Herr Koch, was genau verstehen Sie unter "Enterprise 2.0"?
Michael Koch: Für mich meint "Enterprise 2.0" den Einsatz von Social Software in Unternehmen für interne und externe Kommunikation.
Social Software können Sie dabei definieren als Web-basierte Anwendungssysteme, die indirekte und direkte zwischenmenschliche Interaktion auf breiter Basis ermöglichen und die Beziehungen ihrer Nutzer im World Wide Web abbilden und unterstützen.
Wichtig ist mir hier der Unterschied, dass es bei Enterprise 2.0 um den Einsatz solcher Systeme im Unternehmen geht. Und dazu gehört neben der Auswahl der Technologie auch die Einbindung in organisatorische und soziale Strukturen sowie bei Bedarf um die Änderung von Regeln im Unternehmen.
Wie beurteilen Sie die Erfolgs- und Zukunftsaussichten von Enterprise 2.0 in Bezug auf die interne sowie die Kommunikation der Mitarbeiter untereinander?
Koch: Ich selbst unterscheide nicht zwischen "interner Kommunikation" und "untereinander Kommunikation". Denn die Grundidee von Web 2.0 ist ja gerade, dass es keine expliziten Sender mehr gibt, also keine Kommunikationsabteilung, die alleine das Intranet befüllt, sondern eine Mitarbeit und Beteiligung aller - zumindest beim Kommentieren. Damit wachsen interne Kommunikation und Kooperation zusammen.
Durch den Einsatz geeigneter Werkzeuge kann man vor allem eine höhere Beteiligung an der Kommunikation erreichen. Und damit eine bessere Erschließung von Mitarbeiterpotentialen. Während bisher viele ihre Ideen nicht eingebracht, sich noch nicht zu Wort gemeldet haben, wird das in Zukunft einfacher möglich sein. Darin liegt ein großer Wert für die Unternehmen, wenn die aktive Beteiligung aller Mitarbeiter akzeptiert und gewollt ist.
Grenzen zwischen interner und externer Kommunikation verschwimmen
Und Web 2.0 in der externen Kommunikation?
Koch: Ähnliche Potentiale wie für die interne Kooperation gibt es auch für die externe Kommunikation. Das liegt vor allem daran, dass die Grenzen zwischen intern und extern immer mehr verschwimmen. Unter Begriffen wie "Open Innovation" wird heute in ganz unterschiedlichen Bereichen mit externen Quellen, zum Beispiel mit Kunden zusammen gearbeitet.
Für mich ist dabei wichtig, dass man das Ganze wirklich als Kooperation begreift. Blogs helfen recht wenig, wenn man damit alte Kommunikationsstrukturen abbilden will, sondern erst, wenn man sich auf eine neue, mehr oder weniger gleichberechtigte Kommunikation einlässt.
Welche Werkzeuge wie Blogs, RSS, Twitter, Social Bookmarking, Social Tagging werden sich Ihrer Meinung nach durchsetzen?
Koch: Meiner Meinung nach wird sich kein einzelnes Werkzeug, sondern eine Integration verschiedener Funktionen durchsetzen - also eine Kopplung aus Blogs, Wikis, Social Tagging zusammen mit Feed-basierten Informationskanälen. Das zeigt sich schon in der neuen Klasse der "Social Networking Services", die eigentlich nur eine Profilverwaltung mit verschiedenen anderen Diensten kombinieren.
Kurzfristig sehe ich ein hohes Potential für Blogs (mit RSS) und Social Bookmarking (auch wieder mit RSS) - aber am besten integriert in ein soziales Netzwerk.
Benutzer müssen bei Web 2.0-Projekten einbezogen sein
Was sind aus Ihrer Sicht die erfolgskritischen Faktoren für Enterprise 2.0-Projekte, was typische Stolperfallen?
Koch: Lassen Sie mich aufgrund der Komplexität stichpunktartig beantworten, was aus meiner Sicht besonders wichtig ist:
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Die Benutzer müssen bei der Gestaltung einbezogen und eingebunden sein.
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Die Geschäftsleitung muss den Nutzen solcher Projekte für den Einzelnen herausstellen.
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Es ist wichtig, bei solchen Projekten eine iterative, evolutionäre Entwicklung zu berücksichtigen.
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Es muss Spielregeln für den Gebrauch von Social Software geben, aber kein Mikro-Management.
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Ein Projektteam muss Nutzen und Lösungen dokumentieren, nicht aber die Funktionalität.
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Sehr wichtig ist schließlich aus meiner Sicht die Schulung des mittleren Managements.
Wer treibt Enterprise-2.0-Projekte voran: IT-Abteilungen, Marketing, oder die Firmenleitung?
Koch: Das ist sehr unterschiedlich. Bei erfolgreichen Projekten kommt die Motivation meist aus den Abteilungen, also von unten, dann aber von der Firmenleitung gefördert. Meiner Beobachtung nach sind es nur sehr selten die IT-Abteilungen, die Web-2.0-Projekte anschieben.
Best Practice-Plattform ab Oktober
Gibt es Best Practices aus Ihrem eigenen Forschungsumfeld, die erfolgreich für Web-2.0-Projekte in Unternehmen stehen?
Koch: Ein Arbeitsgebiet meiner Gruppe ist gerade die Sammlung und Aufbereitung von Fallbeispielen. Wir haben dazu mit der Uni St. Gallen, der European Business School und der Uni Graz ein "Enterprise 2.0 Fallstudien-Netzwerk" gegründet. Dessen Ziel ist es, objektive Fallstudien zu erstellen und deren Nutzung durch Praktiker und Wissenschaftler zu unterstützen. Die Online-Plattform dazu soll ab Oktober geben.
Wir selbst haben in der Vergangenheit sehr intensiv mit dem Deutschen Skiverband gearbeitet und dort eine Wiki-basierte Wissens- und Innovationsmanagementlösung implementiert. Zudem sind wir gerade dabei, unter den Schlagwörtern "Open Research" beziehungsweise "Academia 2.0" den Einsatz von Social Software bei der Dokumentation und Kommunikation von Forschungsleistungen an Universitäten und in Forschungsgruppen voran zu treiben.
Vielen Dank für das Gespräch.