Wenn nach der Landung die Triebwerke abgestellt sind, produzieren Jets keinen eigenen Strom mehr. Bodenstromgeräte liefern dann die Energie für Reinigung, Wartung und andere Arbeiten. 25 dieser auf Lkws oder Anhängern montierten Generatoren setzte Joachim Reich bis vor kurzem ein; jetzt kommt er mit 15 aus. Reich ist Geschäftsführer der Groundstars GmbH, die sich als 100-prozentige Tochter des Hamburger Flughafens um das "Ground Handling" auf dem Flughafen Fuhlsbüttel kümmert: Sie stellt Fluggasttreppen, Gepäckbänder und Flugzeugschlepper zur Verfügung und rechnet deren Nutzung anschließend mit den Fluglinien ab.
Der Kostendruck ist groß, weil die Airlines wegen der Krise in der Luftfahrt konsequent sparen. Außerdemhaben die Flughafen-Dienstleister seit drei Jahren Konkurrenz auf dem eigenen Rollfeld: In Hamburg agiert neben Groundstars auch Wettbewerber Checkpoint B.
Bis vor kurzem standen in Hamburg die Bodenstromgeräte oft viel länger neben einem Jet, als sie tatsächlich Energie lieferten. Dass der Groundstars-Chef nun zehn von ihnen abschaffen konnte, ohne den Service einzuschränken, verdankt er einem Pilotprojekt, das vor Weihnachten 2002 startete und im September 2003 produktiv geschaltet wurde. Seitdem kann Reich exakt feststellen, wie lange die Stromerzeuger an jedem Einsatzort gebraucht werden, wann sie arbeiten und wann sie ungenutzt herumstehen. Bisher las vor und nach jedem Einsatz ein Mitarbeiter manuell die Betriebsstundenuhr ab, wobei nur die Laufzeit des Motors erfasst wurde. Jetzt ist stattdessen in jeden Stromerzeuger ein "Infoman" eingebaut. Das kleine Kästchen erfasst Betriebszustände, speichert sie und überträgt sie an einen Server in den Betriebsräumen des Ground Handlers.
Schnittstellen für SAP und andere Systeme
Entwickelt wurde die Lösung von dem Unternehmen Proveo aus Crailsheim. Die Schwaben installierten auf dem Groundstars-Server ihre Software "wwt.system/aviation" (web-based watch-and-talk.system/aviation), die sämtliche Daten der angeschlossenen Vorfeldgeräte auswertet. Von dort können die Informationen über Schnittstellen von so ziemlich sämtlichen gewünschtenSystemen - zum Beispiel SAP - abgerufen werden. In Hamburg fließen die Daten in ein flughafenspezifisches Abrechnungssystem.
Auch beim Transfer der Informationen vom Infoman zum Server ist das System flexibel. Groundstars nutzt das WLAN-Netz von HAM - für den Proveo-Geschäftsführer Steffen Knödler nicht zwangsläufig die beste Lösung: "Bei Wireless LANs gibt es oft Funkschatten, die die Übertragung behindern; deshalb werden im Infoman die Daten zwischengespeichert", erläutert der Projekt-Dienstleister. Der Infoman verfüge außerdem über ein GPRS-Modul. Dieser Kanal sei sicherer und oft auch billiger: "Der Kunde bezahlt nur für die Datenpakete, die übertragen werden." Diese Pakete, die nur Veränderungsdaten enthielten, seien daher klein und billig. Versprechen hoher Effizienz.
Joachim Reich von Groundstars in Hamburg brauchte sich nur einen Monat lang die Zahlen anzusehen, um zu wissen, dass er zehn Bodenstromgeräte zu viel hatte. Die Konsequenzen aus den Auswertungen dürften daher in den kommenden Jahren die Arbeit von Deutschlands Airport-Dienstleistern verändern. Über die Kosten des Pilotprojekts schweigen sich Anbieter und Kunde aus. Proveo schätzt das Einsparpotenzial jedoch auf etwa drei Millionen Euro in den ersten zwei Jahren. Und Fuhlsbüttel (Kürzel: HAM) ist mit gut 150 000 Flugbewegungen und knapp neun Millionen Passagieren (2002) nur der fünftgrößte der 16 Verkehrsflughäfen in Deutschland. Große Airports, etwa Frankfurt und München, könnten mit optimiertem Ground Handling binnen drei Jahren rund zehn Millionen Euro sparen, meint der Proveo-Chef. Noch 2003 solle in Frankfurt die zweite Plattform an den Start gehen; die nächsten Kandidaten seien Berlin, Köln und Stuttgart. Darüber hinaus, so Knödler, sei man mit fastallen deutschen und einigen internationalen Flughäfen im Gespräch.
Proveo arbeitet bei der Vermarktung des Systems mit zwei Lufthansa-Gesellschaften zusammen: Die Ground-Handling-Tochter Leos baut die Sende- und Rechenmodule in die Vorfeld-Geräte ein, und Lufthansa-Systems verwaltet in seinem Rechenzentrum in Kelsterbach die Daten aus den Vorfeld-Geräten. Das Gesamtsystem kann so auch als ASP-Lösung zur Miete angeboten werden - interessant etwa, wenn nur Teilprozesse mittels Proveo-Lösung optimiert werden sollen. Für Reich kommt das nicht in Frage; Groundstars will auf Dauer sämtliche 140 motorgetriebenen Geräte damit steuern.
Technisch leicht möglich, aber arbeitsrechtlich offenbar kritisch ist die Verwendung von GPS-Sendern in den Hardwaremodulen zur exakten Standortbestimmung der Bodengeräte. Interessant ist das vor allem bei "nicht fahrerbezogenen" Geräten, etwa Fahrgasttreppen und Förderbändern. "Auf großen Flughäfen verbringen die Mitarbeiter der Ground Handler viel Zeit damit, diese Dinge zu suchen", verrät Knödler. "Jeder stellt sie nach Gebrauch irgendwo ab; niemand weiß, was wo steht." Das Problem im Nutzenpotenzial: Es wird transparent, wo sich welcher Mitarbeiter wann aufgehalten hat. Personalräte und Gewerkschaften kriegen dabei Bauchschmerzen, wie Groundstars-Chef Reich feststellenmusste; deshalb verzichtet er in Hamburg zunächst auf die Satellitentechnik.
Zufrieden ist er mit dem System dennoch - auch weil ungenaue Messungen von den Airlines bislang oft als Argument genutzt wurden, Rechnungen zu beanstanden. Künftig sollen die Fluggesellschaften Strom mittels Chipkarten selbsttätig abfordern. Reichs Erwartung: "Unsere Verwaltungskosten durch Reklamationen werden um 99 Prozent sinken."
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