Irgendjemand hat es mal ausgerechnet: Eine halbe Milliarde Dollar soll die Werbung wert gewesen sein, die Apple durch die Gerüchte im Vorfeld der iPhone-Vorstellung eingefahren hat - zum Nulltarif. Das Prinzip ist so simpel wie effektiv: Hier mal ein gezieltes Informationshäppchen, dort mal eines, immer ohne Quellenangabe, und schon hält man die Internet-Maschinerie über Monate am laufen.
Diese Form des Guerilla-Marketings beherrscht niemand so gut wie Apple, so dass man darauf vertrauen kann, dass was die einschlägigen Sites schreiben, im Großen und Ganzen richtig weil aus Cupertino gesteuert ist. Neben dem Apple-Tablet erwarten uns also noch neue Versionen des iPhone-OS, von iLife und iWork. Was aber bedeuten diese mageren Informationen im Einzelnen?
Tablet mit iPhone-OS
Eine der meist diskutierten Fragen ist die nach dem OS, das auf dem Tablet laufen wird. Diese Frage allerdings ist beantwortet. Es ist eine modifizierte Version des iPhone-Betriebssystems - alles andere wäre auch völlig unsinnig. Mac-Applikationen auf einem Tablet laufen zu lassen, macht schon insofern keinen Sinn, als diese massiv für eine Tablet-Bedienung angepasst werden müssten. Menüs und kleine Bedienknöpfe wird es auf einem Apple-Tablet nicht geben - dafür wird Steve Jobs schon sorgen. Das Bedienkonzept eines PC auf ein Tablet zu übertragen, damit ist schon Microsoft vor Jahren mehrmals gescheitert - und wird es immer wieder tun.
Das iPhone-OS hingegen ist ganz auf die Fingerbedienung eingestellt und eignet sich so hervorragend für ein Tablet - wenn auch nicht in der derzeitigen Form. Insbesondere ein vernünftiges File-System muss ein Tablet bieten, aus dem alle Apps auf Daten zugreifen können. Zudem müssen Apps untereinander Daten austauschen können. Mail muss in der Lage sein, eine Datei an eine Textverarbeitung weiter zu reichen und umgekehrt. Diese unabdingbare Voraussetzung wird iPhone-OS 4 sicher erfüllen. Ebenso wird Apple nicht darum herum kommen, gleichzeitig mehrere Applikationen laufen lassen zu können. Dass eine App im Hintergrund Mails empfängt während man an einer anderen im Internet surft, ist von Mac und PC gelernt - auf einem Tablet wird sich dies niemand nehmen lassen wollen. Dass das technisch kein Problem ist, beweist die iTunes-App, die schon jetzt in der Lage ist, Musik beim Surfen abzuspielen.
Daten in der Wolke
Dass neben Tablet und iPhone-OS 4 die sich häufenden Gerüchte um ein für das Internet optimiertes Betriebssystem die runde machen, ist sicher auch kein Zufall. Denn mit Mobile Me zeigt Apple, wo es mit dem Tablet hingehen wird. Neben der iDisk-App zum Datentausch gibt es seit neuestem eine App für Bildergalerien. Diese kann man getrost als Abfall-Produkt des Tablet ansehen. Denn Daten, etwa große Bildbestände oder Musiksammlungen, wird man am Tablet nicht mehr via iTunes mit dem Mac synchronisieren, sondern man wird sie im Internet vorrätig halten. Die jüngste Firmenaquise des Musik-Streamers Lala weist hier den Weg. Schon mit iPhone-OS 4 und dem Tablet könnte es soweit sein, dass wir unsere Daten aus dem Internet beziehen und nur gerade benötigte lokal vorrätig halten.
Neue Versionen von iLife und iWork
Darauf deutet auch die gerüchtelte neue Version von iLife hin. Diese könnte tatsächlich eine Tablet-Version sein, die sich ausschließlich per Finger bedienen lässt. Ihre Daten würde das Tablet-iLife aus der Internet-Wolke beziehen und dort auch wieder speichern. Für Audio, Video und Fotos hat Apple die Instrumente bereits etabliert, fehlt noch die iLife-App, die sich auf einem Tablet sicher gut machen würde. Für ernsthaftere Anwendungen wie Schreiben, rechnen, präsentieren, könnte die ebenfalls durchs Internet geisternde Tablet-Version von iWork geeignet sein. Auch die soll per Finger bedienbar sein, wenn eine virtuelle Tastatur auch unabdingbar ist. Den Gang in die Wolke hat Apple mit iWork.com schon vor einem Jahr angetreten. Der Dienst befindet sich immer noch im Beta-Stadium, zuletzt ist es sehr still um ihn geworden. Mit dem Tablet könnte Apple ihn wieder zu neuem Leben erwecken.
Tablet als E-Reader
Ebenfalls aus offizieller Ecke dürften die Gerüchte stammen, Apple verhandele schon länger mit großen US-Verlagen über die Bereitstellung von Inhalten für das Apple-Tablet. Das ist sicher einer der großen Zielmärkte, die Apple mit dem Tablet anpeilt. Interaktive Zeitungen mit eingebetteten Videos, Zeitschriften mit Fotogalerien und sich übers Internet aktualisierenden Inhalten - all solche Formate testen Verlage gerade, um sich dem massiven Zeitungssterben in den USA entgegenzustellen. Es ist sicher kein Zufall, dass die New York Times unlängst ankündigte, man wolle in Kürze sein Online-Angebot kostenpflichtig machen. Mit iTunes- und App-Store stehen zudem für Verlage ideale Bezahlmodelle bereit. Die Verleger werden, soviel kann man jetzt schon sagen, Apple die Tür einrennen und sehr schnell Angebote für das Apple-Tablet bereit stellen.
100.000 Tablet-Apps
Auch eine andere Klientel wird sich nicht lange bitten lassen: Die große Zahl der App-Entwickler wird es ab kommender Woche sehr eilig haben, ihre bestehenden Angebote für das Tablet auszuweiten. Zwar wird Apple sicher einen Weg finden, bestehende Apps auf dem Tablet zum Laufen zu bringen. Um auf dem größeren Monitor eine gute Figur zu machen, müssen die Entwickler ihre Apps aber anpassen. Nur die grafischen Elemente neu zu kompilieren, wird zwar ein möglicher Weg sein, aber sicher nicht der beste. Am Tablet wird es darum gehen, den größeren Monitor effektiv zu nutzen - was für viele Entwickler sicher einige Arbeit bedeuten wird. Zudem wird es darum gehen, die neuen Möglichkeiten von iPhone-OS 4 zu nutzen. Apple wird den Entwicklern insofern entgegen kommen, als sie wohl bis zum Erscheinen des Tablets ein paar Monate Zeit haben, ihre Hausaufgaben zu machen.
Warten auf das Tablet
Auch wenn Apple das Tablet nächste Woche vorstellt - zu haben wird es erst wesentlich später sein. Ein Grund ist, dass Apple genügend Gseräte zum Verkaufsstart wird vorrätig haben wollen. Wichtiger aber sind die Anbieter von Inhalten und Apps. Wenn das Tablet in den Regalen steht, sollen auch genügend Programme dafür zu haben sein. Und das digitale Papier der Verlage will auch erst erstellt werden. Schätzungsweise rund drei Monate wird Apple den Anbietern Zeit lassen, sich mit iPhone-OS 4 und dem Tablet zu beschäftigen. Anfang Mai könnte das Tablett dann serviert werden.
Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von macwelt.de.