CIOs drehen ihren Fokus: Nicht Cost Cutting stehe künftig im Vordergrund, sondern Umsatzsteigerungen und Wachstum, so die Beobachtung von Gartner. Für 2005 erwartet das US-amerikanische Beratungshaus weltweite Wachstumsraten im IT-Budget von etwa fünf Prozent, die britischen Marktforscher von Forrester prognostizieren allein für den US-Markt gar einen Zuwachs von sieben Prozent, und die hiesige IT-Branche soll 2005 nach Angaben des IT-Branchenverbandes Bitkom um 3,4 Prozent zulegen, was auf die Entwicklung des IT-Budgets schließen lässt. „In Deutschland wird es 2005 einen leichten Zuwachs im IT-Budget geben“, sagt Meta-Group-Analyst Peter O’Neill, „das macht neue Projekte möglich – für mehr Effizienz, Systemverfügbarkeit an 24 Stunden von Montag bis Sonntag und On-Demand-Technologien.“
Rebound-Effekt in den USA
Nach Angaben des Forrester-Analysten Andrew Parker sind Zeichen der Entspannung allerdings erst deutlich in den USA zu spüren. „Vor wenigen Jahren gab es eine gewaltige Welle in Richtung IT-Zentralisierung – seit Juli 2004 setzt der Rebound-Effekt ein und Unternehmen dezentralisieren wieder. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen“, sagt der Analyst, der diesen Strategiewechsel als Indiz für eine Erholung ansieht. „Wegen des noch immer schwierigen wirtschaftlichen Umfelds“ ist Parker jedoch nicht überzeugt, dass Ähnliches in Deutschland passieren wird. Gedämpft ist seine Erwartung auch für das hiesige IT-Budget: Während die ITAusgaben in Europa ein Comeback erlebten, hielten sich in Deutschland Unternehmen, die mehr, und jene, die weniger IT-Budget im Vergleich zu 2004 zur Verfügung hätten, die Waage. Insgesamt lässt sich also ein leichter Aufwärtstrend ausmachen – mit positiven Auswirkungen auf Technikinvestitionen.
Beispiel Sicherheit: Hier prognostiziert die Meta Group Wachstumsraten von 14 bis 15 Prozent. Unternehmen stocken zudem ihre Abteilungen mit geeignetem Personal auf. „Weltweit rechnen wir mit einem personellen Zuwachs von 35 bis 50 Prozent“, so O’Neill, „es wird Spezialisten wie Data Protection Officers geben, die Sicherheit planen sowie Schulungen innerhalb der Firma für die Mitarbeiter machen.“ Auch Walter Brenner, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Informationsmanagement an der Universität St. Gallen, sieht in Sicherheitsfragen das beherrschende Thema 2005. Aus zweierlei Gründen: „Sicherheit im Sinne der Beherrschung der operativen Risiken wurde bislang technisch gesehen, nun etabliert es sich im Management – etwa durch staatliche Restriktionen wie Sabanes-Oxley oder Basel II. Zudem hat das Wachstum im E-Commerce-Bereich nachgelassen, weil das Vertrauen in sichere Transaktionen nicht da ist“, so Brenner. „An der Schnittstelle zum Kunden wird Sicherheit forciert werden.“
Auswirkungen auf die Sicherheit erwartet Thomas Mendel, Forrester- Analyst, wie Brenner durch staatliche Regulierungen. „Durch Sabanes-Oxley werden Geschäftsführer und Vorstände für Verfehlungen herangezogen, sofern beispielsweise jemand unbefugt Zugang zu vertraulichen Akten bekam“, so Mendel, der eine ähnliche Entwicklung für Europa erwartet. Investitionen für Sicherheit in der Authentifizierung und Identifizierung seien programmiert.
Oberste Priorität bekommen 2005 nach Angaben von Meta-Group-Mann O’Neill Projekte des „Identity Managements“ – Technologien, die es Mitarbeitern ermöglichen, von außen per PDA auf Unternehmensdaten zuzugreifen, oder Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern erlauben, sich zu identifizieren. „Hier steht Security auf der operationalen Seite im Vordergrund“, so O’Neill. Security und „Erkennen des Individuums“ gehören auch für Dirk Buchta untrennbar zusammen. Der Vice President des Düsseldorfer Beratungshauses A.T. Kearney sieht – anders als O’Neill – auch biometrische Erfassungssysteme auf dem Vormarsch. „Etwa für den Zugang zum PC – über Iris oder Fingerabdruck“, so Buchta, der jedoch nicht erwartet, dass Deutschland dem Beispiel USA folgt. Dort haben bereits einzelne Banken biometrische Erfassungen eingeführt. „Und das nicht nur für Leute, die aussehen, als seien sie Taliban“, bemerkt Buchta, der selbst „Opfer“ dieser Sicherheitsmaßnahmen wurde.
