Der IT-Markt kommt im Handel wieder in Bewegung! Es scheint, als sei die Krise überwunden oder zumindest das Schlimmste ausgestanden. Im Handel klingeln wieder die Kassen. Dass sich ein Investitionsstau gebildet hat, zeigte sich auch auf den diesjährigen Technologietagen des europäischen Handelsinstituts in Köln. In einer Blitzumfrage rechnete die Mehrheit des mit rund 400 hochkarätigen Entscheidern besetzten Publikums mit steigenden IT-Investitionen. Insgesamt erwarten 75 Prozent steigende Ausgaben für IT, 21,6 Prozent rechnen mit gleichbleibenden und nur 3,4 Prozent mit fallenden Ausgaben. Deutlich wurde vor allem, mit welchen Trends sich die Branche derzeit beschäftigt.
Der Point of Sale steht im Zentrum des aktuellen Innovationszyklus. Dieser ist primär getrieben von drei Faktoren: Kosteneinsparung, erweiterter Kundenservice und die Integration von Business Intelligence sowie Compliance-Themen. Die ersten Feldversuche mit Self-Checkout-Kassen verschiedener Lebensmittelhändler haben gezeigt, dass diese gut angenommen werden, aber nicht für alle Kunden geeignet sind. Auch in Zukunft wird man Kassenpersonal in den Märkten sehen.
Um dieses besser zu schützen und ihm mehr Freiheit für die Kundenberatung zu ermöglichen, ist das Thema Cash-Management derzeit auf der Agenda vieler Entscheider. Dahinter verbirgt sich die Trennung der Kassenkraft vom Bezahlprozess. Der heute bereits bekannte Münzgeldrückgabeautomat wird ergänzt um das Zählen und die Rückgabe von Geldscheinen. Auch das sogenannte Cash-Recycling soll automatisierter ablaufen. Kleine Safes in den Kassen ersparen den manuellen Kassensturz und können nach der Abrechnung direkt an den Sicherheitstransport übergeben werden.
Neue Angebote für den Kunden
Daneben werden im Handel verstärkt neue Funktionen getestet und auf eine breite Einführung vorbereitet. Insbesondere ist hier das Cash-Back zu nennen, sprich die Möglichkeit Bargeld vom Konto direkt an der Kasse zu erhalten. In anderen Ländern, etwa in Großbritannien, ist dies bereits heute Alltag. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dies neben Rewe und Penny auch weitere Einzelhändler flächendeckend in Deutschland einführen.
Ein weiterer wichtiger Trend ist die Weiterverarbeitung und die Auswertbarkeit von Kassendaten. Anstatt wie bisher nur der Tagesabrechnung zu dienen, werden Kassen zukünftig Teil eines integrierten Systems. Ziel ist es, dadurch dem Informationsbedarf mehrerer Adressaten gleichzeitig gerecht werden zu können. Neben dem Tagesgeschäft soll es zukünftig einfacher werden, strategische Auswertungen und Reports direkt über zentrale Kassensysteme zu erhalten. Diese stehen dann noch schneller für die Planung zur Verfügung. Auch unternehmensexterne Adressaten wie der Betriebsprüfer werden eine Möglichkeit des direkten Zugriffs auf diese Daten bekommen (GDPDU).
Bei Einführung einer solchen Lösung sind Themen wie Datenschutz und Zugriffsverwaltung elementar. Es muss sichergestellt sein, dass nur adressatengerechte Informationen in der richtigen Ausprägung und Qualität vorhanden sind. Sicherheitslücken in solch einer integrierten Lösung stellen ein erhebliches Unternehmensrisiko dar.
Branchenriesen unter Zugzwang
Uneinigkeit herrscht in der Branche derzeit zum Thema Multichannel. Getrieben von der rasanten Entwicklung der vernetzten Haushalte und der schnellen Verbreitung leistungsstarker Smartphones geraten die Branchenriesen unter Zugzwang. Die Kunden erwarten Möglichkeiten zum mobilen Shopping, sei es über mobile Endgeräte von unterwegs oder die Bestellung des Online-Lieferservices von zuhause. Innovative Lösungen - wie den mobilen Barcodescanner und Anwendungen für Mobiltelefone - bestehen bereits, doch ist man hierzulande von einer flächendeckenden Nutzung weit entfernt. Auch hier sind die Briten Vorreiter. Lebensmitteleinzelhändler wie Tesco erleben rasante Zuwächse in ihrem Onlinegeschäft. Deutschland wird auch hier folgen, wenn aus ersten Feldversuchen - wie dem Drive-In-Markt von Real - breit verfügbare Angebote werden.
Für die IT im Handel ist jedoch klar: Sie wird weiterhin stark gefragt sein, um den Themen der Kostenreduzierung bei gleichzeitiger Entwicklung von Innovationen und der Einhaltung von Compliance-Anforderungen gerecht zu werden.
Heinrich Kleine ist Senior Berater bei KPMG Advisory mit dem Schwerpunkt Consumer Goods & Retail. E-Mail-Kontakt hkleine(at)kpmg(dot)com