CIO Stefan Lemke

Die IT-Strategie der AXA

21.07.2022 von Jens Dose
Mit viel technischer Basisarbeit, APIs, der Cloud und agilen Methoden modernisiert IT-Chef Stefan Lemke die IT des Versicherers.
Stefan Lemke, CIO der AXA Versicherung.
Foto: AXA

Das Geschäft der AXA Versicherung gliedert sich in Sach- und Personenversicherungen wie Lebens- und Krankenversicherungen. Zum Kundenstamm zählen sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen aller Größenordnungen. "Das alles müssen wir durch leistungsfähige Systeme abdecken. Wir betreiben rund 360 Applikationen und viele Kleinstanwendungen, einen großen Teil in der Cloud," so CIO Stefan Lemke.

Das Unternehmen ist durch Zukäufe über die Jahre gewachsen und hat dadurch eine heterogene Produkt- und IT-Landschaft. "Unsere IT ist nicht aus einem Guss - auch heute noch nicht," sagt Lemke. Um das zu ändern, habe der Versicherer von 2015 an die IT systematisch modernisiert und eine Basis geschaffen, die heute noch trage.

Basisarbeit

Im Rahmen der Strategie rückte zuerst das Backend in den Fokus. Es galt, die Basis der IT zu renovieren, Produkte zu harmonisieren und Prozesse zu automatisieren. Dabei ging es nicht nur um gute Lösungen, sondern auch um deren Anbindung. "Wir wollen nicht nur die besten Systeme, wir wollen sie auch so gut wie möglich integrieren. Unsere Integrationsfähigkeit ist strategisch. Deshalb haben wir viel Zeit und Arbeit in die Architektur unserer Schnittstellen gesteckt", so der IT-Chef.

AXA sicherte sich im Bereich der Lebensversicherungen die Unterstützung des Dienstleisters MSG, um mit dessen Lösung "Life Factory" die Bestandsführung mit allen Verträgen und Kundenbeziehungen zu vereinheitlichen. Das IT-Team migrierte bislang über eine Million Policen in dieses System. Zum Jahresende soll ein großes Altsystem abgeschaltet werden.