„Die US-Forderung, nur Reisende visumfrei ins Land zu lassen, die einen biometrischen Pass haben, wird einen Schub für die Technologie bringen“, meint Brenner, der für 2005 erwartet, dass biometrische Daten salonfähig werden. „Denken Sie an Euroscheck-, Kredit- oder Zugangskarten.“ Mit der Akzeptanz wächst die Wirtschaftskraft – Erfassungsstationen müssen errichtet, Milliarden in Hardware investiert und Millionen Chips für Karten produziert werden. Weit weniger greifbar ist die Flexibilisierung der IT-Landschaft durch die serviceorientierte Architektur (SOA). „Ein Grundlagenthema, eher Forschung als real“, unkt Buchta von A.T. Kearney. „Keine greifbaren Ergebnisse, keine konkreten Konzepte. Da kapseln wir die Prozesse, modularisieren sie und dann? Dann hängen wir sie uns um, auf diesem Niveau laufen die Diskussionen“. Das sieht Mendel von Forrester ganz anders. „Wir werden 2005 erste Anwendungen sehen.“ In 2004 hätten Unternehmen noch ihre Softwareentwicklung und Architektur neu ausgerichtet. Als „ERP der IT“ bezeichnet Mendel die heraneilende Methode – „separate Teile der IT wie der Betrieb, Anwendungsarchitektur, Softwareentwicklung und strategische Planung“ werden darunter zusammengefasst. Zentraler Bestandteil ist SOA, „denn Planung und Softwareentwicklung lassen sich so näher zusammenbringen“.
„Durch höhere IT-Budgets ist jetzt mehr Luft da für Projekte zur serviceorientierten Architektur“, sagt Meta-Group-Mann O’Neill, „derzeit setzen Unternehmen entsprechende Prozesse auf und nutzen .net und Web-Services. Diese Entwicklung wird in Richtung SOA weitergehen.“ Inzwischen sei die Erkenntnis gereift, dass Prozesse nicht starr sind und in CRM- oder ERPProjekten abgehandelt werden könnten. „Die Nutzer verlangen nach besserer Integration durch Business Process Management oder Business Application Management“, so O’Neill, der für die SOA-Entwicklung jedoch eine „nicht rasante“ Geschwindigkeit ausmacht.
Voice over WLAN in Sichtweite
Einen „Quantensprung“ macht hingegen die Deutsche- Bank-Research-Sektion für mobile Übertragungstechniken aus. Für breitbandige Datenkommunikation seien Wireless-LAN-Verbindungen besonders geeignet, die jedoch im Gegensatz zur GPRS-Technologie nicht flächendeckend zu haben sind. „UMTS wird 2005 zumindest in Ballungsräumen ebenfalls flächendeckend zu haben sein und neue Möglichkeiten schaffen – etwa den breitbandigen Zugang über Virtual Private Networks zum Firmennetz und die Bildtelefonie“, so Oliver Höß, Leiter für Marktstrategieentwikklung beim Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Zurückhaltender gibt sich der A.T.-Kearney-Mann Buchta: „In den Unternehmen ist noch nicht klar, welche Auswirkungen UMTS auf die internen Prozesse haben wird. In 2005 wird darüber mehr nachgedacht.“ Auch Forrester-Mann Mendel bremst zu hohe Erwartungen: „UMTS wächst langsam.“ Den Analysten interessieren vielmehr die für 2005 angekündigten ersten Geräte für Voice over Wireless LAN, das Telefonieren in WLAN-Hotspots über Internet. „Dann entfallen hohe Handyrechnungen“, so Mendel.
Die Pricing-Modelle, so erwartet der Schweizer Informations-Management-Professor Brenner, werden entscheiden, welche Technologie 2005 dominieren wird. Wi-Fi, WLAN, UMTS, Bluetooth oder gar der digitale Fernsehstandard DVB-T: „Unternehmen entscheiden ad hoc. Egal auf welcher Technologie: Mobile Anwendungen werden kommen“, so Brenner, der in zwei bis drei Jahren eine Marktkonsolidierung erwartet.
