Der neue Chef hat es eilig an seinem ersten Arbeitstag. Unsicher begrüßt er seine Mitarbeiter, schüttelt Hände und verschwindet schnell in seinem Büro. Dort richtet er sich ein, drapiert Familienfotos und begutachtet Abschiedspräsente früherer Kollegen. Schließlich ruft er seine Freunde an, um ihnen stolz vom ersten Arbeitstag und Karrieresprung zu erzählen. Zunächst wundert sich das Team über die knappe Begrüßung; durch die offene Bürotür muss es unfreiwillig dem immer gleichen Text lauschen. Gelangweilt verfolgen die Kollegen dieses Schauspiel, um sich dann wieder ihrer Arbeit zu widmen. Den Neuen ignorieren sie erst einmal. Nicht alle Führungskräfte verhalten sich so ungeschickt wie dieses Greenhorn, und doch kommt es immer wieder vor.
"Die erste Beförderung ist eine Belastung"
Wer den ersten Führungsjob übernimmt, steht vor gewaltigen persönlichen Veränderungen. Fachkenntnisse und gute Kontakte helfen nicht weiter, wenn es gilt, Personalverantwortung zu übernehmen. Zwar sind Kandidaten, die eine erste Karrierestufe gemeistert haben, mächtig stolz auf ihre Beförderung. Doch wenn sie dabei die falschen Signale aussenden, wird der weitere Weg anstrengend.
"Die erste Beförderung stellt eine ähnlich gravierende Belastung dar wie der Verlust eines Partners oder eine Scheidung. Viele Kandidaten brauchen Hilfe, um die neue Situation zu meistern", sagt Franz Metz, Gründer und Geschäftsführer der Beratergruppe Palatina. Der erste Eindruck, den der neue Chef gegenüber seinen künftigen Mitarbeitern und Kollegen hinterlässt, ist wegweisend für die Zukunft. Gute Vorbereitung hilft, Unsicherheiten zu überwinden. So empfiehlt etwa die Münchner Psychologin Annette Glitz: "Überlegen Sie sich drei bis fünf Sätze, mit denen Sie sich und Ihr Anliegen im neuen Unternehmen vorstellen und die authentisch sind."
Selbstdarsteller fallen auf die Nase
Wer sich in erster Linie gut verkaufen und Wind machen möchte, wird von den Kollegen meist schnell durchschaut. Einen besseren Einstand hat, wer die eigenen Ziele im neuen Job für sich selbst klar formuliert und sie den Mitarbeitern gegenüber auf den Punkt bringt. Manager, die neu im Unternehmen sind, sollten nur kurz ihre Erwartungen formulieren und ansonsten selbstbewusst auftreten. "Gerade neuen Führungskräften empfehle ich, anfangs gut und viel zuzuhören. Sie sollten aktiv nachfragen, um sich so einen umfassenden Eindruck von ihren neuen Mitarbeitern und Kollegen auf der gleichen Führungsebene zu verschaffen", rät Glitz, die Fachkräfte auf allen Hierarchieebenen berät und coacht.
Nicht immer investieren Unternehmen in die systematische Management-Ausbildung und Persönlichkeitsentwicklung künftiger Führungskräfte. Oft entscheidet allein die fachliche Qualifikation, welchem Bewerber der Vorzug gegeben wird, auch wenn der Management-Job Personalverantwortung umfasst. "Manche Firmen vergessen, die Neuen mit der eigenen Führungskultur und den Unternehmensleitlinien vertraut zu machen", weiß Glitz. Dabei bieten diese Richtlinien eine gute erste Orientierung.
Realistische Einschätzung der neuen Aufgaben
Wenn Fachleute erstmals Verantwortung für ein Team übernehmen sollen oder ihre Aufgaben strategisch besonders wichtig sind, verlangt der Job besondere Fähigkeiten. Bisher mussten sie nur sich selbst und ihre Aufgabe managen, um diese gut zu erledigen. Als Führungskräfte sind sie nicht nur für das Team, sondern auch für seine Arbeitsergebnisse verantwortlich.
Diese neue Pflicht unterschätzen viele. Verantwortung für das Team beinhaltet auch, seine Mitarbeiter zu motivieren, Konflikte innerhalb der Truppe besprechen und Dissonanzen schnell erkennen und lösen. Wer zum ersten Mal eine Führungsaufgabe übernimmt, agiert mehr als Moderator und Ansprechpartner für die Kollegen und weniger als Experte. Dazu zählt auch, Aufgaben zu delegieren. Natürlich gibt es Naturtalente, die mit Charme und Charisma all diese Fähigkeiten mitbringen. Doch davon gibt es leider nicht so viele. Allen anderen helfen Persönlichkeitstraining, keinen Schiffbruch zu erleiden.
