IT muss jetzt Erfolge liefern

Die IT-Trends 2019 von PwC Strategy&

07.01.2019 von Robert  Keil und Marcus Eul
Das Abtasten mit der Digitalisierung ist vorbei. Die IT muss jetzt messbare Ergebnisse liefern. Für CIOs bleibt es jedoch schwer, die Fülle von Trends zu überblicken und sie zu bewerten.
  • Blockchain in den meisten Branchen noch in einem frühen Stadium. Es wird es noch einige Jahre dauern, bis sie industrieübergreifend Fuß fassen kann.
  • Trotz des großen Hypes um Immersive Experience gibt es nach wie vor Skepsis bei Unternehmen, ob sie damit wirklich Werte schaffen können.
  • Auch wenn Plattformen wie Siemens MindSphere in größerem Maße angeboten werden und an Reife zunehmen, steht der breite Durchbruch von IoT-Plattformen noch aus.
Die Digitalisierung wird viele Industrien weiterhin tiefgreifend beeinflussen und verändern.
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In den vergangenen Jahren galt Digitalisierung als neuer Trend, der die Unternehmen vor große Herausforderungen und den Status Quo in vielen Industrien grundlegend in Frage stellte. Heute ist Digitalisierung kein Hype mehr, sondern in allen Unternehmen bekannt und von diesen mit mehr oder weniger Erfolg bereits adressiert worden. Viele Vorhersagen zur Digitalisierung zeigen, dass der zu erwartende Impact weiterhin außerordentlich hoch ist: Das World Economic Forum beispielsweise schätzt den von 2016 bis zum Jahr 2025 geschaffenen gesamtheitlichen Wert digitaler Transformation für Wirtschaft und Gesellschaft auf bis zu 100 Billionen US-Dollar.

Diese Entwicklung führte dazu, dass sich die grundlegende Wahrnehmung der IT verändert hat: Wo man in vielen Industrien traditionell als Kostentreiber gesehen wurde, ist die Erwartungshaltung an den CIO heute immer häufiger, dass er Innovationen vorantreibt und nicht mehr nur die gleichen Leistungen zu einem günstigeren Kostensatz zusichert. Dafür wird CIOs in der Regel auch ein höheres IT-Budget bereitgestellt, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Dieses soll nun dazu verwendet werden, neue digitale Produkte und Services zur Marktreife zu bringen.

Es lässt sich also sagen, dass die Digitalisierung nach einem anfänglichen Abtasten mit neuen Technologien und Arbeitsmethoden in eine neue Phase übergeht, in der erwartet wird, dass messbarere Ergebnisse erzeugt werden.

Dazu müssen Unternehmen insbesondere zwei Dinge tun:

Viele altbekannte IT-Trends bleiben relevant

Einen Überblick über neue IT-Trends zu behalten, ist eine Herausforderung für CIOs. Einige Themen wie beispielsweise Cloud-Computing oder IT-Security sind länger bekannt, wohingegen bei neueren und sehr technischen Themen wie der künstlichen Intelligenz oder Edge Computing noch zweifelhaft ist, inwiefern diese bereits reif für die breite Masse an Unternehmen sind und einen nachhaltigen Mehrwert liefern können. Ein Überblick der in den nächsten Jahren wesentlichsten Trends wird im Folgenden gegeben.

1. Künstliche Intelligenz

Das Ziel von künstlicher Intelligenz (KI) ist schon lange definiert. Jedoch wird erst mit zunehmender Reife der Technologie in den letzten Jahren vermehrt davon gesprochen, wie man KI in einer Breite an Unternehmen sinnvoll anwenden kann. Handfeste Erfolgsbeispiele solcher selbstlernenden Systeme sind allerdings rar gesät. Der zukünftige Erfolg des Trends wird zum einen von der weiteren technologischen Entwicklung abhängen (zum Beispiel beim maschinellen Lernen und Natural Language Processing), und zum anderen von den zur Verfügung stehenden Informationen, anhand derer das System lernen kann.

Des Weiteren ist die vermehrte Nutzung von Cloud-Computing ein Katalysator für KI, da Cloud-Computing-Anbieter entsprechende KI-Services entwickeln und in ihr Portfolio aufnehmen werden. Generell sollten CIOs diesen relevanten Trend weiter genau verfolgen und sich bereits Use Cases zurechtlegen, um dann den richtigen Zeitpunkt zu identifizieren, in dem die Technologie reif genug für eine Implementierung ist.

2. Blockchain

Blockchain ist eine Distributed-Ledger-Technologie zur sicheren Verwaltung von Datensätzen. Sie setzt darauf, dass Daten über ein Netzwerk verteilt werden und nicht von einer einzelnen Partei geändert werden können. Sie war auch im Jahr 2018 in aller Munde, insbesondere, weil im Winter die auf Blockchain basierenden Kryptowährungen ein Allzeithoch erfuhren.