Die Top-CIOs der Versicherungsbranche
INTER Versicherungsgruppe
Roberto Svenda ist seit 1. Juli 2023 Vorstandssprecher der INTER Versicherungsgruppe und zuständig für das IT-Ressort.
AachenMünchener
Seit Juni 2014 verantwortet Helmut Gaul die Ressorts Betrieb und IT im Vorstand der AachenMünchener. Er kennt das Haus: schon 1984, kurz nach Abschluss des Betriebswirtschaftsstudiums an der Fachhochschule Köln, kam er zu der Aachener Versicherung. Dazwischen lag lediglich ein Jahr im Außendienst der Colonia Versicherung.
Talanx
Jens Warkentin ist seit Januar 2023 Talanx-CIO. Der Talanx-Finanzvorstand übernahm die Aufgaben von Christopher Lohmann.
ERGO Deutschland
Mario Krause ist seit Anfang 2019 CIO der deutschen IT-Einheiten von ERGO und Vorsitzender der Geschäftsführung der ERGO-IT-Tochter Itergo. Er war zuvor im Vorstand des Versicherungskonzerns Talanx AG in Hannover für IT zuständig und zugleich Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters Talanx Systeme.
Helvetia Deutschland
Seit August 2020 ist Andrea Sturmfels als CIO für das Ressort Informatik von Helvetia Deutschland verantwortlich.
ERGO Global
Tomasz Smaczny ist seit Anfang 2019 Vorstandsvorsitzender der Ergo Technology & Services Management und Global CIO für die gesamte IT bei Ergo. Smaczny ist zudem Vorsitzender des Aufsichtsrats der IT-Tochter Itergo.
Allianz SE
Seit 1. November 2023 hat der Versicherungskonzern Allianz mit Olav Spiegel einen neuen Group Chief Information Officer an Bord. Er folgt auf Ralf Schneider.
AXA Deutschland
Der neue IT-Chef der AXA Deutschland kommt aus den eigenen Reihen. Achim Dahlbokum agiert ab September 2023 als CIO des Versicherers. Der bisherige CIO der AXA Versicherung in Deutschland, Stefan Lemke, verlässt das Unternehmen zum 31. August 2023.
Wüstenrot & Württembergische
Seit Juli 2012 ist Jens Wieland IT-Vorstand der Wüstenrot & Württembergische AG. Gleichzeitig gehört er der Geschäftsführung der W&W Informatik GmbH an, der IT-Tochter der Versicherungsgruppe. Zuvor war Wieland fünf Jahre lang im Vorstand der AXA für das IT-Ressort zuständig.
Zurich Gruppe Deutschland
Seit Januar 2021 ist Jens Becker Head of IT der Zurich Gruppe Deutschland. Er folgte auf Dorothée Appel.
Signal Iduna
Stefan Lemke, CIO von Axa Deutschland, wechselt zum 1. Januar 2024 als IT-Vorstand zur Signal Iduna Gruppe
Debeka
Die Debeka hat eine neue IT-Vorständin. Laura Müller steigt intern auf und folgt auf Roland Weber, der das Unternehmen verlässt.
Alte Leipziger
Seit Januar 2018 ist Udo Wilcsek stellvertretendes Vorstandsmitglied im Alte Leipziger – Hallesche Konzern und für die IT zuständig. Davor war er – seit 2014 – Leiter des konzernweiten Zentralbereichs Betriebsorganisation.
VHV Versicherung
Seit Januar 2022 ist Arndt Bickhoff Generalbevollmächtigter für den Bereich IT bei der VHV Holding.
Sparkassen Versicherung
Der promovierte Mathematiker Thorsten Wittmann übernahm im Januar 2016 die Leitung des Ressorts Leben und IT der SV Sparkassen Versicherung (SV). Dazu gehört auch die IT-Tochter SV Informatik.
Hannover Rück
Jürgen Stoffel ist seit Januar 2013 Managing Director IT/ Group CIO der Hannover Rück SE. Der Diplom-Mathematiker Stoffel war vor seinem Wechsel zur Hannover Rück fünf Monate lang Associate Partner bei IBM IT Management Consulting, arbeitete zwei Jahre lang als Head of Consulting & Projects bei ITERGO und war 13 Jahre beim IT-Beratungsunternehmen Comma Soft AG unter anderem Mitglied der Geschäftsleitung.
Generali Deutschland
Rainer Sommer übernahm im Mai 2015 als Vorstand der Generali Deutschland Holding die Aufgaben als COO und CIO. Außerdem wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung der IT-Tochter Generali Deutschland Informatik Services GmbH.
HUK-Coburg
Daniel Thomas hat seit 2016 die Aufgaben Betriebsorganisation und IT von Jörn Sandig übernommen, der Ende 2015 nach Auslaufen seines Vertrages in den Ruhestand ging.
Swiss Life Deutschland
Beim Versicherungsunternehmen Swiss Life Deutschland hat Tobias Herwig zum 1. März 2023 die Position des Chief Technology Officer übernommen.
VPV Versicherungen
Jürgen Reinsch ist seit Juli 2010 CIO der VPV Versicherungen in Stuttgart. Seit Januar 2018 ist er CDO und CIO. Vor seinem Wechsel zu VPV war Reinsch zwölf Jahre lang in verschiedenen Führungspositionen in der W&W Gruppe. Davor arbeitete er in zwei Systemhäusern und als freiberuflicher Berater.
