Nach dem krisenbedingten Einbruch des Marktes steht Enterprise Resource Planning (ERP) bei den Anwendern mittlerweile wieder sehr hoch im Kurs. Der Markt in Deutschland ist vielfältig bis hin zur Unübersichtlichkeit. Das Hamburger Beratungshaus SoftSelect nahm deshalb für seine Studie „ERP 2011“ ganze 139 Lösungen von 96 Anbietern unter die Lupe. „Auf dem deutschen Markt existieren mehrere hundert ERP-Lösungen, die teils sehr nischenspezialisiert sind“, heißt es in der Studie. Transparenz sei da nur schwer herzustellen.
Zu den wichtigsten Trends im Markt zählt offensichtlich Software-as-a-Service (SaaS). Nach bisheriger Skepsis der Unternehmen gewinnt das Mietmodell zumindest in Teilen an Attraktivität, weil sich so ohne große Investitionen zeitgemäße ERP-Funktionalitäten nutzen lassen. Die Bereitschaft der Anwender, in den kommenden drei Jahren auf ein SaaS-System umzusteigen, sei in den vergangenen beiden Jahren von 12 auf 23 Prozent gestiegen, berichtet SoftSelect.
Ein flächendeckender Durchbruch ist das gewiss noch nicht – diesem steht alleine schon die ausbaufähige Produktpalette der Anbieter im Wege. Erst 43 Prozent der Lösungen werden bisher auch im On-Demand-Vertrieb angeboten, davon die Hälfte seit mehr als zwei Jahren.
„Insbesondere der Mangel an flexiblen und marktkonformen SaaS-Lösungen konnte von SoftSelect im Jahr 2010 als eines der wichtigsten Kriterien für die Zurückhaltung bei der Software-Miete identifiziert werden“, heißt es in der Studie. Hinzu komme die Angst der Anwender vor dem Sicherheitsrisiko, wenn Unternehmensdaten in fremde Hände gegeben werden.
In den Fokus der Anbieter sind mittlerweile vor allem kleine und mittlere Unternehmen gerückt. Ein Großteil der ERP-Systeme sei auf diese Unternehmen zugeschnitten, so SoftSelect. Mindestens 83 Prozent der Lösungen adressieren die verschiedenen Segmente der Unternehmen mit höchstens 500 Mitarbeitern. Firmen mit 51 bis 100 Mitarbeitern haben sogar die Wahl aus 98 Prozent der Angebote.
Windows Mobile hat die Nase vorn
Wesentlich weniger Auswahl haben große Firmen. Wer mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigt, kann sich lediglich aus der Hälfte des Marktes bedienen. Dabei sei ausgerechnet bei diesen Anwendern die Nachfrage besonders groß, so SoftSelect: „Gerade für große Unternehmen ist das Bestehen im Wettbewerb ohne Business-Software mittlerweile undenkbar geworden.“
Weniger einschränkend ist demgegenüber der Faktor „Branche“. 68 Prozent der Lösungen zielen auf sämtliche Wirtschaftszweige und sind nach Einschätzung der Anbieter in jedem Unternehmen einsetzbar. Allerdings weisen die Angebote doch häufig besondere Profile auf, die etwa zu zwei Drittel den Handel ansprechen wollen, aber nur zu 28 Prozent die Landwirtschaft.
Immer wichtiger wird der mobile Zugriff auf die ERP-Systeme. „Sowohl auf der Anbieter- als auch der Anwenderseite stieg das Interesse in den vergangenen zwei Jahren rasant“, heißt es in der Studie. Vor allem leistungsstarke Endgeräte wie Smartphone oder Android-Handys setzten neue Maßstäbe an Benutzerfreundlichkeit. Durch direkte Übertragung der Daten vom Handy ans ERP-System würden Dubletten in der Datenbank vermieden. Weil wichtige Daten nicht mehr im Unternehmen nachgetragen werden müssten, könnten Außendienstmitarbeiter effizienter arbeiten.
Allerdings stünden die Anbieter bisher noch am Anfang dieser Entwicklung. Eine Herausforderung bleibe der Umgang mit unterschiedlichen mobilen Betriebssystemen. Zu 58 Prozent unterstützen die untersuchten Lösungen derzeit Windows Mobile, zu 30 Prozent OS X. Es folgen Mobile Linux mit 28 Prozent, Palm OS mit 22 Prozent, Android mit 16 Prozent und Symbian OS mit 14 Prozent.
SoftSelect rechnet damit, dass die Integration von Social Media-Anwendungen in ERP-Systemen in fünf Jahren Standard sei. Die Integration der sozialen Netzwerke verspreche eine bessere Verknüpfung des Customer Relationship Managements (CRM) mit der internen Kommunikation.
Lösungen zum Teil aus den Neunzigern
Die Berater klingen in dieser Frage regelrecht euphorisch. Kollaborationsdenken werde weiter vorangetrieben und gelebt, der Aufbau von Wissenspools in Unternehmen werde ebenfalls unterstützt. „So entstehen Brutstätten für kreatives Denken“, so SoftSelect.
Aktuell ist das allerdings lediglich Zukunftsmusik und die Herstellung von Webfähigkeit ein konkretes Ziel. Zwar sind inzwischen 91 Prozent der ERP-Software webfähig, aber oft nur in Teilen. Das heißt, dass lediglich auf Teile der Lösung über einen Web-Client zugegriffen werden kann. Ohne Zusatzinstallationen ist nur die Hälfte der Lösungen in vollem Umfang über das Web nutzbar.
„Dem starken Einfluss von Intra- und Internettechnologien wird ein Großteil der bis heute im Einsatz befindlichen ERP-Systeme nicht gerecht“, so SoftSelect. Zum Teil stammten die Lösungen noch aus den 1990er-Jahren.