Das deutsche Gesundheitswesen wird allgemein in drei große Bereiche oder auch Säulen unterteilt. Diese Differenzierung richtet sich nach der medizinischen Stufe und Intensität der Behandlung bzw. dem Zeitpunkt der Behandlung respektive der Vorsorgemaßnahmen. Die drei Segmente werden Primär-, Sekundär- und Tertiär-Säule genannt und stehen für die Vorsorge, die Akutmedizin und die Rehabilitationsmedizin. Dieses eher statische 3-Säulen-Konzept den hohen Ansprüchen einer transsektoralen integrierten Gesundheitsversorgung anzupassen stellt eine große Herausforderung für den HealthCare Markt dar – insbesondere auch hinsichtlich grundlegender IT-Infrastruktur.
Die primäre Säule des deutschen Gesundheitswesens umfasst im allgemeinen die niedergelassenen Ärzte und Therapeuten sowie die Apotheken als Medikamentenversorger. Hier wird der Patient präventiv und ambulant untersucht und behandelt, es werden Vorsorgemaßnahmen getroffen und die Grundversorgung mit Medikamenten sichergestellt.
In Deutschland gibt es insgesamt 381.300 ausgebildete Ärzte, von denen circa 301.000 berufstätig sind. Von den praktizierenden Ärzten sind rund 131.300 in ambulanten und zirka 143.800 in stationären Tätigkeitsbereichen beschäftigt, etwa 10.300 Mediziner sind in Verbänden tätig, rund 15.600 Ärzte werden anderen Bereichen zugerechnet.
Die sekundäre Säule besteht aus den Krankenhäusern, Kliniken, Fachkliniken, Universitätskliniken sowie den Notfall- und Rettungsdiensten. Sie sind in erster Linie für die stationäre Akutmedizin und die fachmedizinische Betreuung der Bevölkerung zuständig.
Zur Gewährleistung der Akutversorgung verfügt Deutschland über ein flächendeckendes Netz aus Kliniken und Krankenhäusern, insgesamt gibt es ca. 2.240 Einrichtungen. Genauere Zahlen sind schwer zu ermitteln, da sich dieser Bereich seit mehreren Jahren in einer Konsolidierungs- und Neustrukturierungsphase befindet, in der Häuser geschlossen oder verkauft, andere neu gebaut oder neu eröffnet werden. Sicher ist jedoch, dass die Zahl der Einrichtungen seit einigen Jahren rückläufig ist.
Der größte Anteil der 2.240 Einrichtungen – insgesamt ca. 1.600 – sind Krankenhäuser, die auf die Grundversorgung der Patienten ausgerichtet sind, weitere 450 Einrichtungen sind Kliniken der Maximalversorgung, die neben der Grundversorgung hochspezialisierte Fachabteilungen für die Behandlung komplexer Krankheitsbilder betreiben. Hinzu kommen die Universitätskliniken, die meist alle Bereiche der medizinischen Versorgung, aber auch der medizinischen Forschung und Lehre abdecken. Ihnen ist neben der Behandlung der Patienten auch die Rolle der Ausbildungsstätte und medizinischen Grundlagenforschung sowie die Weiterentwicklung aktueller Behandlungswege und -standards aufgetragen.
In der Tertiärsäule sind alle Einrichtungen und Unternehmen der Rehabilitation zusammengefasst. Der Patient erlangt hier nach der Behandlung durch die Primär- und Sekundärsäule seine Befähigung für den Alltag oder den Beruf wieder. Der Bereich der Pflege und somit die Gesamtheit der Pflegeeinrichtungen für Senioren, Langzeitkranke oder Behinderte fällt ebenso in diesen Bereich.
Neben diesen drei Säulen werden auch die Krankenkassen, Krankenversicherungen und die Pharmahersteller zum Gesundheitswesen hinzugezählt. Aktuell sind in den westdeutschen Bundesländern 87,4 Prozent gesetzlich und 10,3 Prozent privat versichert, in den neuen Bundesländern sind 91,7 Prozent gesetzlich und 4,8 Prozent privat versichert.
