71 Prozent der Unternehmen, Behörden, Verbände und sonstigen Organisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz kommunizieren mittlerweile via Social Media. Das zeigt eine aktuelle Erhebung der Universität Leipzig, der Fink & Fuchs Public Relations AG und des Magazins Pressesprecher. Befragt wurden im Mai und Juni knapp 600 Kommunikationsverantwortliche. Gegenüber dem Vorjahreswert von 54 Prozent ist ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Allerdings wurde die vor einem Jahr erwartete Marke von 80 Prozent deutlich verfehlt.
Obwohl auch die Unterstützung durch das Management auf 48 Prozent stieg, offenbaren sich noch jede Menge Defizite. „Dennoch gibt es bislang nur bei maximal einem Drittel der befragten Organisationen dezidierte personelle Ressourcen, Guidelines, Trainingsangebote oder Monitoring-Tools für Social Media“, konstatieren die Autoren Stephan Fink, Ansgar Zerfaß und Anne Linke. „Erfolgskennzahlen oder Social Media-Budgets sind nur bei rund 15 Prozent vorhanden.“ Zudem sorgten der aus Social Media entstehende Alltagsdruck und wachsende Erfahrung für eine nüchternere Betrachtungsweise der Entwicklung.
Nur ein gutes Drittel der Befragten sehe die eigene Organisation gut gerüstet für Social Media. Lediglich 4 Prozent geben sich hier selbst die Note „sehr gut“. Knapp 18 Prozent bewerten sich diesbezüglich als schlecht oder sogar sehr schlecht.
Finanzieller und personeller Aufwand zu groß
Insbesondere drei Hürden kristallisieren sich derzeit als oftmals zu hoch heraus. 76 Prozent der Befragten stufen den finanziellen und personellen Aufwand als zu groß ein. 55 Prozent äußern die Sorge, die Web 2.0-Kommunikation lasse sich nicht kontrollieren. 52 Prozent gestehen ein, dass überzeugende Nutzungskonzepte fehlen.
57 Prozent der Organisationen verbreiten allgemeine Berichte über sich auf Social Media-Kanälen. Knapp die Hälfte macht Neuerungen und Ideen bekannt, 42 Prozent kommunizieren Produktideen. Zu jeweils rund 30 Prozent wird Web 2.0 für Personalrekrutierung, Kundenservice und Werbung genutzt. Im Vergleich zu Unternehmen sind Behörden und Verbände eindeutige Nachzügler.
Welche Tools im Einsatz sind
Als Tools setzen die PR-Abteilungen schon jetzt zu 70 Prozent auf Video-Sharing etwa über YouTube oder planen das bis Ende des Jahres. Microblogging etwa via Twitter kommt auf 65 Prozent. Daneben erreichen Blogs und Wikis Werte über 40 Prozent. Bevorzugte Kanäle sind Facebook (75 Prozent), Xing (50 Prozent) und eigene Communities im Intra- oder Extranet (38 Prozent).
Firmen, die seit mindestens drei Jahren auf Social Media setzen, greifen im Durchschnitt auf zwölf Anwendungen zurück. Im vergangenen Jahr waren es lediglich vier. Dieser Wert wird mittlerweile selbst von Einsteigern überboten, die im Mittel auf sieben Anwendungen kommen.
Offensichtliche Mängel bestehen weiterhin bei der Entwicklung konsistenter Strategien für Social Media. 17 Prozent räumen ein, über keine Strategie zu verfügen. Lediglich ein Viertel hat eine solche für vier oder mehr Unternehmensbereiche. Eine übergreifende Strategie für die Social Media-Kommunikation im gesamten Unternehmen ist lediglich in einem Fünftel der Unternehmen vorhanden. Zumeist beschränken sich die Aktivitäten auf die Felder PR und Marketing, wobei die Studie gegenüber dem Vorjahr allerdings in allen Feldern eine Weiterentwicklung feststellt.
