CIO: Welche Bedeutung hat Prozess-Benchmarking für die IT?
Kai Mertins: Meistens beschreiben Unternehmen ihre IT-Prozesse nicht; deshalb bleiben die Abläufe oft undurchsichtig. Kennzahlen wie die Antwortzeiten der Systeme oder Service-Level-Grade klären nur, um wie viel besser oder schlechter als der Branchendurchschnitt ein Unternehmen ist. Besser wäre es, seine eigenen Prozesse mit den Abläufen in branchenfremden Unternehmen zu vergleichen, die ähnliche Prozesse betreiben.
Branchenübergreifende Vergleiche sind allerdings die hohe Schule des Benchmarkings ...
... aber sie sind der einzig sinnvolle; denn nur sie führen zu Quantensprüngen bei der Optimierung von Prozessen und so am Ende zu Einsparungen und Rationalisierungen.
Was macht den Blick über den Tellerrand so wichtig?
Innerhalb einer Branche erfahren Sie nichts über die Feinheiten in den Prozessen. Die Wettbewerber werden sich hüten, zu viel Trans-parenz zu schaffen und Vorsprünge in Benchmarks publik zu machen.
Welche Benchmarks sind teurer?
Benchmarking ist ein kontinuierlicher Prozess; daher lässt sich kein Festpreis angeben. Meist werden Teilprozesse miteinander verglichen: das Beschwerdemanagement, die PR-Abteilung oder das Qualitäts-management. Diese Geschäftsprozesse zu vergleichen erfordert unterschiedlich hohen Aufwand. Ein Kennzahlen-Benchmarking kostet normalerweise zwischen 2000 und 4000 Euro und erfasst das gesamte Unternehmen. Man vergleicht sich gegenüber dem Branchendurchschnitt und spiegelt sich gegen eine Datenbank. Die umfasst bei uns etwa 6000 kleine und mittelständische Unternehmen samt ihrer IT-Kennzahlen. Mindestens 10000 Euro kostet dagegen ein Prozess-Benchmarking, das allerdings nur Teilprozesse betrachtet.
In welchen Bereichen wird das Benchmarking in Zukunft zulegen?
Großkonzerne, deren IT-Abteilungen in den letzten zehn Jahren immens gewachsen sind, stellen fest, dass es dort ein großes Optimierungspotenzial gibt. Da dort viel investiert wurde und sich hohe Budgets an-gehäuft haben, müssen sie die Ausgaben nun herunterfahren. Und sie optimieren auch die IT-Abteilung.
Wie muss ein IT-Chef gegenüber dem Vorstand argumentieren, um ihn vom Benchmarking zu überzeugen?
Mit eigenen Best Practices. Es gibt immer Teilprozesse, in denen ein Unternehmen das beste ist. Deshalb finden Partner zusammen und tauschen sich aus. Jeder lernt in Teilprozessen vom Besten. Zudem legen Unternehmen ihre Betriebsblindheit ab, finden ihre Schwächen heraus. Im Vergleich mit drei Partnern gibt es auch drei Lösungsmöglichkeiten.
Und was tut man gegen verstaubte Benchmarking-Reports?
Die interne Analyse macht fast 50 Prozent des gesamten Aufwands in einem Benchmarking-Projekt aus. Schon die Beurteilung des eigenen Produktions-, Herstellungs- oder Informationsmanagement-Prozesses ist ein Lernvorgang. Dadurch entsteht Transparenz über das eigene Unternehmen und auch ein neuer Wissensstand. Das sind "Quick Wins" für ein Unternehmen, deren Wert gar nicht zu beziffern ist. Und Sie haben den Vergleich zu den Best-in-Class-Firmen. Ob eine Studie dann im Schrank verschwindet, ist daher schon fast egal.
Kai Mertins Zur Person
- Direktor Unternehmensmanagement am Berliner Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik, Leiter Informationszentrum Benchmarking (IZB)
- gelernter Elektrotechnik- und Wirtschaftsingenieur und seit mehr als 20 Jahren in leitender Funktion bei Fraunhofer
- gründete mit dem IZB vor acht Jahren das erste deutsche Benchmarking-Zentrum