Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des IT-Herstellerverbandes Bitkom, war zumTrendkongressextra und zum ersten Mal mit dem Fahrdienst Uber gekommen. Mit der Dienstleistung war er sehr zufrieden. Und dass, obwohl der Fahrer ihn erst zur gleichnamigen Luckenwalder Straße in Berlin-Lichtenberg statt zum Veranstaltungsort "Station" in Berlin-Kreuzberg fahren wollte. Das erzählte Rohleder zur Eröffnung der Veranstaltung.
Rund 1400 Teilnehmer waren zum dritten Trendkongress von Bitkomgekommen. Einen Tag lang ging es in Berlin um disruptive Technologien, um neue und altbekannteTrends. Auf drei Bühnen gab es pausenloses Programm, Vorträge und Diskussionen. Startups stellten ihre Projekte in einem eigenen Bereich aus und wurden bei einem Wettbewerb ausgezeichnet.
"Wir sind auf dem Weg zum Smart Anything"
Bitkom-Präsident Dieter Kempf wollte sich "nicht mit Klein-Klein" beschäftigen, sagte er zur Begrüßung, sondern "mit dem Big Picture, also den großen Trends bis 2020".Big Data, Industrie 4.0, Intelligente Netze, Breitbandausbau und Wearables nannte er als Themen, die auch den Kongress prägten. "Auf dem Weg zum Smart Anything werden Wertschöpfungsketten zu Wertschöpfungsnetzen", sagte Kempf.
Kempf will für IT-Lösungen in der Bevölkerung werben
Der Bitkom-Präsident zeigte sich in seiner Eröffnungsansprache vor dem überwiegend technikbegeisterten Publikum aber auch nachdenklich. "Wir müssen in der Bevölkerung mehr um Lösungen werben und Überzeugungsarbeit leisten", sagte er. Ein Negativ-Beispiel sei etwa die eID-Funktion des neuen Personalausweises, die aktuell nur 27 Prozent aller Ausweisinhaber frei geschaltet haben. "Das ist massiv hinter den Erwartungen zurück geblieben", sagte Kempf.
Nur 24 Prozent findet ITK-Branche besonders vertrauenswürdig
Auch eine aktuelle repräsentative Umfrage von Bitkom unter 1000 Personen ab 14 Jahren anlässlich des Kongresses zeigt, dass die Branche und ihre Themen in Deutschland mittlerweile zwiespältig gesehen werden. Kempf: "Die Werte geben zu denken." So war nur die Hälfte der Befragten der Meinung, die ITK-Branche biete sichere Produkte und Dienste. Nur knapp ein Viertel (24 Prozent) fand, die ITK-Branche sei besonders vertrauenswürdig. "Berichte über Datenlecks und natürlich die NSA-Affäre haben zu diesem Bild beigetragen", sagte Kempf.
Zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) stimmten bei der Umfrage der Ansicht zu, das Internet diene der Überwachung. Allerdings bejahten auch vier von fünf Befragten (70 Prozent) die Vorgabe, das Internet sei "einfach toll".
Weitere erstaunliche Ergebnisse: Bill Gates (87 Prozent) und Edward Snowden (84 Prozent) kennen fast alle. Bei IT und Internet denken die meisten zuerst an die Deutsche Telekom (56 Prozent). Und das größte deutsche IT-Unternehmen SAP kommt bei dieser Frage ohne Vorgaben gar nicht vor. "Industrie 4.0", das Buzzwort des Jahres, kennen nur 21 Prozent; 66 Prozent davon trauen sich zu, es auch zu erklären.
Dann nur noch eine Zulieferindustrie
Das Spektrum der Vorträge war in diesem Jahr besonders groß. So zeigte sich Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Accenture, begeistert von den Möglichkeiten der "digitalen Rundumversorgung". "Alle Branchen sind dran, alle Lebensbereiche sind betroffen", sagte er.
An verschiedenen Beispielen vom Gesundheitswesen über die Auto- bis zur Agrarindustrie zeigte er die Chancen für diejenigen Unternehmen auf, die die digitalen Möglichkeiten ergriffen - und die Gefahren für die, die sich verweigern. "Wenn wir in Deutschland den Zug verpassen, sind wir nur noch eine Zulieferindustrie", warnte Riemensperger. Es ginge darum "aus großen Volumen von Daten viel Geld zu machen". Allerdings stellte er auch fest: "Datensammeln ist unschick in Deutschland."
Auf der anderen Seite sprach der Netzaktivist Daniel Domscheit-Berg in einem sehr persönlichen Vortrag unter der Überschrift "Denn sie wissen nicht was sie tun - vom Eintritt in das digitale Zeitalter" über das Spannungsfeld von Transparenz und Geheimhaltung. "Die Geheimdienste wollen den Informationsvorteil einer kleinen Gruppe absichern", sagte Domscheit-Berg. "Alles, was Sie schreiben und reden, wird gespeichert."
Er forderte ein öffentliches Gespräch darüber, was in Zukunft mit den Daten passiert. "Wir müssen als Gesellschaft darüber sprechen, wie wir das organisieren." Allerdings gebe es hierfür nur ein kleines Zeitfenster. "Uns läuft die Zeit davon", sagte Domscheit-Berg, dessen Vortrag mit großem Applaus bedacht wurde.
Telekom löst alte Festnetz-Telefonie bis 2018 ab
Auch konkrete Beispiele der Digitalisierung gab es auf dem Kongress. Vertreter aus der Industrie diskutierten in den Panels "IT Meets…" die Auswirkungen des Internets der Dinge auf die Industrie, den Automobil- und Energie-Sektor sowie den Bereich Smart Home.
Der CIO der Deutschen Telekom, Markus Müller, sprach über die Migration aus der veralteten Festnetz-Telefonie-Welt in eine IP-basierte Kommunikationsdienste-Architektur. 2018 läuft der Support für die alten Plattformen aus. Bis dahin sollen die 350.000 grauen Kabelverzweiger, 8000 Hauptverteiler und 900 Aggregatoren durch eine neue IP-Infrastruktur abgelöst werden. 500 Millionen Euro investiert die Deutsche Telekom dafür von 2013 bis 2015. Müller rechnet für die Zukunft mit geringeren Kosten, schnellerer Produktentwicklung und mehr Flexibilität.
Plug and Play auf Basis von Standards
"Die Welt der Telekom besteht heute aus sieben Plattformen und Software-Stacks", sagte Müller. Das Produkt Entertain musste aufgrund der unterschiedlichen Infrastruktur 15 Mal entwickelt werden. Ab 2018 verspricht Müller den Kunden "Plug and Play auf Basis von Standards" sowie "Seamless Connectivity". "Dann liegt das Produkt nicht mehr in der Netzkonfiguration, sondern in der Datenbank." Umzüge dauerten nur noch Millisekunden.
Auticon und Talwerk gewinnen Gründerwettbewerb
Den Gründerwettbewerb, bei dem sich sechs Finalisten einer Expertenjury stellten, gewannen die Unternehmen Auticon und Talwerk. Auticon aus Berlin beschäftigt als erstes Beratungsunternehmen in Deutschland ausschließlich Menschen im Autismus-Spektrum als IT-Consultants, die besondere Begabungen in Logik und Mustererkennung besitzen.
Das Wuppertaler Start-up Talwerk gewann mit dem Produkt FlowerNanny, ein Blumentopf mit Sensortechnologie, der Pflanzen bis zu mehrere Wochen automatisiert bewässert. Per App bekommt der Nutzer Zusatzinformationen und Statusinformationen über die Pflanze angezeigt.