Vor knapp zehn Jahre tauchte der Begriff Cloud Computing erstmals in der IT-Szene auf. In der Anfangsphase herrschte bei Analysten, Marktforschern, Hard- und Software-Anbietern und erst recht bei den Anwendern noch große Unklarheit darüber, was Cloud Computing eigentlich bedeutet. Unterdessen hat sich eine Vielzahl von erprobten Modellen und Verfahren etabliert, die inzwischen einen festen Platz im Alltag der Unternehmens-IT gefunden haben.
Das Versprechen von Cloud Computing: Standardisierte und modulare IT-Services, die bei Bedarf kurzfristig genutzt, nach einen Mengenmodell (wie CPU-Leistung, Storage-Kapazität, Anzahl User etc.) abgerechnet werden (Pay-per-Use) - und ebenso schnell wie gebucht auch wieder abbestellt werden können. Letztlich geht es um die Industrialisierung von IT-Ressourcen und Services.
Ein vollkommen neuer Ansatz
Dies war insofern ein vollkommen neuer Ansatz, als bis dahin das Auslagern von IT-Aufgaben - oder der Einkauf von IT-Services - in einem völlig anderen Rahmen stattfand. Zwar gab es auch damals schon das Hosting von Anwendungen wie etwa SAP-Applikationen oder das Anmieten von Speicherplatz für Datensicherung und Archivierung beim Hosting-Provider. Aber diese basierten nicht auf standardisierten Services oder Modulen, sondern fast immer auf individuellen Vereinbarungen.
Und "Outsourcing" - der Begriff, unter dem Cloud Computing in der Anfangsphase subsumiert wurde - hieß seinerzeit immer, einen Großteil oder gleich die gesamte IT an einen einzigen Outsourcing-Partner auszulagern. In den meisten Fällen sogar mit Übernahme der Hardware und des IT-Personals.
Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass die Anwender sich mit Cloud Computing anfänglich schwer taten: "Wir hatten im Jahr 2009 eine Umfrage in Deutschland durchgeführt - damals wussten drei von vier IT-Entscheidern nicht, worum es beim Cloud Computing überhaupt geht", blickt Matthias Kraus, Research Analyst beim Marktforscher IDC, zurück.
Das hat sich grundsätzlich geändert. Alle aktuellen Studien zeigen, dass der überwiegende Teil der deutschen Unternehmen unterdessen in der einen oder anderen Weise Cloud Computing nutzt. So kommt die IDC Studie "Hybrid Cloud in Deutschland 2014" zu dem Schluss, dass über 80 Prozent der Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern bereits auf Cloud Services zurückgreift oder sich in der Planungs-/Implementierungsphase befindet.
Virtualisierung macht noch keine Private Cloud
Bei der Art der Nutzung gibt es jedoch gewaltige Unterschiede: Die Mehrheit der Unternehmen nutzt Services aus der Private Cloud oder der Hosted Private Cloud - das heißt, auf der eigenen oder auf einer exklusiv bei einem Provider angemieteten Infrastruktur. Zurückhaltender sind die Anwender noch, wenn es um Services aus der Public Cloud geht, die laut IDC-Studie bisher nur gut die Hälfte der Unternehmen nutzt. Hybrid Clouds, die Services aus der Public Cloud mit der Private Cloud oder On-Premise-Infrastrukturen verknüpfen, sind danach bei etwa 70 Prozent der Anwender im Einsatz oder geplant.
Das steht der ursprünglichen Idee, die nämlich Cloud Computing eng mit dem Begriff Outsourcing und dem Bezug von externen IT-Services verknüpfte, entgegen. Denn Vorteile wie Kostenersparnisse der Public Cloud für Hardware (im IaaS-Modell), die nur temporär für Test- und Entwicklungsumgebungen oder zu Spitzenzeiten benötigt werden, gehen bei der selbst betriebenen Private Cloud natürlich ins Leere. Ebenso lassen sich die einfachere Administration und das Delivery von Anwendungen aus der Public Cloud im SaaS-Modell in einer Private Cloud Umgebung nicht realisieren.
Ein Self-Service-Portal für Fachabteilungen
Dennoch bringen Private Clouds den Unternehmen messbare Vorteile. Die Idee der Private Cloud ist, dass durch Virtualisierung der Serverlandschaft und die Standardisierung von unternehmensinternen IT-Services die IT-Abteilung sich gegenüber den internen Anwendern so positioniert, wie ein Service Provider gegenüber seinen externen Kunden. Im besten Falle werden dabei die Fachabteilungen über ein Self-Service-Portal in die Lage versetzt, die von ihnen benötigten IT-Ressourcen zu buchen und umgehend zu nutzen.
Allerdings ist das Ausbaustadium der Private Cloud in den Unternehmen sehr unterschiedlich: "Allein das Virtualisieren der Server-Infrastruktur macht noch keinen Private Cloud Service. Es finden sich bisher nur wenige Unternehmen, die ihren Anwendern alle oder auch nur die wichtigsten IT-Leistungen in Form modularer, standardisierter und skalierbarer Services zur Verfügung stellen", sagt IDC-Analyst Kraus.
Immer noch Sicherheitsbedenken bei der Public Cloud
Trotz nach wie vor bestehender Sicherheitsbedenken nimmt auch die Nutzung von Services aus der Public Cloud stetig zu. Dabei werden zunehmend sowohl Services nach dem IaaS-Modell, also dem Anmieten von Rechenleistung oder Speicherplatz aus der Public Cloud, als auch im SaaS-Modell als einsetzbereite Applikation genutzt.
Beim IaaS geht es zum einen um zusätzliche Ressourcen, die etwa für das Saisongeschäft oder für gelegentliche Lastspitzen nur temporär benötigt werden. Auf der anderen Seite werden Cloud-basierte IaaS-Lösungen immer häufiger auch langfristig für Datensicherung, Archivierung, Disaster-Recovery und Business-Continuity-Lösungen eingesetzt.
"Grundsatzfrage nach einem Einsatz von SaaS-Lösungen stellt sich nicht mehr"
Beim SaaS sind es, kaum verwunderlich, vor allem Anwendungen für die ortsübergreifende Zusammenarbeit, wie etwa E-Mail, Messaging, Groupware oder Kollaborationslösungen, die aus der Public Cloud bezogen werden. Aber auch CRM und Telefonie- und VoIP-Lösungen kommen immer öfter aus der Cloud. Sebastian Paas, Partner bei der Unternehmensberatung KPMG, kommentiert in der KPMG-Studie "Cloud Monitor 2015: "In vielen Branchen stellt sich die Grundsatzfrage nach einem Einsatz von SaaS-Lösungen nicht mehr. Vielmehr rückt die Frage in den Vordergrund, für welche Bereiche des Unternehmens SaaS-Lösungen den höchsten Wettbewerbsvorteil bringen, ohne die Risiken aus den Augen zu verlieren."
Die Themen Sicherheit, Datenschutz und Compliance gehören seit Beginn des Cloud Computing zu den heiß diskutierten Themen. Die große Beliebtheit der Private Cloud hängt unter anderem auch an der Einschätzung der Unternehmen, hier alle Sicherheitsfragen in der eigenen Hand zu behalten. Die Risiken beim Public Cloud Computing werden als sehr viel gravierender eingeschätzt, als wenn es um die eigene Infrastruktur geht.
Grundsätzliche Ablehnung ist überwunden
Die grundsätzliche Ablehnung, die den Cloud-Anbietern noch vor einigen Jahren entgegenschlug, ist aber vielerorts überwunden. Gerade kleinere Unternehmen, die selbst nicht über die personelle Ausstattung und technische Expertise verfügen, verbinden mit der Cloud-Nutzung das Ziel, die Datensicherheit zu verbessern.
Die NSA-Affäre allerdings hat das Bewusstsein für Fragen der Datensicherheit und Datenschutz geschärft. Eine Konsequenz daraus ist, dass die Unternehmen sehr viel mehr darauf achten, wo ihre Daten verarbeitet werden: Ein Hauptsitz und RZ-Standort in Deutschland oder zumindest in der EU ist heute für die Mehrzahl der Anwender unabdingbare Voraussetzung. Ebenso erwarten sie, dass der Cloud-Anbieter die Sicherheit seiner Rechenzentren und Verfahren mit unabhängigen Zertifikaten belegen kann.
Cloud-Anbieter in der Pflicht
Nach Einschätzung der Autoren der Studie "Cloud Monitor 2015" sind hier vor allem die Cloud-Anbieter gefordert, für mehr Transparenz und Vertrauen zu sorgen: "Sicherheitsbedenken bleiben die größte Hürden, die einer intensiveren Cloud-Nutzung im Wege steht. Es besteht weiterhin Aufklärungsbedarf hinsichtlich Datensicherheit, Bedrohungsszenarien, Rechtslage und Compliance-Anforderungen."
Es gebe jedoch oft eine Diskrepanz zwischen der gefühlten und der tatsächlichen Bedrohung. Zwar seien die IT-Systeme der Unternehmen insgesamt stark zunehmenden Gefahren ausgesetzt, aber "weder die IT-Sicherheit noch die Compliance-Anforderungen werden durch den Einsatz von Cloud Computing in besonderer Weise gefährdet", resümieren die KPMG-Experten.
Hybrid Clouds entstehen fast zwangsweise
Sicherheitsdiskussion hin oder her - Hybrid Clouds gelten heute als das Modell der Zukunft: Nach Einschätzung der amerikanischen Analysten von Gartner werden im Jahre 2017 weltweit mehr als die Hälfte der großen Unternehmen auf Hybrid Cloud-Infrastrukturen zurückgreifen. Das Analystenhaus Gartner definiert die Hybrid Cloud als einen Service der entweder Private und Public Cloud Implementation miteinander verbindet oder On-Premise System mit Off-Premise Public oder Private Cloud Services verbindet. Wesentliches Merkmal einer hybriden Cloud-Architektur ist nach Gartner, dass sowohl Daten als auch einzelne Services zwischen den jeweiligen Public und Private Cloud Infrastrukturen verschoben werden können.
Dass die Hybrid Cloud sich zunehmender Beliebtheit erfreut, ist kein Zufall: Um zu vermeiden, dass Services oder Ressourcen aus der Public Cloud gleichsam in einer paralellen IT-Welt an der internen IT vorbeiläuft - seien es traditionelle On-Premise-Systeme oder Private Cloud-Infrastrukturen - müssen sie mit den externen Diensten integriert werden. Die Hybrid Cloud entsteht also fast zwangsweise, wo immer Services aus der Public Cloud zum Einsatz kommen. Aber richtig konzipiert und implementiert sind Hybrid Clouds weit mehr als die notdürftige Verknüpfung von lokalen und externen Services.
Tatsächlich können die hybriden Infrastrukturen auf vielfältige Weise zur Agilität und Flexibilität der Enterprise-IT beitragen. Die Zeiten, als Firmen ihre eigene Infrastruktur auf Spitzenlasten auslegen mussten, die bei hohen Anschaffungskoten zum Gutteil ungenutzt für sich hindümpelte, sind längst vorbei. Indem Unternehmen die lokale IT mit - zumindest theoretisch - unbegrenzten Ressourcen aus der Public Cloud erweitern, sparen sie die Kosten für nur temporär benötigte Hardware wie etwa für Test- und Entwicklungsumgebungen oder um Lastspitzen im Tagesgeschäft oder saisonalen Spitzenzeiten abzufangen.
Hauptvorteil: IT-Ressourcen schnell bereitstellen
Nach der Studie "Market Pulse: Cloud Adoption - Hybrid is the Future" von IDG Market Research haben bereits heute mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer hybride Infrastrukturen im Einsatz oder sind gerade dabei, solche zu installieren. Das wichtigste Argument für Hybrid Cloud ist für die meisten Befragten (62 Prozent) die höhere Geschwindigkeit, mit der IT-Ressourcen bereitgestellt werden können.
Auch das Thema Disaster Recovery gehört für mehr als die Hälfte (56 Prozent) zu den ausschlaggebenden Gründen. Die Verbesserung der Auslastung ist für 53 Prozent der Befragten ein wichtiges Argument, während 42 Prozent eine Senkung der Betriebskosten für wichtig halten.
Die Schatten IT integrieren
Aber während das Bereitstellen externer Ressourcen im IaaS-Modell ohne Zweifel zu den Kernaufgaben der IT-Abteilung gehört, stellen IT-Services aus der Public Cloud im SaaS-Modell die IT-Verantwortlichen vor ganz andere Probleme. Denn schon heute greifen viele Unternehmen auf mehr als nur einen Cloud-Anbieter zurück. Damit ergeben sich zwangsläufig vielfältige, anbieterübergreifende Cloud-Umgebungen, in denen verschiedene Cloud-Services in sogenannten "Multi-Cloud-Environments" nebeneinander existieren.