Auch wenn die Goldgräberstimmung bei privaten Investoren mittlerweile merklich abgekühlt ist (der Bitcoin fiel von einem Kurs von ca. 17.000 US-Dollar im Januar 2018 auf ca. 6.000 US-Dollar im Oktober 2018), wird weiterhin intensiv darüber diskutiert, in welchen Industrien die Technologie Disruptionspotenzial hat. Dabei sind es insbesondere die Geschäftsmodelle von Intermediären (zum Beispiel Banken, Rechteverwertungsgesellschaften), die durch Blockchain bedroht werden können.

CIOs sollten sich zwei Fragen stellen:

Da die Blockchain in den meisten Branchen noch in einem frühen Stadium ist, wird es aber noch einige Jahre dauern, bis sie industrieübergreifend Fuß fassen kann.

3. Cloud-Computing

Cloud-Computing an sich ist kein neuer IT-Trend, sondern in vielen Unternehmen bereits etabliert. Die Vorteile liegen auf der Hand, da die IT-Services beliebig skaliert werden können und die Kunden nur per Nutzung zahlen müssen. Dadurch haben IT-Organisationen weniger Fixkosten und können besser "atmen".

In den nächsten Jahren wird sich die Nutzung von Cloud-Computing jedoch weiter verändern: Zum einen werden noch mehr Services aus der Cloud bezogen werden als heutzutage, und zum anderen wird es entscheidend für Unternehmen sein, verschiedene Archetypen zu verbinden: Denn Unternehmen und Cloud-Anbieter realisieren, dass es sinnvoll ist, Private Cloud, Public Cloud und Rechenzentrum zu kombinieren und damit optimal auf die Kundenbedürfnisse zuzuschneiden.

4. Digitaler Zwilling

Neue Technologien wie KI können in Verbindung mit räumlichen Strukturen dazu genutzt werden, einen digitalen Zwilling von Objekten zu erzeugen, der sowohl die Beschaffenheit als auch das Verhalten des Originals realitätsgetreu abbildet. Anhand von Echtzeit-Sensordaten des kopierten Objekts kann sich dieser Zwilling fortlaufend aktualisieren und dabei helfen, verschiedenste Abläufe am Computer zu simulieren.

In der Produktion kann ein Zwilling einer Produktionsmaschine beispielsweise dazu dienen, die Belastung der eingesetzten Materialien bei Temperaturschwankungen vorherzusagen. Dadurch sind weniger reale Testläufe notwendig und Kosten können gespart werden. Weitere Anwendungsfälle gibt es beispielsweise in der Medizin (Tests persönlich zugeschnittener Medikamente) oder in der Automobilindustrie (Simulation von Fahrverhalten).

Da dieser Trend ein Produkt aus verschiedenen anderen Technologie ist (zum Beispiel KI, aber auch Augmented und Virtual Reality), ist die Verbreitung vom fortschreitenden Reifegrad dieser Technologien abhängig. Auch wenn es aktuell viele Ideen gibt, wo digitale Zwillinge ihren Nutzen haben können, ist der Trend in einem frühen Stadium.

5. Edge Computing

Edge Computing bezeichnet die Verlagerung von Datenverarbeitung an den Rand eines Netzwerks und somit an den Ort, wo die Daten erzeugt werden. In einem Internet of Things-Netzwerk könnten das beispielsweise einzelne Produktionsmaschinen sein. Durch diese Verlagerung lässt sich die Performance solcher Netzwerke erhöhen, weil die bereits vorbereiteten Daten bei der Übertragung weniger Bandbreite benötigen. Außerdem erhöht sich die Sicherheit, weil weniger Daten zentral gespeichert und bearbeitet werden müssen.

Generell ist Edge Computing keine Abkehr vom Cloud-Computing, sondern eine Ergänzung. Nur die wirklich relevanten Daten kommen in die Cloud, die dann eine koordinierende und aggregierende Aufgabe übernimmt. Mit der Durchdringung des Internet of Things wird sich auch das Edge Computing weiter durchsetzen.

Insbesondere relevant ist der Trend für Unternehmen mit vielen physischen Gütern (beispielsweise Produktionsunternehmen, Logistikunternehmen, Energieerzeuger), die mit einer Recheneinheit erweitert werden können und so die individuelle Internet of Things-Lösung performanter machen.

6. Immersive Experience

Durch den Fortschritt mehrerer Technologien wie Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR), Gestensteuerung oder Mimikerkennung kann man dem Nutzer eine immer realistischere virtuelle Erfahrung bieten, welche die menschlichen Sinne intensiv einbezieht (insbesondere Hören, Sehen, Tasten). Diese Erfahrung wird mit dem Begriff "Immersive Experience" beschrieben und wurde in den letzten Jahren primär in der Unterhaltungsindustrie in Form von Videospielen und Filmen vorangetrieben.

Doch auch im Retail wird daran gearbeitet, dem Kunden die angebotenen Produkte in einer digitalen Erfahrung online zu präsentieren. Dadurch spart sich der Kunde den Weg in einen realen Shop, und der Retailer kann zukünftig die Kosten für ein teures Filialnetz senken, weil mehr Produkte online gekauft werden. Weitere Anwendungsfälle ergeben sich bei der Schulung von Mitarbeitern, virtuellen Meetings oder im technischen Außendienst.

Trotz des großen Hypes gibt es nach wie vor Skepsis bei Unternehmen, ob hier wirklich Wert geschaffen werden kann, oder ob der Trend nur eine technische Spielerei ist. Die weitere Durchdringung wird einerseits vom technischen Fortschritt der Technologien und andererseits von der Akzeptanz der Nutzer abhängen. Hierbei wird die Verwendung in der Unterhaltungsindustrie weiterhin ein wesentlicher Katalysator sein, da diese die Immersive Experience einer breiten Masse an Nutzern bekannt macht.

7. Internet of Things

Die Ausstattung physischer Objekte mit Sensor- und Kommunikationstechnologie sowie die Emission und Analyse der entsprechenden Daten wird als das Internet der Dinge beschrieben. Insbesondere Industrieunternehmen mit wichtigen Tätigkeiten in der Logistik und der Produktion erhoffen sich hiervon, Lieferketten transparenter zu steuern und die Produktion weiter automatisieren zu können. Auch wenn professionelle Plattformen wie Siemens MindSphere in größerem Maße angeboten werden und an Reife zunehmen, ist der breite Durchbruch dieses Trends noch ausstehend. Interessant ist, dass sich General Electric beispielsweise vom Geschäft mit ihrer Plattform "Predix" trennen möchte.

Wichtige Voraussetzung bei der Adaption der Technologie wird es sein, über entsprechende Partnerschaften mit Software- und Hardwareherstellern sowie mit anderen Unternehmen entlang der Supply Chain zu verfügen. Diese Partnerschaften können Unternehmen parallel vorantreiben, auch wenn die technische Implementierung noch nicht direkt vorgenommen wird.

8. IT Security and Data Privacy

Im Rahmen der Digitalisierung werden Unternehmen zunehmend datengetriebener. Dies macht sie attraktiver für Angriffe von außen, so dass dem Thema IT-Sicherheit in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung zukam. Laut Gartner glauben 95 Prozent der CIOs, dass Sicherheitsbedrohungen auch in den nächsten Jahren weiter zunehmen werden. Die Datenschutz-Grundverordnung der EU, die seit Mai 2018 anzuwenden ist, haben noch nicht alle Unternehmen ausreichend umgesetzt. Sie ist daher ein zusätzlicher Motivator, dass Unternehmen in IT-Sicherheit und Datenschutz investieren.

Deswegen werden in Zukunft neue Sicherheitskonzepte wie Security Automation oder Ethical Hacking weiter diskutiert werden. Dabei ist für Unternehmen wichtig zu verstehen, dass nicht die IT-Organisation alleine eine ausreichende Sicherheit gewährleisten kann, sondern dass das gesamte Unternehmen mit all seinen Mitarbeitern hier in die Pflicht genommen werden muss.

CIOs müssen ein Scouting der Trends betreiben

Unternehmen besitzen einen unterschiedlichen Reifegrad auf dem Weg der Digitalisierung. Einige konnten bereits erste Maßnahmen umsetzen (beispielsweise digitale Organisationseinheiten, agile Arbeitsmethoden, Entwicklung neuer Produkte und Services), während andere sich noch in einem Anfangsstadium befinden. Dabei sind allgemein junge, kleine und technologiegetriebene Unternehmen weiter fortgeschritten als traditionelle, große aus technologiefernen Branchen.

Für die noch am Anfang der Reise stehenden Unternehmen ist es wichtig, eine klare Agenda zu formulieren. Hierbei sollte insbesondere die Geschäftsführung involviert sein. Der CIO ist in diesem Prozess wesentlicher Kontributor und muss ein Scouting der aktuellen Trends betreiben. Er liefert eine Analyse zu diesen Trends und diskutiert mit der Geschäftsführung und den Fachbereichen, welcher Nutzen für das Geschäft besteht (mit quantitativem Business Case), und auf welche Trends man sich fokussieren möchte. Hieraus leitet sich eine Strategie ab, die auch den Impact auf die Unternehmensorganisation beschreibt.

Digitalen Vorsprung verteidigen und ausweiten

CIOs, die eine solche Strategie bereits haben und damit erste Erfolge erzielen konnten, dürfen sich keinesfalls hierauf ausruhen, sondern müssen Ihren digitalen Vorsprung verteidigen oder sogar ausweiten. Sie müssen ein ständiges Auge auf technische Neuerung haben, damit sie auch in Zukunft innovativ sind. Dabei kann eine Stabsstellen-Funktion (auch möglich in Form einer eigenen Digitaleinheit) unterstützen, deren Hauptaufgabe es ist, ebensolche Innovationen zu beobachten und zu bewerten. Gleichzeitig sollten bereits bestehende digitale Aktivitäten fortgeführt und hochskaliert werden.

Wenn der CIO diese Aktivitäten nicht durchführt, gibt es zwei mögliche Resultate:

So oder so, die Digitalisierung wird viele Industrien weiterhin tiefgreifend beeinflussen und verändern. Welche IT-Trends dabei nachhaltig genutzt werden können und welche nicht, wird sich erst in der Zukunft zeigen.