Der Europachef des japanischen Elektronikriesen Panasonic griff zum IFA-Start zu drastischen Worten: "Für mich ist das TV, so wie wir es aus dem letzten Jahrhundert kennen, tot." Natürlich brachte die Firma von Laurent Abadie auch zur diesjährigen Funkausstellung wieder jede Menge neuer Fernseher mit, aber was er meint, ist ein fundamentaler Wandel, der sich durch alle Bereiche des Elektronik-Geschäfts zieht. Ob im Wohnzimmer oder auf dem Smartphone: Internet-Dienste übernehmen die Hauptrolle.
Früher reichte es für die Hersteller von Unterhaltungselektronik, einfach nur gute Geräte auf den Markt zu bringen. Es gab technische Innovationen, mal hatte der eine die Nase vorn, mal der andere - aber insgesamt war es ein gut behütetes Geschäft, in dem man in der Branche unter sich war. Dann kamen die Fernseher und andere Geräte mit Internet-Anschluss.
Erst wussten die Verbraucher noch nicht so recht etwas damit anzufangen. Die Branche beklagte regelmäßig, dass ein Großteil der "smarten" TV-Geräte gar nicht ans Netz angeschlossen sei. Die Kunden beschwerten sich über eine zu komplexe und träge Bedienung, die den angeblich nahtlosen Wechsel zwischen klassischem TV und Internet-Diensten in der Realität hakelig machte. Doch inzwischen geht das Fernsehen den Weg des Smartphones: Apps kommen in den Mittelpunkt, die Bedienungs-Hoheit wandert von der Menüführung des Hardware-Herstellers zu den Online-Diensten.
"Streaming wird den gesamten Medienmarkt revolutionieren", sagt Medienexperte Klaus Böhm von der Beratungsfirma Deloitte. Ein Beispiel ist das Tempo, mit dem Online-Dienste wie Spotify den Musikmarkt aufrollen und auch auf das Geschäft der Hifi-Hersteller durchschlagen. Für immer mehr Verbraucher wird es wichtiger, über das Netz auf ihre Song-Listen zuzugreifen, als die bestmögliche Qualität von einer CD zu bekommen.
Kurz nach der IFA wird der US-Videodienst Netflix nach Deutschland kommen - und trifft hier bereits auf einen hartumkämpften Markt. Nach Schätzungen von Deloitte werden Medienanbieter ihre Umsätze mit Video-Inhalten auf Abruf bis 2020 fast vervierfachen. Panasonic-Mann Abadie bereitet sich auf diese Zukunft vor. Der japanische Konzern kooperiere verstärkt mit Internet-Unternehmen und halte ein Auge stets auf mögliche Übernahmen.
Das herkömmliche Fernsehen bringe zwar hervorragende Bildqualität, sei aber dennoch eine veraltete Technologie, sagt Abadie. "Die Menschen werden sich sicher auch weiterhin noch große Sportevents auf dem Fernseher anschauen." Aber dabei nutzten sie zur gleichen Zeit auch Kommunikationsmittel wie Twitter oder Online-Netzwerke wie Facebook auf mobilen Geräten. Dem Fernsehen fehle die Interaktivität. Das Fernsehsignal könne bei genügender Verbreitung von schnellen Leitungen genauso gut über das Internet gesendet werden.
Die TV-Branche in Deutschland verweist allerdings auf weiterhin solide Zahlen in ihrem Werbegeschäft und will auch bei den neuen Mediendiensten mitmischen. So gehört Maxdome, der deutsche Marktführer im Streaming-Geschäft mit 35 Prozent Marktanteil, zum TV-Konzern ProSiebenSat.1.
Die Hersteller von Hausgeräten, die ebenfalls auf der IFA dabei sind, warten hingegen noch auf den großen Internet-Boom. Bislang habe der Verkauf vernetzter Geräte nur "sehr mühsam im Markt zugenommen", räumte Miele-Geschäftsführer Reinhard Zinkann ein. Die Menschen gewöhnten sich daran, ihr tägliches Leben mit Smartphones und Tablets zu organisieren. "Die Schlüsselfrage ist: Wie können wir verschiedene Geräte in ein einziges vernetztes System für den Haushalt einbinden?" Die Geräte-Hersteller müssen auch hier auf neue Konkurrenz aus der Online-Welt Rücksicht nehmen: So preschen die Smartphone-Schwergewichte Google und Apple mit eigenen Plattformen für die Heimvernetzung vor.
Dass die IFA auch internationale Strahlkraft hat, zeigt in diesem Jahr erneut die Anwesenheit von zahlreichen Journalisten und Bloggern aus den USA, Asien und anderen Ländern. Sie wollten sich wichtige Produktankündigungen von Branchengrößen wie Samsung und Sony nicht entgehen lassen. (dpa/rs)