Es ist zur gängigen Praxis geworden, einzelne Cloud-Services neben der vorhandenen Infrastruktur einzusetzen. Nicht zuletzt sind es die Fachabteilungen, die auf schnelle Veränderungen und leistungsstärkere Systeme drängen. Immer öfter werden diese an der IT-Abteilung vorbei auf eigene Faust eingekauft und in Betrieb genommen. Die so entstehende "Schatten-IT" aber macht die gesamte IT-Landschaft noch aufwändiger und komplexer.
Insofern lautet die Kernfrage in den meisten Unternehmen heute nicht mehr, ob Cloud Computing oder nicht. Vielmehr geht es immer häufiger darum, die einzelnen Cloud-Inseln - aus der Schatten-IT und der gezielt eingekauften Cloud-Services - zusammenzuführen und zu einer Hybrid Cloud zu verknüpfen. Dabei fehlt es vielerorts noch an Wissen und technischer Unterstützung: "Es gibt im Moment nur wenige Unternehmen, die in der Lage sind, viele verschiedene Outsourcing-Partner selbst zu steuern. Das notwendige Know-how, Prozesse und Tools sowie Mitarbeiter mit Erfahrung findet man meistens nur in großen Konzernen", schreiben die Autoren der Market-Pulse-Studie.
Paradigmenwechsel hin oder her - Cloud Computing ist Realität
Am Anfang des Cloud-Zeitalters waren Kosteneinsparungen das entscheidende Argument, weil Cloud Computing in erster Linie als eine neue Variante des Outsourcing gesehen wurde. Und die traditionelle Motivation für Outsourcing waren immer Kostenersparnisse und die Konzentration auf das Kerngeschäft. Aber schon sehr früh wurde erkannt, dass Cloud Computing einen essenziellen Beitrag zur die Steigerung der Flexibilität und Agilität der gesamten IT-Infrastruktur leisten kann.
Heute ist es vor allem dieses Argument, dass Unternehmen überzeugt. Es gilt gleichermaßen für Public und Private Cloud Infrastrukturen - und seine Bedeutung wird weiter zunehmen. "Schon jetzt ist Cloud Computing Realität in deutschen Unternehmen - aber der anhaltende Transformationsprozess durch Digitalisierung, zunehmende Mobilität, dem Internet of Things und Big Data Analytics wird Unternehmen immer mehr in Richtung Cloud Computing und Services drängen. Der Aufbau hybrider IT-Landschaften aus On Premise und Public Cloud Services ist der nächste logische Schritt. Nur so werden CIOs in der Lage sein, die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen", sagt IDC-Analyst Kraus.
Von 10 auf 490 Cloud-Anbieter
Die Zahlen sprechen die gleiche Sprache. Nach den Zahlen des Cloud Vendor Benchmark der Analysten der Experton Group wird sich der Umsatz mit Cloud Computing in diesem Jahr auf 9,1 Milliarden Euro belaufen - eine Steigerung gegenüber 2014 um 37 Prozent. Ebenso beeindruckend ist dabei die Anzahl der Unternehmen, die mittlerweile vom Cloud Vendor Benchmark der Experton Group erfasst werden: Waren 2010 noch zehn Anbieter von Cloud-Technologien, -Services und -Transformationsdienstleistungen Gegenstand des ersten Benchmarks, so sind es mittlerweile bereits 490 Anbieter. 160 davon haben die Analysten näher untersucht und in den Cloud-Benchmark aufgenommen.
Ob Cloud Computing tatsächlich zum seinerzeit prophezeiten Paradigmenwechsel geführt hat, bleibt wohl Interpretationssache und letztlich eine akademische Frage. Man kann sicher nicht davon reden, dass Cloud Computing die traditionellen IT-Landschaften komplett verdrängt oder ersetzt hätte. Andererseits wird wohl heute kein größeres IT-Projekt mehr geplant, ohne die Möglichkeiten der Inhouse-IT gegen ein Cloud-Modell abzuwägen.
Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass sowohl die lokal betriebene IT als auch der Bezug von Services aus der Public Cloud zum Regelfall wird - und Hybrid Clouds gleichsam zum Standard in der Unternehmens-IT.