"SAP kündigt Übernahme des indischen Business-Rules-Spezialisten Yasu Technologies an" und "SAP kündigt freundliche Übernahme von Business Objects an". Die beiden letzten Akquise-Meldungen aus der Walldorfer Firmenzentrale von SAP klangen zwar ähnlich, könnten jedoch unterschiedlicher nicht sein.
Regionale Präsenz stärken, technische Lücken schließen
Während SAP mit dem Kauf von Yasu Technologies seiner bisherigen Strategie des organischen Wachstums treu bleibt, stößt der Software-Konzern mit dem Kauf des BI-Spezialisten Business Objects für fast fünf Milliarden Euro in eine neue Dimension vor.
Wenn man so will, wurden die Walldorfer ihrer bisherigen Strategie untreu und wandeln nun auf Pfaden, die Larry Ellison mit Oracle bereits vor Jahren mit den milliardenschweren Übernahmen von J.D. Edwards, Peoplesoft oder Siebel eingeschlagen hat. Sein jüngstes Objekt der Begierde, BEA Systems, sträubt sich dagegen noch. Den Übernahmepreis von 6,6 Milliarden US-Dollar bewertete der Verwaltungsrat von BEA Systems als zu niedrig.
Was also könnte SAP zum Kauf von Business Objects getrieben haben? Analysten und Marktbeobachter sind sich nicht ganz einig in der Bewertung. Möglicherweise kann ein Blick auf die von den Walldorfern bislang verfolgte Strategie bei Zukäufen für mehr Klarheit sorgen. Bis jetzt waren hier die Ziele klar umrissen, denn SAP wollte vor allem technische Lücken in seinen Anwendungen schließen. Fast in allen Fällen ging es dabei um den Erwerb von Lösungen bzw. Technologien, welche entweder die Technologie-Plattform SAP Netweaver oder Geschäfts- und Branchenlösungen um neue Funktionen erweitern sollten. Darüber hinaus sollten die Zukäufe die regionale Präsenz stärken und damit auch die globale Expansion von SAP unterstützen.
Geschäftsregeln als Services kapseln
Letzteres gelang SAP beispielsweise im September 2007 mit der Übernahme aller Lizenz- und Wartungsverträge mit Kunden sowie Warenzeichen von SAP Arabia, bislang Exklusiv-Partner für diese Region. Mit diesem Schritt will SAP seine Position im Mittleren Osten und Nordafrika stärken sowie ausbauen und dazu Niederlassungen in Dubai und Saudi Arabien eröffnen. Die Übernahme soll im vierten Quartal 2007 abgeschlossen sein.
Wie SAP durch Zukäufe seine Geschäftslösungen sowie die Plattform Netweaver um neue Funktionalitäten erweitert, dafür gibt es eine Reihe von Beispielen. Das schon erwähnte indische Software-Haus Yasu stellt Systeme für das Business Rules Management (BRM) her, mit denen sich Geschäftsregeln definieren und umsetzen lassen. SAP wird die Lösungen als Bestandteil des Composition Environment direkt in Netweaver einbinden.
Mit den Lösungen lassen sich Geschäftsregeln als so genannte Enterprise Services kapseln und unabhängig von den jeweiligen Geschäftsanwendungen einsetzen. Damit sollen SAP-Kunden die Möglichkeit erhalten, ihre Geschäftsregeln auch in heterogenen IT-Landschaften auf alle Geschäftsprozesse anzuwenden und jederzeit anzupassen, was die Erfüllung gesetzlicher Auflagen vereinfacht.
Prognose-Anwendungen kaufen
Im Frühjahr 2007 haben die Walldorfer mit Pilot Software sowie Outlooksoft zwei kleine Spezial-Anbieter im Business-Intelligence-Bereich gekauft. Zumindest die Übernahme von Outlooksoft erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Zwar sollen dessen Prognose-Anwendungen (Predictive Analytics) in die BI-Software von SAP eingebunden werden, doch laut Dr. Carsten Bange, Geschäftsführer des Business Application Research Center BARC, hat Outlooksoft weder eine besondere Marktstellung, die den Kauf begründen könnte, noch existiert derzeit eine technische Verbindung zwischen SAP und diesem BI-Anbieter.
Auch für seine Mittelstandslösung Business One kauften die Walldorfer BI-Technologie zu. Bereits Anfang 2005 war dazu das norwegische Software-Haus Ilytix Systems übernommen und dessen Berichts- und Planungslösung XL Reporter in die Mittelstands-Software integriert worden. SAPs Engagement im BI-Markt ist also nicht neu, beschränkte sich bislang aber auf kleine Anbieter.
Im Mai 2007 erwarb SAP dann mit Wicom und Maxware zwei weitere kleine Software-Hersteller. Wicom ist ein finnischer Anbieter von Contact-Center-Lösungen, deren Funktionen das SAP CRM Interaction Center ergänzen sollen. Mit der Identitäts-Mangement-Software der norwegischen Maxware erweitert SAP die Funktionen für Identitäts-Management in Netweaver, um damit Zugriffsrechte system- und prozessübergreifend zu verwalten.
Branchen-Pakete erweitern
Auch Branchenpakete wie die Einzelhandelslösung SAP for Retail hat der Software-Konzern in den letzten Jahren durch Akquisitionen laufend ausgebaut. Die Lösung soll damit Daten vom ersten Kundenkontakt in der Filiale über die Beschaffungskette bis in die Zentrale miteinander verbinden und einheitlich abbilden. Beispielsweise akquirierte SAP - nachdem Konkurrent Oracle den Preis-Poker um Retek für sich entschied - die Software-Anbieter Triversity und Khimetrics.
Triversity hat sich auf Lösungen für klassische POS-Systeme, Filialbestandsführung, Kundenbeziehungs-Management sowie Kunden-Service für Filial- und Multi-Channel-Prozesse spezialisiert. Khimetrics bietet Software für Revenue Management (= