Change-Management

Die IT-Strategie von Zumtobel

24.09.2009 von Alexander Freimark
Im Lichtkonzern Zumtobel wurden drei IT-Abteilungen zusammengeführt. In diesem Zusammenhang mussten die Prozesse vereinheitlicht und die Abläufe verschlankt werden. CIO Hans-Achim Quitmann nutzte "Lean"-Methoden zur Effizienzsteigerung und verbesserte die Beziehung zum Business.
Licht von Zumtobel: leuchtender Schacht im Steiff Museum in Giengen an der Brenz.

Sie heißen Six Sigma, Lean-Management, TQM, Kaizen und Poka Yoke – Methoden aus dem Fernen Osten, mit denen die Effizienz der industriellen Produktion steigen soll. Die Prozesse schlanker und schneller, die Produkte billiger und besser, die Kunden zufriedener und zahlungsbereiter: Japans Fabriken galten lange Zeit als Blaupause für wirtschaftliches Handeln. Zwar ist auch hier nicht alles Gold, was glänzt, doch die verschiedenen Ansätze lassen sich inzwischen nicht mehr aus den Fertigungsstätten europäischer Firmen wegdenken.

"Gratis ist Lean-Management nicht zu haben. Aber es zahlt sich langfristig aus, weil die Organisation anschließend sauberer läuft sagt Hans-Achim Quitmann, CIO bei der Zumtobel AG.
Foto: Zumtobel

Auch der österreichische Lichtkonzern Zumtobel AG vertraut in seiner Produktion auf die Methode Lean Six Sigma, eine Kombination aus Qualitätssicherung und Prozessverbesserung. Während Six Sigma produktionsnah ist und kaum Anwendungsmöglichkeiten für IT-Organisationen aufweist, dreht sich das Lean-Management um schlanke Prozesse, also die Wertschöpfung ohne Verschwendung. Hier wird die Sache interessant für die IT, denn viele Ansätze daraus lassen sich übertragen und verwenden, um die Effizienz auch von Verwaltungsprozessen zu steigern. „Die Grundlagen sind bekannt und keine Geheimwissenschaft“, sagt Hans-Achim Quitmann, CIO von Zumtobel. "Man muss es nur machen."

Auch Quitmann musste etwas machen, nämlich die IT-Kosten senken und die Leistung verbessern. Auslöser für den Wandel war die Zusammenlegung von ursprünglich drei IT-Abteilungen in einer Einheit, genannt Corporate IT (CIT). Der Manager baute die divisional organisierte Zumtobel-IT in eine funktionale Struktur um, also mit Teams für Vertrieb, Produktion, Logistik und Finanzen.

Sein Dilemma: Die ehemaligen IT-Gruppen haben unterschiedlich gearbeitet, mit den Kunden kommuniziert, Prozesse gestaltet, Abläufe organisiert und Genehmigungen erteilt. Quitmann sah, dass die Integration nur gelingen wird, wenn die Kollegen nicht aneinander vorbeireden, Missverständnisse vermieden werden und der Abstimmungsaufwand nicht aus dem Ruder läuft. Hinzu kam der äußere Druck, die Effizienz der IT zu steigern, was heutzutage indes auf jeden CIO zutrifft. "So wurde ich hier zum Piloten für Lean-Methoden im Verwaltungsbereich", erinnert sich der IT-Verantwortliche.

Alle IT-Prozesse aufgebrochen

Über das Unternehmen Zumtobel.

Mithilfe eines Lean-Beraters aus dem Verwaltungsumfeld wurden die Mitarbeiter für den Umbau sensibilisiert, bevor es an die Vermessung der bisherigen IT-Arbeit und ihrer Prozesse ging: Was arbeitest du, was brauchst du an Input, was ist dein Output und in welchem Rahmen bist du tätig? "Beim Abgleich der Antworten konnte man sofort die unterschiedlichen Interpretationen, Herangehensweisen und Abläufe erkennen", sagt Quitmann. Das schuf Transparenz für alle Beteiligten, und die war nötig für den Erfolg des Zumtobel-Projekts "Excellerate". Schließlich lautete das Credo: "Die IT muss nach innen gleich arbeiten und nach außen gleich auftreten."

Zuerst konzentrierte sich der IT-Manager auf die Verschlankung der Support-Prozesse, anschließend auf das Projekt-Management und die Governance. Sämtliche IT-Abläufe wurden aufgebrochen und standardisiert, die gesamte Kommunikation vereinheitlicht und ein übergreifender Rahmen für die IT definiert. Quitmann und sein Team entwickelten mehrere Unterprojekte, beispielsweise für die IT-Strategie (Prioritäten), die Leistungsmessung (Performance) und für Standards (Projekt und Support). Bei der strategischen Komponente ging es vorrangig um die Angleichung von Business und IT, um das Verständnis für die geschäftlichen Ziele und um Aktionen, mit denen die IT ihren Wertbeitrag steigern kann. Leistungskennzahlen (KPIs) wurden überarbeitet und in monatlichen Reports kommuniziert. Neben der Verfügbarkeit und der Geschwindigkeit misst die Zumtobel-IT unter anderem die Dauer der Projekte ebenso wie die Einhaltung der finanziellen Vorgaben.

IT-Prozesse | Lean Six Sigma

Lean Six Sigma ist eine Kombination aus Lean-Management und Six Sigma. Mit dem Ansatz sollen Produktivität, Kosteneffizienz und Kundenzufriedenheit gesteigert werden. Bei Six Sigma handelt es sich um eine Methodik, die dazu dient, Prozesse systematisch zu analysieren, anzugleichen und zu verbessern. Ziel ist, die Abweichung der Ergebnisse/Produkte vom Optimum auf sechs Sigma (3,4 von einer Million Teilen) zu verringern.

Genutzt wird in der Regel der DMAIC-Ansatz (Define, Measure, Analyse, Improve, Control). Lean-Management schließlich ist ein Organisationskonzept, mit dem Verschwendungen jeglicher Art reduziert und vermieden werden sollen. Lean zielt auf schlankere Prozesse, geringere Komplexität und Konzentration auf wertschöpfende Arbeiten ab. Im Zentrum des Lean-Management steht die Kundenorientierung. Essentiell für den Erfolg von Lean sind das Engagement der Mitarbeiter und ihre Bereitschaft, sich auf die Veränderungen einzulassen.

Das Projekt- und Ressourcen-Management wurde systematisiert, Anfragen wurden je nach Aufwand in Requests, kleine und große Projekte eingeteilt. Die organisatorischen Abläufe orientieren sich dank der Lean-Methode am Wertbeitrag für den Kunden und nicht an den Vorlieben der IT. Ansinnen ohne über-zeugenden Business Case und Bezug zur Strategie werden zurückgewiesen. Statt wie bisher lediglich die Anforderungen der Fachbereiche abzuarbeiten, kann die IT nun "auf die Governance-Rolle verweisen und bei Requests mitdiskutieren", so Quitmann. Das helfe, um im Projektportfolio Prioritäten zu setzen und die Verhandlungen mit dem Business fokussierter führen zu können.

Anfangs sei er bisweilen auf Skepsis unter den Mitarbeitern gestoßen, sagt Quitmann: "Wieder eine Beraterveranstaltung, die irgendwann vorbeigeht." Nur ist Lean kein Big Bang zum Stichtag, sondern ein permanenter Veränderungsprozess, der von den Mitarbeitern getrieben werden soll. Schritt für Schritt die Abläufe immer wieder zu verbessern erfordert ein Umdenken von allen Beteiligten. Finanzielle Anreize gab es nicht, doch "jeder hat den äußeren Druck gespürt und verstanden, dass sich etwas ändern musste". Schließlich haben die Mitarbeiter eingesehen, dass es tatsächlich Verbesserungspotenzial gab und sich dieses ohne persönliche Einbußen heben ließ – sukzessive und mit selbst erarbeiteten Lösungen.

Nicht nur Quitmann sieht die Akzeptanz der Mitarbeiter als unerlässliche Bedingung eines erfolgreichen Change-Managements. Lean sei zusammen mit der Optimierung der Abläufe der "Treibriemen" gewesen, um die Mannschaft auf dem Weg mitzunehmen. Und der CIO musste stets demonstrieren, dass sich etwas bewegt: "Wenn Sie nur Papier produzieren, verlieren Sie Akzeptanz und Geschwindigkeit." Ergebnisse müssen sofort umgesetzt werden.

Dennoch lief das aufwendige Projekt deutlich länger, als ursprünglich geplant worden war. Das Tagesgeschäft machte der Nutzung interner Ressourcen öfter einen Strich durch die Rechnung. Gratis ist Lean-Management nicht zu haben“, resümiert Quitmann. "Aber es zahlt sich langfristig aus, weil die Organisation anschließend sauberer läuft."

Die Ernte fahren andere ein

Unterstützung aus dem Vorstand für das Vorhaben war vorhanden: „Ich musste das Thema nicht verkaufen, denn von der Begrifflichkeit und der Methode her waren die Prinzipien von Lean Six Sigma bekannt.“ Dass diese nun auch in der IT Anwendung fanden, sei begrüßt worden. Die Mitarbeiter verpflichteten sich zu einem Produktivitätszuwachs von fünf Prozent – pro Jahr. Oder sogar mehr, wenn der Veränderungsprozess stetig fortgeführt wird.

Erste Ergebnisse zeigen, dass die Ziele erreicht werden. "Von unseren Erfahrungen können nun auch andere Bereiche der Verwaltung profitieren", sagt Quitmann. Der IT-Manager selbst wird die Ernte bei Zumtobel nicht mehr einfahren, auch wenn er das Feld bestellt hat. Quitmann verlässt das Voralpenland in Richtung Norden, um Anfang Oktober die Position des CIOs beim Kupferhersteller Aurubis, der einstigen Norddeutschen Affinerie, in Hamburg anzutreten. Für ihn schließt sich der Kreis, denn vor dem Lichtkonzern Zumtobel war er für den Aluminiumproduzenten Norsk Hydro verantwortlich für die IT im Walzbereich