Gothaer
Seit Juni 2016 ist Burkhard Oppenberg Geschäftsführer der Gothaer Systems GmbH, dem IT-Dienstleister im Gothaer Konzern, und CIO des Gothaer Konzerns. Er trat die Nachfolge von Volkmar Weckesser an.
R+V Holding
Mitte Juni 2018 ist Tillmann Lukosch in den R+V-Holdingvorstand berufen worden. Er übernahm die Verantwortung für das Zentralressort Informationssysteme sowie für die digitale Transformation. Lukosch ist Nachfolger von Peter Weiler, der in den Ruhestand ging.
Munich Re
Robin Johnson übernahm im April 2017 in Nachfolge von Rainer Janßen die Leitung des Zentralbereichs Information Technology bei der Munich Re. Johnson war vor seinem Wechsel zu Maersk von 2008 bis 2012 Global CIO beim US-Computerhersteller Dell.
LVM
Marcus Loskant ist seit dem 1. Juli 2019 Mitglied des Vorstands der LVM Versicherung und verantwortlich für das IT Ressort. Dieses beinhaltet die Vorstandsmandate der LVM a.G., LVM Kranken, LVM Leben und LVM Pension - also aller LVM Versicherungen. Zuvor war er Generalbevollmächtiger für das IT-Ressort der LVM Versicherung.
Baloise Group
Der promovierte Umweltwissenschaftler Alexander Bockelmann ist seit Februar 2019 Chief IT Officer (CTO) der Schweizer Baloise Group in Basel. Bockelmann kam von der österreichischen Versicherung Uniqua. Nach beruflichen Stationen bei der Boston Consulting Group und bei Versicherungsunternehmen in Deutschland und den USA wurde er 2013 Head of Group IT bei Uniqua. Seit Mitte 2016 war er dort Chief Digital Officer.
Provinzial Rheinland
Patric Fedlmeier ist seit Januar 2018 Vorstandsvorsitzender des Konzerns Provinzial Rheinland. Er ist seit 2009 im Vorstand, zuletzt als stellvertretender Vorstandsvorsitzender für die Ressorts Vertrieb und IT zuständig. Diese Aufgaben behält er.
Mobiliar
Thomas Kühne ist seit Januar 2019 Leiter IT und Mitglied der Geschäftsleitung beim Allversicherer Mobiliar in Bern in der Schweiz. Er war davor IT-Leiter bei Zurich Deutschland. Der Informatiker hatte diese Aufgabe im Dezember 2017 übernommen. Zuvor verantwortete er seit 2016 als Bereichsleiter Enterprise Transformation and Services bei der Zurich Gruppe Deutschland alle Shared Services sowie Betriebsorganisation, Real Estate, Einkauf und das Druckzentrum. Seit 2017 war er zugleich auch COO des Direktversicherers der Gruppe DA Direkt.
Viridium
Martin Setzer ist seit April 2018 CIO und Mitglied des Vorstands der Viridium Gruppe. Setzer war davor bis Mitte 2017 Mitglied des Vorstands und COO der Landesbank Baden-Württemberg. Im Anschluss beriet er Unternehmen im Bereich der Digitalen Transformation und übernahm Mandate in Start-ups der Finanzindustrie (Fintechs).
HDI Global SE
Die IT und den Bereich Operations im Vorstand der HDI Global SE führt seit Juli 2018 Thomas Kuhnt. Kuhnt kam von der Unternehmensberatung McKinsey & Company.
HDI Lebensversicherungs AG
Zum 1. März 2021 wechselte Dirk Böhme vom IT-Beratungshaus Silbury in den Vorstand der HDI Lebensversicherungs AG. Zugleich wird er Vorstandsmitglied der HDI Systeme AG, dem IT-Dienstleister der Talanx-Gruppe.
Zurich
Seit Frühjahr 2012 verantwortet Claudia Dill als COO (Chief Operation Officer) die IT der Sparte General Insurance beim Schweizer Konzern Zurich. Sie berichtet an Kristof Terryn, den obersten IT-Entscheider des Konzerns.
BayDit AG
Die Versicherungsgruppe die Bayerische bündelt seit Januar 2019 in der "die Bayerische Digital AG" (BayDit AG) ihre digitalen Aktivitäten. Das Unternehmen wird von einer Doppelspitze geführt: Der Vorstand besteht aus Michael Brand (l.) und Thomas Wolf. Michael Brand ist Diplom-Informatiker mit Schwerpunkt Software-Engineering und seit 1990 in der Versicherungs-IT tätig. Seit 2007 ist er Geschäftsführer der Bayerischen IT GmbH. Thomas Wolf, Diplom-Ingenieur Elektrotechnik, war von 2002 bis Oktober 2018 Vorstand der iS2 Intelligent Solution Services AG.
Süddeutsche Krankenversicherung (SDK)
Ralf Oestereich wurde im April 2019 IT-Vorstand der Süddeutsche Krankenversicherung a. G (SDK). Er ist als Vorstand für Informationstechnik für die Bereiche IT-Anwendungsentwicklung und IT-Betrieb sowie die Betriebsorganisation zuständig.

