Ein Blackout von Deutschlands Stromnetzen ist nach Ansicht von Krisenforscher Frank Roselieb eher unwahrscheinlich. Dennoch proben Netzbetreiber den Fall mit Notfallübungen wie am nächsten Dienstag an der Grenze zwischen Sachsen und Tschechien. Roselieb, Direktor des Kieler Instituts für Krisenforschung, erklärt im dpa-Interview die größten Risiken - und was im Notfall zu tun ist.
Wie wahrscheinlich ist das Szenario, dass es in Deutschland zu einem Strom-Blackout kommt?
Frank Roselieb: Ein großflächiger Stromausfall ist bei uns weniger wahrscheinlich als etwa in den USA. Auch im europäischen Vergleich stehen wir gut da. Anfällig für Blitzeis oder Stürme sind vor allem überirdische Netze, wie es sie viel in den USA gibt. Wenn wir in Deutschland allerdings die zentrale Nord-Süd-Stromtrasse bekommen, könnte das auch bei uns zu einem Problem werden. Entscheidend ist zudem, wie viele alternative und dezentrale Energiequellen ein Land hat. Durch die erneuerbaren Energien ist Deutschland in dieser Hinsicht gut aufgestellt. In der Zukunft wird die Blackout-Wahrscheinlichkeit vermutlich leicht von Bundesland zu Bundesland variieren. Im Norden, wo durch die Windräder viel Strom produziert und vergleichsweise wenig verbraucht wird, ist das Risiko weniger groß als etwa in Bayern oder Baden-Württemberg.
Ist Deutschland gerüstet für den Notfall?
Frank Roselieb: Deutschland ist insgesamt sehr gut auf Notlagen vorbereitet - viel besser als andere Länder der Welt. Wir haben gute und erprobte Notfallpläne und sind in Europa stark vernetzt. Das wiederum kann aber auch gefährlich werden, wenn Dominoeffekte auftreten. Wenn in einem Land ein Problem auftritt und es sich Strom aus einem anderen Netz holt, dann bricht im Extremfall auch dort das Netz zusammen.
Wird es mit der Energiewende wahrscheinlicher, dass es zu Blackouts kommt?
Frank Roselieb: Ja und nein. Einerseits weiß man noch nicht genau, wie sicher die Windenergie ist und wie zuverlässig die erneuerbaren Energien wie Wasserkraft und Sonne Strom liefern. Auf der anderen Seite ist es gut, auf viele kleine Stromversorger zu setzen. Das sorgt beim Ausfall eines Versorgers für schnellen Ersatz.
Welche Rolle spielt die Energieversorgung durch Russland?
Frank Roselieb: Russland liefert uns vor allem Gas, das auch zu Strom umgewandelt wird. Wenn Russland seine Lieferungen drosselt, könnte das mittelfristig durchaus Folgen haben - besonders im Winter. Dann müsste mehr Strom für die Wärmeversorgung eingesetzt werden.
Wodurch könnte ein Strom-Blackout noch ausgelöst werden?
Frank Roselieb: Zum einen kann direkt beim Stromversorger etwas passieren, beispielsweise ein Umspannwerk abbrennen. Zum anderen können Terroranschläge auf einzelne, zentrale Strommasten verheerende Folgen haben. Denkbar sind auch Hackerangriffe auf die Leitstellen der Stromversorger.
Welche Folgen könnte ein längerer Stromausfall haben?
Frank Roselieb: Fatale Folgen. Ohne Strom ist keine Wasserversorgung mehr möglich, weil die Pumpen nicht mehr funktionieren. Im Winter fällt die Heizung aus. Telefone könnten nicht mehr aufgeladen werden, so dass die Bürger auch nicht mehr mit der Feuerwehr und Polizei kommunizieren können. Irgendwann bricht das öffentliche Leben zusammen. Entscheidend ist die Frage, wie lange ein Stromausfall dauert und wie viele Menschen betroffen sind. Eine Stadt für zwei Stunden bekommt man noch in den Griff, eine ganze Region über mehrere Wochen wird schon kritisch. Die größte Sorge, die wir haben, ist, dass die Menschen in Panik geraten.
Gab es solche Fälle in Deutschland?
Frank Roselieb: Intensiv beschäftigt haben wir uns in der Krisenforschung mit dem Blackout im Münsterland, wo Tausende im November 2005 nach einem Schneechaos mehrere Tage ohne Strom waren. Sonst dauerten die Stromausfälle in Deutschland meist nur wenige Minuten.
Wie können sich die Menschen auf einen Blackout vorbereiten?
Frank Roselieb: Meist geht es um recht banale Dinge. Wenn das Trinkwasser nicht mehr fließt, gibt es in Deutschland zahlreiche Notbrunnen. Um dort an das Wasser heranzukommen, benötigt man bei einem Stromausfall aber die gute alte Handkurbel. Auch Taschenlampen, Kerzen und Batterien sollte man vorrätig haben. Schließlich kann auch ein Blick in den Vorratsschrank helfen: Wie lange reichen die Lebensmittel, wenn der Kühlschrank ausfällt und der Supermarkt geschlossen hat? Wenigstens für zwei bis drei Tage sollte man autonom über die Runden kommen.
Zur Person
Frank Roselieb (45) ist geschäftsführender Direktor des Kieler Instituts für Krisenforschung. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler berät auch Unternehmen bei der Bewältigung und Prävention von Krisen - vom Katastrophenmanagement bei Terroranschlägen bin zur Krisenbewältigung bei Lebensmittelskandalen. (dpa/rs)