In Anbetracht der Wirtschaftskraft des Handels - gemessen an der Bruttowertschöpfung immerhin elf Prozent - eine gute Nachricht für Software-Hersteller und IT-Dienstleister, die auf den Handel setzen. In den nächsten Jahren werden die Investitionen in Software und IT-Dienstleistungen im Handel nachhaltig steigen - und in 2007 und 2008 sogar überdurchschnittlich. In der Tat, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für Investitionen sind im "konjukturfühligen" Handel so gut wie lange nicht mehr: Die Wirtschaft befindet sich im Aufwind, die Arbeitslosigkeit sinkt, das Konsumklima hat in 2007 ungeahnte Höhen erreicht. Besonders der Großhandel profitiert mit steigenden Umsätzen aber auch dem Einzelhandel geht es in vielen Segmenten besser.
Was sind also die Themen, die den Handel bewegen?
Insgesamt beobachtet PAC wieder einmal der Trend, dass die Investitionen klar von der Filiale ausgehen. Im Vordergrund stehen dabei die Modernisierung der Filial-IT und die Integration der verschiedenen Systeme zur Erhöhung der Prozessautomatisierung. Bei der Erprobung der neuen SB-Kassen nimmt der Lebensmittelhandel eine Vorreiterrolle ein. Der nächste konsequente Schritt ist dann die Anbindung der Filiale an die zentralen IT-Systeme, um mittelfristig Echtzeitinformationen zur Verfügung zu haben. Folglich nehmen auch Investitionen in Lösungen zur Planungsoptimierung, Business Intelligence und Portale zu. Das Lieferantenportal der Metro "Metro Link" ist ein gutes Beispiel dafür. Speziell in Nischensegmenten wie Preisoptimierung, Prognose und Simulation drängen neben den großen Anbietern wie SAP, Oracle, Teradata oder SAS Institute auch mittelständische Handelsspezialisten wie Dacos oder SAF mit innovativen Lösungen in den Markt.
Besonderer Nachholbedarf besteht beim Thema Warenwirtschaft. Sowohl im Großhandel als auch im Einzelhandel bildet das Warenwirtschaftssystem nach wie vor das Herzstück der IT. Der Bedarf für neue, flexible und offene Systeme ist immens, dennoch tun sich viele Händler schwer mit der Entscheidung ein neues System einzuführen. Insbesondere der gehobene Mittelstand und die Großunternehmen haben jahrelang ihre Lösungen selbst entwickelt und an ihre Bedürfnisse angepasst. Die Frage "make or buy" wird hier auch in nächster Zeit die Unternehmen weiter beschäftigen und sich als stärkste Konkurrenz für Software-Anbieter zeigen.
Das Projektgeschäft ist derzeit vor allem geprägt von Evaluationsprojekten und Prozessberatung. Immer wichtiger wird auch eine ganzheitliche Standardisierung und Harmonisierung der komplex gewachsenen IT-Landschaften. Kostensenkungspotential und Internationalisierung sind dabei nur einige nennenswerte Treiber. Auch auf Infrastrukturebene ist durch fortwährend steigende Datenvolumina einiges zu tun.
SOA als Chance für den Handel
Durch die steigende Standardisierung der IT-Systeme ist auf lange Sicht damit zu rechnen, dass SOA die IT im Handel spürbar beeinflussen wird. Im Software-Bereich hat SOA bereits durch stärkere Prozess-, Objekt- und Technologieorientierung Einzug gehalten. SOA bietet dem Handel insbesondere Flexibilität und Schnelligkeit und wird den Multi-Channel-Vertriebsansatz wesentlich vereinfachen. Daher sind vor allem Unternehmen, wie Otto oder Tchibo, mit starker Online-Präsenz und vielen verschiedenen Absatzkanälen Vorreiter. Beim klassischen stationären Handel hingegen stehen zurzeit noch andere IT-Themen im Vordergrund, langfristig werden aber auch hier die Möglichkeiten durch SOA umgesetzt werden.
Aus Anbietersicht ergibt sich über die drei IT-Kernmärkte Software, Projektgeschäft und Outsourcing ein eher gemischtes Bild. Grundsätzlich ist der Gesamtmarkt im Handel stark fragmentiert, die Konzentration entsprechend gering und der Wettbewerb hoch. Betrachtet man den Markt für Software- und Projektgeschäft zusammen, hat SAP in beiden Segmenten - und vor allem im Software-Bereich - die Marktführerschaft inne, gefolgt von IBM als Allrounder. Speziell im Warenwirtschaftsbereich gibt es eine Vielzahl von Nischenanbietern wie z.B. Maxess, Salt Solutions oder Compex, die sich mit ihren Lösungen voll und ganz auf den Handel spezialisiert haben und um jeden Deal kämpfen. Weitere Anbieter, wie beispielsweise Lawson, drängen zusätzlich auf den Markt.
Im Bereich des produktionsnahen Großhandels profitieren auch Industriespezialisten wie z.B. Sage Bäurer, proAlpha oder SoftM. Der Markt für POS-Systeme ist hingegen wesentlich konzentrierter. Allerdings können Kunden durch den Markteintritt der SAP einiges an Wettbewerb für die gesetzten POS-Spezialisten wie z.B. Wincor Nixdorf, Torex Retail, Fujitsu Services oder GK Software erwarten.
Der relativ kleine und junge Outsourcing-Markt im Handel wird dominiert durch Atos Origin bedingt durch den großen Infrastruktur-Outsourcing-Deal mit KarstadtQuelle aus dem Jahr 2004. EDS, in 2006 noch auf Rang 8 im Outsourcing, wird 2007 und 2008 einige Plätze gut machen. Durch die Übernahme des IT-Dienstleisters von KarstadtQuelle Itellium gewinnt EDS wertvolle Kompetenzen im Handelsumfeld und bringt sich dadurch in eine gute Ausgangsposition im Handel - sowohl für weitere Outsourcing-Deals als auch für umfangreiche IT-Projekte.
Die Wende ist sicher geschafft, der Handel investiert wieder und an Potenzial mangelt es im Handel sicher nicht! Jetzt liegt es an den Anbietern, sich im Wettbewerb zu behaupten und den Handel mit innovativen Lösungen und Know-how zu überzeugen.
Lynn-Kristin Thorenz ist Analystin bei Pierre Audoin Consultants (PAC).