Im Bereich der Sachversicherung nutzt AXA die Branchenlösung von Guidewire. Das Projekt wurde 2017 gestartet. Vier Jahre lang arbeitete der Versicherer an einem modularen Produktbaukasten für Sach- und Haftpflicht-Produkte, automatisierten Prozessen sowie an der Integration. Anfang 2022 wechselten 1,3 Millionen Verträge aus dem Bestand in das Guidewire-System.

Im Zuge dessen wurde das Tool auch den knapp 3.500 Vertriebsagenturen zur Verfügung gestellt. Zuvor ging bereits der Direktkanal live und ab September sollen die Makler angebunden werden. "Damit laufen alle Vertriebskanäle in einer Produkt- und Prozessmaschine zusammen," sagt Lemke. Das Ziel sei, Abläufe zu vereinfachen, um so die Bedürfnisse der Kunden besser abzubilden. "Darum haben wir im Backend begonnen. Durch schnellere, einfachere und fallabschließende Prozesse verbessern wir die digitale Kundenerfahrung." Anliegen sollen rasch bearbeitet, Änderungen an bestehenden Verträgen in wenigen Handgriffen durchgeführt werden können.

Schnittstellen und Standards

In Bereich der Schnittstellen arbeitet AXA mit anderen Versicherungen und Makler-Unternehmen zusammen, die sich im Verein BiPRO organisieren und dort Branchenstandards erarbeiten. Entsprechend normierte APIs erlauben es beispielsweise Maklern, Angebote zu erstellen oder Vertragsauskünfte zu geben. Dazu hat der Versicherer die "TAA-Normen" für Tarifierung, Angebot und Abschluss mitentwickelt. "An den Kontaktpunkten mit den Kunden gibt es für alle dieselben einfachen und klaren Standards, was zu einer guten Kundenerfahrung führt", sagt Lemke.

Auch Partnerschaften im Finanz-, Kfz- und Gesundheits-Sektor spielen dem CIO zufolge eine wichtige Rolle für AXA. Bei Partnerschaften mit der ING Bank oder mit BMW kommen etwa die zuvor entwickelten Schnittstellen zum Einsatz. "Von der einfachen und schnellen Integrierbarkeit der Systeme hängt ab, wie schnell neue Angebote auf den Markt gebracht werden könnten," so Lemke.

Im E-Health-Bereich hat der Konzern mit "Meine Gesundheit" beispielsweise gemeinsam mit anderen Unternehmen einen Standard geschaffen, über den Rechnungen und Berichte einfach bearbeitet werden können. "Die Kundschaft entscheidet dabei, wer was sehen darf", so Lemke. "So bleiben Berichte der Ärzte sicher in der Plattform und nur die Rechnung wird auf Knopfdruck an den Versicherer weitergegeben." In diesem Ökosystem könnten Kunden auch durch Produkte und Partnerschaften Mehrwerte geboten werden, beispielsweise Boni für einen guten Fitnesszustand.

