. Dann wird selbst die Millisekunde schon zu langsam sein. "Der Trend geht in den nächsten Jahren zur Mikrosekunde", prognostizert er.