"Wer die Risiken kennt und die Führungskraft gut vorbereitet, spart Kosten", meint Berater Metz. Er empfiehlt Firmen, genau zu analysieren, welche Fähigkeiten der Neue mitbringen soll und wo er eingesetzt wird. Soll die Führungskraft in erster Linie ein Team leiten und zu Höchstleistungen motivieren oder geht es um die strategische Neuausrichtung der Abteilung?
Solche Fragen sollten in den Vorstellungsgesprächen geklärt werden, damit beide Seiten entscheiden können, ob der Bewerber den Anforderungen gewachsen ist und nicht nach einigen Wochen das Handtuch wirft. Falsche Versprechen helfen niemanden. Wer von einem Konzern zu einem inhabergeführten Unternehmen wechselt, sollte damit rechnen, dass sich der Geschäftsführer auch in Details einmischt, selbst wenn die Entscheidungswege anders festgelegt wurden. Auch in einem Startup sehen die Karrierewege anders aus als in einer etablierten Firma. Bewerber sollten sich genau überlegen, welche Unternehmenskultur besser zur eigenen Persönlichkeit und Berufsplanung passt.
Heikel wird es, wenn der Vorgänger wegen Unstimmigkeiten mit Eigentümer oder Geschäftsleitung gehen musste. Oft sind die Mitarbeiter ihrem früheren Chef gegenüber loyal und beäugen den Neuen sehr kritisch. "Wenn unter den Mitarbeitern Unzufriedenheit vorherrscht, sollte das im Team besprochen werden. Die neue Führungskraft muss wissen, was vorgefallen ist, um sich selbst zu positionieren und den eigenen Standpunkt zu erläutern, ohne schlecht über den Vorgänger zu sprechen", empfiehlt Beraterin Glitz.
Wer sich anfangs nicht in die Rolle einfindet, sollte Geduld mitbringen. "Manchmal hilft nur Durchhalten. In solchen Situationen kann ein Coach unterstützen, über Selbstzweifel lässt sich besser diskutieren und gemeinsam Lösungen entwickeln."
Die hässlichen Dinge werden verschwiegen
Berater Metz empfiehlt Unternehmen Ehrlichkeit, wenn sie Führungsaufgaben neu besetzen. "Natürlich werben Firmen im Vorstellungsgespräch für sich, weil sie den Kandidaten überzeugen wollen. Doch wenn sie in den weiteren Gesprächen keinen reinen Wein einschenken, ist der Grundstein für das Scheitern gelegt." Metz schätzt: "80 Prozent der hässlichen Dingen werden nicht gesagt." Manche Themen würden keinesfalls absichtlich unter den Teppich gekehrt, sondern die Perspektive innerhalb der Organisation sei eine andere als die Sicht von außen. "In den Coachings thematisiere ich diese Innensicht und frage, was Manager der neuen Führungskraft verschwiegen haben."
Der Aufstieg im eigenen Unternehmen
Weniger riskant ist die klassische Karriere innerhalb eines Unternehmens. Christian Traud begann nach dem Betriebswirtschaftsstudium seine Laufbahn beim IT-Dienstleister Computacenter in Kerpen. Früh war ihm klar, dass er eine Führungsaufgabe übernehmen möchte: "Im jährlich stattfindenden Mitarbeitergespräch habe ich mit meiner Vorgesetzten über meine Pläne, Stärken und Schwächen diskutiert.
Meine Chefin hat mich immer unterstützt." Nach verschiedenen Positionen im Unternehmen bewarb er sich für ein internes Führungskräfte-Assessment-Center, in dem das Potenzial und die Motivation der Kandidaten hinterfragt wurden. Traud wurde daraufhin eine erste Führungsaufgabe angeboten. Seit März leitet er als Business Services Director (E-Business) ein Team mit vier Mitarbeitern. Parallel dazu absolviert er eine Führungsausbildung am Malik-Management-Zentrum in St Gallen.
Auf seine Aufgaben als Chef fühlte sich Traud gut vorbereitet. Trotzdem packte ihn am ersten Arbeitstag in der neuen Position eine leichte Nervosität. "Ich habe mich gefragt, wie ich bei den neuen Kollegen ankomme. Schließlich hatte ich noch keine Routine als Manager", erinnert sich der 33-Jährige, dessen Mitarbeiter alle ein paar Jahre älter sind als er. Seine Nervosität legte sich, als er sein Team in einem Meeting kennen lernte. Regelmäßige Gespräche mit den Teammitgliedern sind für ihn ein fester Bestandteil des Arbeitsalltags.