Cloud mit AWS und Azure

AXA ist zudem dabei, seine klassische Infrastruktur in die Cloud zu transferieren. Nur die SAP-Lösungen für Personal und Finanzen sowie die Legacy-Mainframe-Systeme bleiben dabei außen vor. In der Vergangenheit setzte der Versicherer auf einen Mix aus Private und Public Cloud. Inzwischen werden auch die Private-Cloud-Anwendungen aus den Rechenzentren in die Public Cloud migriert. In Sachen Public Cloud setzt AXA hauptsächlich auf Amazon Web Services (AWS), aber auch auf Microsoft Azure. Mittlerweile befinden sich rund 80 Prozent der Anwendungen in einer der Cloud-Umgebungen.

"Wir sind hier systematisch und strategisch vorgegangen. Die Cloud ist für uns mehr als eine Infrastruktur - sie bringt viel Innovation mit sich und bildet die Basis, um Automation und gutes Software-Engineering realisieren zu können," sagt Lemke. Die Mitarbeiter hätten moderne Arbeitsmittel an der Hand und könnten häufiger und schneller deployen.

Das Team um den CIO misst die Mehrwerte der Cloud systematisch mit Metriken. So habe die Frequenz der Deployments deutlich zugenommen. Etwa zwei Drittel der neuen Features würden in Kleinstreleases abgeliefert. Der Rest sind noch klassische, vierteljährliche Wasserfall-Releases. "Das wird weiter abnehmen, je weniger Abhängigkeiten unsere Anwendungen und Services untereinander haben," so der CIO.

Agile Organisation

Damit das Ganze läuft, musste sich das Team neu aufstellen. Begleitet wurde der Prozess von umfassenden Change-Maßnahmen. "Agil beginnt im Kopf, die agile Transformation fängt bei der Unternehmenskultur an," sagt Lemke.

Seit 2018 haben sich etwa 100 agile Squads rund um die IT gebildet. Diesen Prozess hat Lemke mit seinem Team begleitet. Die Squads sind crossfunktional mit Product Ownern und Business Requirements Engineers aus den Geschäftsbereichen aufgestellt. Gemeinsam mit den Entwicklern und weiteren Experten bilden sie die DevOps-Teams. Zudem hat AXA Deutschland eine DevOps-Gilde mit etwa 200 aktiven Mitgliedern ins Leben gerufen, die Engineering-Themen priorisiert und umsetzt.

In der Gilde werden Verbesserungsvorschläge zur Softwareentwicklung in Backlogs gepflegt. Das reicht laut Lemke von der Planung und Codierung über Tests und Releases bis hin zum Monitoring der Anwendungen. Dazu zählen etwa der robustere Betrieb der Systeme in der Cloud oder verbesserte Verfahren zu Continuous Integration und Integration CI/CD sowie Codequalität.

Entlang der acht DevOps-Stufen moderieren sogenannte Paten die Prioritäten und kümmern sich um Querschnittsthemen, die viele Squads betreffen. Aus Sicht des CIOs erfüllt die Gilde somit zwei Funktionen: Sie mache wertschöpfende Verbesserungen sichtbar, die über viele Squads wirksam werden. Gleichzeitig würden Schwerpunkte der IT-Strategie von den Squads aufgegriffen und umgesetzt.

Dreigeteilte Stammeskultur

Zusätzlich dazu baut AXA derzeit eine Tribe-Organisation auf, die die Geschäftseinheiten stärker crossfunktional einbindet. Zu den insgesamt 700 IT-Mitarbeitern sollen bis Jahresende etwa 800 Kollegen aus den Business Units kommen.

Insgesamt sollen 14 Tribes geschaffen werden, die sich in drei Kategorien gliedern. Knapp die Hälfte orientiert sich an den verschiedenen Bedürfnissen der Kunden und entwickelt Angebote dafür. Der Mobilitäts-Tribe befasst sich etwa mit Kfz- und E-Roller-Versicherungen. Das Thema Vorsorge ist im sogenannten Protection-Tribe verortet. Der "Health Offer Tribe" deckt beispielsweise Krankenversicherungen ab.