Evaluation vernachlässigt
Der größte Nachholbedarf besteht nach Einschätzung der Autoren beim Thema Evaluation: Nur neun Prozent haben hierfür klare Konzepte. Ungeklärt scheint die Frage, wie verschiedene Abteilungen beim Thema Social Media zusammenarbeiten und wer die Verantwortung trägt. Ein Viertel der Befragten gibt an, dass alle Bereiche eigenverantwortlich handeln, es eine lockere Zusammenarbeit gibt oder dass alle Mitarbeiter frei und eigenverantwortlich kommunizieren können. In 61,5 Prozent aller Organisationen ist eine bestimmte Abteilung zentral verantwortlich. Ein abteilungsübergreifendes Social-Media-Board ist bislang nur in 11,5 Prozent aller Organisationen vorhanden. Dabei könne eine derartige strukturelle Lösung die Bündelung von Kompetenzen, die Abstimmung von Maßnahmen und die Ausschöpfung sich bietender Potenziale erheblich erleichtern, so Fink, Zerfaß und Linke.
„Die tiefere Analyse der Governance-Strukturen zeigt jedoch eine deutlich geringere Entwicklungsdynamik der Social-Media-Kommunikation, als es die euphorischen Beteuerungen vieler Befürworter nahe legen“, lautet das Fazit der Autoren. So scheint bei der Einschätzung der kulturellen „Anschlussfähigkeit“ der eigenen Organisation an die Prinzipien des Social Web Ernüchterung einzuziehen, beispielsweise hinsichtlich der von zunehmend mehr Stakeholdern geforderten Dialogbereitschaft von Unternehmen. Nur ein knappes Drittel, sieben Prozentpunkte weniger als im Vorjahr, attestiert der eigenen Organisation eine partizipative und dialogorientierte Unternehmenskultur.
5 Ratschläge für Anwender
Bemerkenswert ist die mit 14 Prozent unverändert geringe Verbreitung von Kennzahlen für die Erfolgskontrolle. Im Vorjahr hatten 32 Prozent eine Einführung bis Ende 2010 angekündigt. „Da es noch an allgemein anerkannten und praktikablen Indikatoren für die Social-Media-Kommunikation mangelt, scheint auch die aktuelle Prognose, nach der vier von zehn Organisationen bis Dezember entsprechende Strukturen implementieren wollen, zu euphorisch“, dämpfen Fink, Zerfaß und Linke die Erwartungen.
Den Anwendern geben die Autoren fünf Handlungsempfehlungen an die Hand. Zu achten sei erstens auf systematische Analyse via Social Media diskutierter Inhalte, zweitens auf die Bestimmung klarer Erfolgskriterien und darauf aufbauender Messungen, drittens auf die Qualifikation der Mitarbeiter. So beklagen viele Studienteilnehmer, dass die zeitliche Belastung und die wachsende Informationsflut rund um die Uhr den Alltagsdruck erhöhten. Durch Social Media wachse das Gefühl, „always on“ sein zu müssen. Ein Drittel der Befragten denkt, dass der Mehraufwand nicht zu leisten sei. Nur 21 Prozent meinen, über Synergien und die Integration von Social Media in andere Aufgaben den Zusatzaufwand im Griff zu haben.
Viertens raten die Autoren zu stringenter Organisation, fünftens zur Beachtung kultureller Anschlussfähigkeit. „Social Media erfordern eine grundsätzliche Bereitschaft zur kommunikativen Offenheit“, heißt es hierzu. Das Festhalten an Kontrollillusionen führe ins Abseits. „Es geht nicht um naives Träumen von herrschaftsfreien Diskursen mit Kunden und anderen Stakeholdern, sondern um eine Passung mit den Prinzipien des Wettbewerbs und um die Legitimation organisatorischen Handelns“, so Fink, Zerfaß und Linke.
Die Studie „Social Media Governance 2011“ ist auf der Website von Fink & Fuchs erhältlich.