Konsequenzen eines nicht integrierten Gesundheitswesens
In Deutschland gibt es aufgrund der inhaltlichen Trennung der einzelnen Säulen und Instanzen keine integrierte Gesundheitsversorgung. Aus dieser Tatsache resultiert eine ganze Reihe schwerwiegender Konsequenzen. Aufgrund fehlender gemeinsamer Infrastruktur und entsprechender Prozesse muss jeder Teil und jeder Baustein des Gesundheitswesens als eigene Abteilung gesehen werden – wie in einen Unternehmen. Jede dieser Abteilungen verfügt über eigene Abläufe und Prozesse, einen anderen Informationsgehalt bezüglich der Patientendaten und verschiedene Informationssysteme, die nicht zentral auf eine gemeinsame Grundlage zugreifen können.
Es gibt keine gemeinsamen Aufzeichnungen von Patienten- oder Pflegedaten, eine Behandlung durch einen Spezialisten der Sekundärsäule kann sich meistens nicht auf Aufzeichnungen der Arztes der Primärsäule, der den Patienten betreut und diagnostiziert hat, stützen. In der Regel steht lediglich eine Überweisung mit einer Kurzdiagnose zur Verfügung, jedoch nicht die gesamte Patientenhistorie. Auch gibt es keine elektronische Überweisung, die Patientendaten müssen meist neu erhoben und von Hand gepflegt werden. Dies trifft auch für Buchungen zwischen der Grund- und der Sekundärversorgung, für die Rezeptabwicklungen, das Anlegen und Verwalten von Klinikaufzeichnungen sowie die für Abrechnung der einzelnen Behandlungsschritte zu.
Die Idee einer transsektoralen integrierten Gesundheitsversorgung
Die Nachteile des nicht integrierten Gesundheitswesens sind jedoch erkannt worden. Es gibt seit einiger Zeit Bestrebungen sowohl vom Gesetzgeber als auch von den Krankenkassen und Krankenhäusern, diesen Zustand zu ändern. Die Pharma-Industrie und deutschen Apotheken zeigen ebenfalls ein entsprechendes Engagement. Ziel und Vision solcher Aktivitäten ist ein Gesundheitssystem als transsektorale integrative Versorgungseinrichtung. Konzepte hierfür wurden bereits präsentiert und in der Politik diskutiert, so zum Beispiel der Vorschlag des Bundesverbandes Managed Care e.V., der als Stellungnahme dem Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung des Deutschen Bundestages vorliegt.
In diesem Modell sind alle Bestandteile und Bereiche des Gesundheitswesens miteinander vernetzt und in Wirkungs- oder Prozessketten eingebunden, in deren Mittelpunkt der Patient steht. Ausgangspunkt für den Patienten ist immer der behandelnde Hausarzt, der alle weiteren Schritte in Absprache mit Krankenkasse, Apotheke, Krankenhaus oder Facharzt koordiniert und den Patienten von der ersten Diagnose über die Fach- oder Akutbehandlung bis hin zur Rehabilitationsmaßnahme begleitet.
Alle beteiligten Bausteine dieses Modells sind in der Lage, zentral auf die gleiche Datenbasis und die gesamte Patientenhistorie zuzugreifen und über elektronische Wege miteinander und untereinander zu kommunizieren, Informationen zu ergänzen, auszutauschen und zu verifizieren. Basis dieser Vernetzung aller Bestandteile ist eine entsprechende EDV- und IT-Infrastruktur, die hierfür neu geschaffen werden muss. Der derzeitige Grad der elektronischen Vernetzung würde die Umsetzung eines solchen Vorschlags heute nicht zulassen.
Marcus Noack, Redakteur bei der MBmedien GmbH