Ein weiteres Viertel der Tribes beschäftigt sich mit dem Thema Customer Journey und den Anliegen der Kunden. Dazu zählen etwa die Weiterentwicklung der My-AXA-App oder Aufgaben wie Adressänderungen. Zudem sind hier die Schaden- und Leistungsfälle verankert. "Das ist der Moment der Wahrheit für Versicherer. Hier spielt eine gutes Prozessdesign und die Einbindung von Expertennetzwerken eine wichtige Rolle, um schnell helfen zu können," sagt Lemke.

Das letzte Viertel umfasst die "Enabler-Tribes". Sie fungieren als Zulieferer und stellen automatisierte Services, Prozessstrecken und Plattformen bereit. Außerdem geben sie den anderen Tribes Werkzeuge an die Hand, um schnell und autonom arbeiten zu können. In diesen Bereich fallen etwa Automatisierungs- und DevOps-Tools, Workbenches, Testwerkzeuge und Vorkonfigurationen, etwa für Cloud-Produkte. Zudem findet sich hier der Data-Capability-Tribe. Er schafft eine Datenplattform, baut Tools und konfiguriert etwa Data Vaults vor, damit die Datenanalysten der anderen Tribes Daten analysieren und nutzen können.

Planung je Quartal

Begleitend zum Aufbau der agilen Squads führte Lemke Ende 2018 sogenannte Big-Room-Plannings ein. Darin werden jedes Quartal die Aktivitäten der Teams priorisiert und mit den verfügbaren Kapazitäten abgeglichen. Es kommen etwa 400 Menschen zusammen, darunter unter anderem die Product Owner, Mitglieder des Managements und interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie diskutieren bis zu 2.000 Aufgabeneinheiten ("Epics").

"Wir legen fest, was gemacht wird und was nicht. Das hört sich vielleicht nach Detailarbeit an, aber es ist ein transparenter Prozess, der viel Unruhe aus der Organisation nimmt," sagt Lemke. Die Teilnehmenden würden sich gemeinschaftlich auf die Inhalte für die nächsten drei Monate einigen. Die dafür zugesagten Kapazitäten und das Commitment aller Beteiligten führe zu produktiverem Arbeiten in den Squads und Projekten.

Dadurch hat sich laut dem CIO das Verhältnis von geplanten zu tatsächlich im Quartal gelieferten Aktivitäten - Lemke spricht von der Say-Do-Ratio - von 70 auf über 93 Prozent erhöht. "Die Squads funktionieren schon allein sehr gut, aber die Tribes schaffen noch mehr Fokus auf Kunden, Vertriebspartnerinnen und -partner sowie Verbindlichkeit in der Lieferung," resümiert der CIO.

Mobile Moment mit der My-AXA-App

"Mitte 2021 hatte die AXA Versicherung ihren 'Mobile Moment': Von diesem Zeitpunkt an fand mehr als die Hälfte unserer Kundenkontakte über mobile Endgeräte statt", berichtet Lemke. Dazu beigetragen habe die My-AXA-App eines der Leuchtturmprojekte der neuen agilen Organisation.

Die App wird von einem kleinen crossfunktionalen Team entwickelt und betreut. Das Squad arbeitet nahe an den Kundenbedürfnissen: Jede Anfrage und jeder Kommentar aus den Appstores findet den Weg in die Backlogs. "Rund 40 Prozent unserer Kunden nutzen die App regelmäßig, und der Anteil aller Touchpoints über Mobilgeräte ist seitdem auf 65 Prozent gestiegen", sagt Lemke.

Das Projektteam besteht aus nur zehn Mitarbeitern. "Dass ein so kleines Team einen so sichtbaren Impact leisten kann, liegt auch an der geleisteten Vorarbeit. Ohne die Investitionen in Backend-Systeme, wiederverwendbare Schnittstellen und ohne unsere agile Aufstellung könnten wir so einen Service nicht anbieten," ist sich der IT-Chef sicher.