Deloitte-Studienergebnisse

Die Fehleinschätzungen bei In-Memory

30.09.2013 von Peter Ratzer und Marcel Grandpierre
In der Entscheidungsphase unterschätzen Unternehmen den Aufwand für die Technologie. Dagegen verkennen sie das Potenzial der TCO-Senkung. Peter Ratzer und Marcel Grandpierre von Deloitte berichten in ihrer Kolumne über Studienergebnisse.
Peter Ratzer ist Partner bei Deloitte.
Foto: Deloitte Consulting GmbH

Neueste Erkenntnisse der Industrie weisen auf einen Trend zur Einführung von In-Memory Computing (IMC) hin. Die Deloitte-Umfrage "In-Memory Computing technology. The holy grail of analytics?" bei deutschen CIOs und IT-Verantwortlichen zeigt, dass das Konzept bereits bekannt und anerkannt ist, aber die produktive Nutzung noch auf einige wenige Vorreiter beschränkt ist.

Die überwiegende Mehrheit der Befragten steckt erst in der Pilotphase oder befindet sich kurz davor. Sie haben sich jedoch noch nicht entschieden, ob es Hype oder Zukunft ist und verhalten sich eher zurückhaltend. Gerade jene Organisationen, die IMC noch nicht im Einsatz haben, unterschätzen Aufwand, aber auch Potenzial.

Drei häufige Fehleinschätzungen zu IMC

1: IMC liefert einen direkten Wettbewerbsvorteil Durch den reinen Einsatz der Technologie werden aktuelle Datenanalyseprozesse signifikant beschleunigt. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile lassen sich jedoch nur durch, darauf aufbauende, Innovationen bei Geschäftsprozessen erzielen.

2: IMC löst aktuelle und zukünftige Performanceprobleme Die Erwartung, dass IMC aktuelle Performanceprobleme lindert, ist legitim. Vor dem Hintergrund exponentiellen Datenwachstums ist sie langfristig jedoch nur begründet, wenn IMC nicht genutzt wird, um heutige Ineffizienzen, die beispielsweise durch mangelnde Datenqualität oder schlecht konzipierte Analyseprozesse entstehen, auszugleichen.

3: IMC reduziert IT-Governance-Aufwand Wird der Fokus auf IT-Governance zu Gunsten von Performancegewinnen reduziert, führt das meist zu einem deutlichen Anstieg überflüssiger Prozesse, Komplexität, Datenvolumen und Wartungsaufwand. Performancevorteile durch IMC sind hier nur von kurzer Halbwertszeit.

Die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen erfordert die Ausschöpfung der IMC-Potenziale in allen Dimensionen - Flexibilität und Vereinfachung zahlen zudem direkt auf die mögliche Reduktion der Total Cost of Ownership (TCO) ein.

Vier Dimensionen der potenziellen Wertschöpfung durch IMC

  1. Performance: Datenanalyseprozesse, die mit heutiger Technologie Stunden benötigen, sind in Minuten oder Sekunden möglich. Entscheidungen können damit auf Basis der aktuellen Datenanalyse getroffen werden.

  2. Prozessinnovation: Performance-Verbesserungen bergen das Potenzial für innovative Prozesse und Applikation, die "real time" unterstützen und nachhaltig zur Wettbewerbsdifferenzierung beitragen.

  3. Vereinfachung: Die Komplexität der Datenmodelle kann merklich reduziert werden. Dies minimiert Fehlerquellen und senkt damit den Testaufwand sowie die Anzahl potenzieller Restart-Punkte.

  4. Flexibilität: Die Komplexitätsreduktion bei Datenmodellen ermöglicht die direkte Integration zusätzlicher Datenquellen und minimiert den Veränderungsaufwand des eigentlichen Datenanalyseprozesses.

