"Der Plan war perfekt." Drei Monate nach seinem Start bei Lekkerland muss Thomas Pierlein schmunzeln, wenn er an seine gründliche Vorbereitung auf den neuen Job denkt. Denn: "Sie ist von Beginn an durcheinandergeworfen worden", erzählt er. Ursprünglich wollte sich Pierlein erst einmal mit seinem Arbeitsgebiet vertraut machen: Die "Assess-Phase" war von Tag eins bis 60 eingetragen, parallel dazu überlegen, was zu tun ist ("Plan", Tag 20 bis 65). Zwischendurch loslegen ("Act", 32 bis 90), die Ausrichtung der IT am Geschäft prüfen ("Measure", 55 bis 100) und früh beginnen, darüber zu reden ("Communicate", 15 bis 100).
Doch weit gefehlt: Pierlein musste gleich in die Vollen. "Act begann ab Tag eins." Schon zu Beginn flog Pierlein nach Polen, um nach dem Rechten zu sehen. Dann fiel in der ersten Woche auch noch der Strom in der Unternehmenszentrale aus. Dort befindet sich nicht nur die Verwaltung, sondern auch das zentrale Rechenzentrum des Unternehmens. Sämtliche Aktivitäten aus Deutschland, der Schweiz und Ungarn laufen über die Maschinen. Ohne dass es geplant war, lernte Pierlein so gleich die Notfallsysteme kennen.
Ein Tag im Lager
Es gab auch geordnetere Aktivitäten wie das umfassende Einarbeitungsprogramm des Konzerns. "Zwei bis drei Wochen wurde ich nur durch das Unternehmen geschleust", berichtet Pierlein. Und ist begeistert. Er lernte die ausländischen Niederlassungen kennen, verbrachte einen Tag im größten deutschen Lager in Oberhausen und wurde in den verschiedenen Geschäftsbereichen des Unternehmens vorgestellt. Einzig die berüchtigte Tour mit dem Lastwagen hat er in seinen ersten 100 Tagen noch nicht geschafft. Sie ist ein Muss für jeden neuen Lekkerland-Manager: Einen Tag fahren sie im Lkw mit und helfen, die Händler zu beliefern.
Lekkerland ist Großhändler und ein Logistikkünstler. Das Unternehmen versorgt Tankstellen, Kioske, Läden oder Fast-Food-Ketten mit Unmengen verschiedener Güter. In zwölf Ländern beliefert das Unternehmen mehr als 131 000 Händler mit einem Vollsortiment aus Süßwaren, Getränken, Eis und Tiefkühlkost, Frische-Produkten, Tabak- oder anderen Non-Food-Waren. 2005 erzielte das Unternehmen mit rund 7400 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 9,3 Milliarden Euro.
In den vergangenen Jahren ist Lekkerland europaweit expandiert. Meist durch Akquisitionen. Noch unterscheiden sich daher die Geschäftsmodelle in den einzelnen Ländern. Während die Spanier das größte Geschäft mit Fast-Food-Ketten wie Burger-King oder Pizza-Hut machen, beliefern die Schweizer fast ausschließlich Tankstellen. Tschechen und Slowaken sind momentan auf die Versorgung von Kantinen spezialisiert, in Polen nehmen die meisten Kunden vor allem Tabakwaren ab.
"Eigentlich ist es logisch, dass ich hier gelandet bin", sagt Pierlein. Die Vielfalt auch von der IT-Seite her zu stützen ist seine wesentliche Aufgabe. Pierlein hat zwölf Jahre bei Henkel gearbeitet, unter anderem die IT-Organisation des Konsumgüterkonzerns in Asien aufgebaut. Auch dort galt es, die noch lokal ausgerichteten Strukturen zu regionalisieren, Prozesse zu vereinheitlichen und die Anwendungen zu zentralisieren.
Von der Pionier- in die Siedlerphase
Als Übergang in die "Siedlerphase" bezeichnet Pierlein das, was der Lekkerland-IT bevorsteht. Sie folgt einer Pionierphase mit zahlreichen Neuerungen. Nach innovativen IT-Projekten wie der Einführung des neuen Lagersystems oder der Etablierung der Pick-by-Voice-Technik geht es nun um mehr Stabilität und Effizienz für die IT-Organisation. Schließlich müssen die neuen Systeme am Leben gehalten werden. Pierlein kümmert sich daher um den Aufbau eines europaweit einheitlichen Supports sowie einer IT-Governance.
"Ich bin kein absoluter Zentralisierer“, sagt der neue IT-Chef über seine Strategie. "Wenn andere Länder gute Ideen haben, werden wir das auch auf Deutschland übertragen." Die belgischen Kollegen beispielsweise führten ihm bei seinem Besuch vor, wie sie Marketing-Aktionen umsetzen. "Das werden wir jetzt in unser SAP-Template einsetzen." Technische Fragen wie diese warten zuhauf auf den neuen CIO.
Pierlein bemüht sich, den Mitarbeitern die Angst vor Wandel so gut wie möglich zu nehmen - ohne notwendige Veränderungen zu leugnen. "Ich bin für absolute Offenheit", teilte er den Kollegen bei seinem Antritt mit. Wohl wissend, dass das keine einseitige Forderung sein kann. "Wenn man solche Pflöcke einschlägt, dann wird man auch daran gemessen." Schon nach einem Monat fanden daher auch die ersten Gespräche mit den Mitarbeitern statt, in denen Pierlein klipp und klar mitteilte, wo er ihre persönliche Zukunft sieht. "Je schneller die Unsicherheit weg ist, desto besser können wir arbeiten", sagt er. Und lag in diesem Fall genau im Plan.