Seine Visitenkarte veranschaulicht, warum Frank Nittka beim Wettbewerb "CIO des Jahres" schon zum dritten Mal unter die zehn besten Mittelstands-CIOs im deutschsprachigen Raum gewählt wurde. Dort steht unter dem Namen der Titel "Group Director IT & Process Consulting - Shared Service Center IT". Das klingt so gar nicht nach Mittelstand, zu dem Nittkas Arbeitgeber, der Filterhersteller Brita, mit rund 1000 Mitarbeitern zweifelsohne zählt.
Maßgeblich für die aktuelle Preisvergabe war sicher der Aufbau der Shared-Service-Organisation in der IT. Zunächst fragt man sich, wozu ein mittelständisches Unternehmen so etwas braucht. Aber bei genauem Hinsehen ergibt es durchaus einen Sinn.
Das Shared Service Center IT (SSC IT) läuft quasi quer zur Unternehmensstrategie der Brita Gruppe, die seit 2011 auf Divisionalisierung abzielt. Aber einen IT-Bereich mit knapp 30 Mitarbeitern auf mehrere Divisionen aufzuteilen ergäbe wohl wenig Sinn. "Wir wären gar nicht mehr arbeitsfähig", bestätigt Nittka.
Außerdem lassen sich in der IT durchaus Synergien aus einer zentralen Struktur gewinnen, beispielsweise wenn es um Infrastrukturen, Anwendungslizenzen oder Informationssicherheit geht. Wie der CIO nicht ohne Stolz berichtet, betreibt Brita weltweit eine SAP-Instanz.
Aus diesen Gründen entschied das Unternehmen, die IT weiterhin als Zentralbereich bestehen zu lassen. Das entband Nittka und sein Team aber keineswegs von der Aufgabe, sich zu verändern. Vor allem in drei Punkten waren sie mehr denn je gefordert.
1. Strikte Orientierung an den Kunden
Das wichtigste Ziel der neuen Organisation ist die interne Kundenorientierung. "Wir müssen uns positionieren wie ein externer Dienstleister", erläutert Nittka. So stimme sich das IT-Team in den zweimal pro Jahr anberaumten Service-Meetings mit seinen Kunden ab, sammle Feedback und versuche, die Anforderungen der Klientel zu sortieren und zu kanalisieren.
Hier kommt die zweite Zuständigkeit des Brita-CIOs ins Spiel: die Prozessberatung. Schon 2005 wurde aus der IT heraus in den Fachbereichen ein kleines Team von Business-Prozess-Experten (BPX) installiert. Sie stehen als interne Berater zur Verfügung, wenn ein Fachbereich neue Projekte oder Prozessveränderungen plant. "Es gibt keine Pflicht, einen BPX einzubinden", betont Nittka, "aber das Angebot wird immer häufiger angenommen."
Die BPX sind organisatorisch an den Hauptprozessketten angesiedelt, aber disziplinarisch dem CIO unterstellt. "Das ist insofern sinnvoll, als ein BPX ja auch kritische Fragen stellen muss und der Blick von außen oft neue Möglichkeiten eröffnet", sagt Nittka. Außerdem mache es die gemeinsame Zugehörigkeit zum IT-Bereich leichter, einheitliche Methoden zu erarbeiten und sich untereinander auszutauschen.
Verantwortlich ist jeder dieser Experten für einen Hauptprozess, wie er sich im ERP-System darstellt: Order to Cash (Vertrieb), Supply Chain (Logistik), Plan to Produce (Produktion und Qualitäts-Management) sowie Finance / Controlling / Human Resources. Parallel dazu ist die Prozesseignerschaft auf der Business-Seite organisiert: Für jede Prozesskette gibt es genau einen Owner.
2. Hundertprozentige Leistungsverrechnung
Die zweite Änderung, die das SSC IT vom früheren IT-Bereich unterscheidet, betrifft das IT-Budget. Wie Nittka ausführt, soll es zu 100 Prozent auf die Business-Bereiche umgelegt werden - zumindest theoretisch. Infrastrukturelle Services werden nach dem Verursacherprinzip intern verrechnet. Dazu hat die IT hat einen Katalog mit etwa 20 Services erstellt, die ein Preisschild tragen. So können die internen Kunden genau erkennen, was eine Dienstleistung sie kosten wird, und entscheiden, ob sie ihnen das wert ist. "Das war für die Geschäftsleitung wichtig", so Nittka: "Die Kunden gehen jetzt bewusster mit der Ressource IT um."
Bei Projekten sorgt die neue Organisationsform bisweilen für Diskussionsstoff. Nämlich dann, wenn Kundenanforderungen im Widerspruch zu IT-Standards stehen. Hier gilt es, Interessen abzuwägen und gemeinsam nach Lösungsalternativen zu suchen. "Schließlich haben wir auch ausdrücklich den Auftrag, Wildwuchs zu verhindern", erläutert Nittka.
Seit das Shared Service Center Anfang 2012 in Betrieb genommen wurde, hat sich die Zahl der Projekte merklich verringert. Kostentransparenz und projektbezogene Verrechnung erleichterten die Entscheidung für oder gegen ein Projekt, unterstützten die korrekte Priorisierung und verringerten letztendlich den Einführungsaufwand, freut sich der IT-Chef. Dabei habe sicher eine weitere Neuerung geholfen: Beratungsleistungen der BPX würden seit Anfang des Jahres nicht mehr einzeln verrechnet, sondern über Gemeinkosten abgebildet: "Damit steigt die Motivation, BPX einzubinden, zusätzlich."
3. Variable Kosten mit Hilfe externer Services
Das Shared Service Center soll auch den Anteil der variablen IT-Kosten erhöhen "Früher hatten wir einen recht hohen Fixkostenblock", erinnert sich Nittka, "den wir nun nach und nach in variable Kosten umwandeln." In diesem Zusammenhang denke er immer häufiger über externe Dienstleistungsangebote nach. Cloud-Services würden es ihm ermöglichen, Services flexibel zu bestellen, nach Verbrauch zu bezahlen und sauber wieder abzustoßen: "Bestellt ist immer schnell", sagt der CIO, "viel schwieriger ist es, sicherzustellen, dass ein Service, den ich nicht mehr brauche, auch von der Kostenliste verschwindet."
Um diese Vorgaben zu erfüllen, musste die IT auch ihre internen Prozesse auf den Prüfstand stellen - mit teilweise erheblichem Aufwand, wie Nittka einräumt. Der IT-Bereich müsse sich quasi selbst wie ein Cloud-Provider aufstellen. Aber auch das Business war gefordert: "Die Geschäftsbereiche müssen mehr planen und sich intensiv mit den Kosten auseinandersetzen", geht Nittka ins Detail. Doch mittlerweile sei das Prinzip gut verstanden, die Fachbereiche hätten sich mit den neuen Begriffen angefreundet, und die Möglichkeiten würden immer stärker genutzt. (Computerwoche)