Wahrnehmung innerhalb der Industrie

Marcel Grandpierre ist Director bei Deloitte.
Foto: Deloitte

Insgesamt wird IMC von 48 Prozent der Befragten genutzt. 11 Prozent davon haben es im produktiven Einsatz. Die verbleibenden 52 Prozent befinden sich in der Evaluationsphase. Hiervon planen 79 Prozent die Einführung in den nächsten drei bis vier Jahren. IMC ist noch nicht weit verbreitet, Innovationsführer nutzen die Vorteile jedoch bereits.

Kurzfristig steht bei diesen Organisationen der Performancegewinn im Vordergrund ("Lift and Shift"-Ansatz). Die langfristige Planung beinhaltet die Verwirklichung der Vorteile aus Prozessintegration, Vereinfachung und Flexibilität (s. Abb. 1 und 2). Ein erster Performancegewinn kann bereits durch den Technologieaustausch erzielt werden, wohingegen die weiteren Vorteile meist eine weitergehende Anpassung der Technologielandschaft und der (Geschäfts-)Prozesse erfordern. Die differenzierte Planung reflektiert dies durch eine schrittweise Einführung von IMC anstelle eines "Big Bang"-Szenarios.

Ein solider Migrationsplan ist zur optimalen Wertgenerierung während der Implementierung notwendig. Interessanterweise planen die Organisationen, die IMC bereits einsetzen, langfristig ein breiteres Spektrum von Wertschöpfungspotenzialen zu nutzen. Das zeigt, dass das Potenzial vor der Implementierung häufig unterschätzt wird.

Abb. 1: kurzfristige Perspektive; Abb. 2: langfristige Perspektive
Foto: Deloitte

Die Möglichkeit zur Reduzierung der TCO wird meistens als langfristiges Ziel betrachtet. Aus der Kurzfristperspektive ist dies wenig überraschend, da IMC und nicht-IMC Applikationen sowie Hardware und Prozesse in der Anfangsphase parallel betrieben werden müssen.

Organisationen, die IMC noch nicht eingeführt haben, tendieren dazu, den Aufwand für die langfristigen Ziele zu unterschätzen. Sie erwarten weniger hohe in den Bereichen Governance, Applikationsportfolio, Geschäftsprozesse und Migration. Im Umgang mit IMC erfahrene Organisationen berichten von Herausforderungen bei Datenqualität, Integration von Applikationen und Infrastruktur oder der Hardware-Dimensionierung.

Fazit

IMC bietet enormes Potenzial zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Dessen Nutzung erfordert jedoch mehr als reinen Technologieeinsatz. Spezifisches Wissen ist erforderlich, um Daten und Datenanalyseprozesse effektiv zu selektieren und zu gestalten. So schätzt die Mehrheit der befragten Organisationen, dass sie nur 40 Prozent der gesammelten Daten zu Analysezwecken verwendet und nur bis zu 40 Prozent aller analytischen Prozesse direkte Vorteile aus der IMC-Beschleunigung ziehen - IMC wird somit traditionelle Systeme nicht vollständig ersetzen.

Zentrale Studienerkenntnisse:

IMC ist ein wichtiges Element in der Zukunft, es verlangt allerdings eine klare Strategie von der Evaluierung bis zur Implementierung. Das beinhaltet unter anderem die Identifikation und Bewertung von Chancen, Entwicklung von Business Cases, Steuerung der Implementierung sowie Training und Change Management für die Piloten und den Gesamt-Roll-out.

Sind sich die Organisationen dessen bewusst und verfolgen sie eine präzise Strategie, bietet IMC ein enormes Potenzial, nicht nur bei der TCO-Reduzierung, sondern auf alle der vier Wertdimensionen: Performance, Prozessinnovation, Vereinfachung und Flexibilität.

Peter Ratzer ist Partner und Marcel Grandpierre Director bei Deloitte.

Hier finden Sie die Studie "In-Memory Computing technology. The holy grail of analytics?" zum kostenlosen Download.