Das „Aufbohren“ der Wireless-LAN-Technologie hin zur Mobilfunktechnologie WiMax (Worldwide Interoperability for Microwave Access) ist noch Zukunftsmusik. Über erste Experimente reicht diese Technologie noch nicht hinaus, die es laut Deutsche Bank Research möglich machen soll, einen Zelldurchschnitt von 50 Kilometern mit Übertragungsraten von 70 Megabit pro Sekunde zu versorgen. „Hat man sich gerade an UMTS gewöhnt, kommt WiMax“, sagt Höß vom IAO, der der Preispolitik der Anbieter eine wesentliche Rolle für einen ökonomischen Einsatz zuschreibt. Ende des Jahrzehnts ist für WiMax mit gangbaren Lösungen zu rechnen.
Flexible Services und Produkte kommen
Schon längst versprochen sind hingegen Anwendungen im Bereich des flexiblen Zuschaltens von IT-Leistungen, bekannt unter den Begriffen On Demand oder Organic IT. „Praktischer Nutzen ist für einen Großteil der Unternehmen jedoch noch nicht da“, sagt IAOWissenschaftler Höß, sieht jedoch Potenzial in der Zusammenschaltung von unternehmensweiten und - übergreifenden Rechnerressourcen – Stichwort Grid-Computing – für die Erweiterung und Auslastung von Rechnerleistungen. „Für die Grundkapazität von etwa 80 Prozent ist in den Unternehmen ja gesorgt“, so Buchta von A.T. Kearney, „nur im Spitzenlastbereich lohnt sich das Zumieten von Serverkapazitäten.“
Dass Hardwarehersteller Absatzprobleme hätten, spekuliert Buchta, würde entsprechende Angebote erschwinglich machen. Kritisch sieht Buchta allerdings die On-Demand- Nutzung von Anwendungen. „Beispiel SAP: Das unternehmensübergreifende Pooling von Anwendungen klappt nicht, weil die Anforderungen aus den einzelnen Unternehmen zu unterschiedlich sind.“ Auch O’Neill sieht den Bedarf lediglich im „Server-Provisioning“ - dem Zukaufen von Serverkapazitäten: „Die Serverhardware installiert sich selbst und passt sich der Kapazität an“, sagt O’Neill, der von der Kapazität auf Anruf spricht. Die Kapazität organisiert sich selbst – jedenfalls hier und da in 2005. Der Trend, so verallgemeinert Brenner, gehe in Richtung Flexibilisierung. „On Demand schafft die Möglichkeit, flexibel Services und Produkte zu beziehen und verbrauchsabhängig abzurechnen – so lassen sich fixe in flexible Kosten ummünzen.“
Das bisher am meisten unterschätzte Thema sind die Funketiketten: „RFID wird in die Breite gehen“, erwartet Wissenschaftler Brenner, „die Schlacht wird sicher nicht nur im Future Store der Metro geschlagen.“ Zahlreiche andere Anwendungen werden entstehen: Da klebt eine Schweizer Privatklinik etwa Funketiketten auf sein OP-Besteck, um nachvollziehen zu können, wie oft es benutzt wurde. Oder ein Flugzeugbauer kennzeichnet seine mehrere tausend Euro teuren Werkzeuge mit RFIDs. Werden sie nach Gebrauch nicht in den Werkzeugkasten zurückgebracht, vermeldet er das automatisch. „In der Logistik, zur Absicherung und zur Verfolgung werden RFIDs vermehrt zum Einsatz kommen“, so Brenner. Meta-Group-Analyst O’Neill sieht noch Defizite: „Die Stückpreise schrecken Nutzer noch ab, zudem ist die Infrastruktur, die für die Funketiketten nötig ist, sehr aufwändig.“ Dennoch meint Mendel von Forrester: „Ende 2005 wird sich die Technik im Einzelhandels- und Automobilbereich etabliert haben“.
Noch zehn Jahre länger braucht die Entwicklung der selbst organisierten Biocomputer, die mit gehirnähnlichen Strukturen eigene Lösungen schaffen. Herkömmliche Chips sind nämlich in ihrer Verkleinerung am Ende der Machbarkeit angekommen. Nur fünf Atome dick ist deren isolierende Schicht noch. Da müssen dreidimensionale Chips her – und wenn gar nichts mehr hilft, dann Biocomputer. Ein Chip, der mitdenkt – eine (noch) ferne Vision.