Erfolgreich ist Traud nach eigener Einschätzung dann, die persönlichen Ziele der Mitarbeiter mit denen des Unternehmens zu verbinden. Eine berufsbegleitende Weiterbildung und der Kontakt zu einem erfahrenen Kollegen, der ihm als Mentor zur Seite steht, helfen ihm hier weiter.
Amsterdam statt Göttingen
Der IT-Spezialist Lars Leuchter wechselte nach 13 Berufsjahren bei dem US-amerikanischen Unternehmen Electronic Arts Mitte 2008 zu Refratechnik in Göttingen. Nachdem elementare IT-Infrastruktur-Veränderungen auf den Weg gebracht worden waren, zog es den heute 37-Jährigen wieder zu einem amerikanischen Arbeitgeber. Über sein Profil in den Online-Netzwerken Xing und LinkedIn wurden andere Firmen auf den IT-Quereinsteiger aufmerksam. Ein Personalberater vermittelte ihm das erste Gespräch mit seinem späteren Arbeitgeber Arizona Chemical.
Seit April 2010 arbeitet Leuchter in Almere nahe Amsterdam für das US-amerikanische Unternehmen. In der internationalen und multikulturellen Umgebung fühlt er sich wohl. Den ersten Tag im neuen Job hat Leuchter in guter Erinnerung. "Ich wurde sehr herzlich empfangen". Heute leitet er ein Team mit 15 Mitarbeitern. Er schätzt die kurzen Entscheidungswege und flachen Hierarchien des neuen Arbeitgebers.
Auch die vielfältigen Aufgaben, nämlich die IT-Infrastruktur neu auszurichten und auf den aktuellsten technischen Stand zu bringen, stellen eine willkommene Herausforderung dar. Da Leuchter bereits vorher in verschiedenen Management-Aufgaben tätig war, gab es keine spezielle Vorbereitung. Regelmäßige Geschäftsreisen an den Firmensitz in Florida gehören für Leuchter zu den angenehmen Seiten des neuen Jobs. Die Herausforderungen, mit denen er zu kämpfen hat, sind dagegen klassisch: Er muss die neuen Aufgaben on time und on budget zu aller Zufriedenheit bewältigen.
Tipps für Bewerber
Das Vorstellungsgespräch bietet die Chance, möglichst viel über die neue Position zu erfahren; deshalb ist es besonders wichtig, genau zuzuhören und nachzufragen.
Klären Sie für sich die eigenen Erwartungen an den neuen Job.
In den ersten Arbeitstagen helfen einige klar formulierte Sätze zu den eigenen Zielen, sich selbst gegenüber den Mitarbeitern und nächsten Vorgesetzten zu positionieren.
In den ersten Tagen im neuen Job gut zuhören und nachfragen.
Nehmen Sie sich für den Anfang nicht zu viel vor, denn das birgt die große Gefahr, sich zu verzetteln oder zu scheitern.
Deutsch-Amerikanischer Führungswechsel
Zwei Bücher, zwei Ansätze, ein Ziel: Wie lässt sich ein Wechsel im Chefzimmer am effektivsten managen?
Die Autoren Franz Metz und Elmar Rinck haben mit ihrem Ansatz "Transition Coaching" ein eigenes theoretisches Beratungsmodell kreiert und erklären in ihrem Buch, wie sich Übergangssituationen meistern lassen. Wie gelingt es, dass Führungskräfte schnell und erfolgreich Fuß fassen? Trotz des theoretischen Ansatzes eignet sich das Buch durchaus zum Selbststudium. Jedes Kapitel enthält Tipps und Checklisten.
Franz Metz, Elmar Rinck: Transition Coaching. Führungswechsel meistern, Risiken erkennen, Businesserfolg sichern. Carl Hanser Verlag, München, 2010.
Anders geht der Amerikaner Michael Watkins an das Thema heran. Zu Beginn jedes Kapitels breitet er vor dem Leser ein Fallbeispiel aus, das anschaulich das Problem beschreiben soll, um das es in der Lektion geht. Es folgen seine Expertenanalyse sowie Hinweise, welche Fehler vermieden werden sowie Lösungsstrategien und manchmal noch Checklisten. Auch dieses Buch eignet sich zum Lernen und Nachschlagen.
Michael Watkins: Die entscheidenden 90 Tage. So meistern Sie jede neue Managementaufgabe. Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2009. Sonderedition "kompetent managen".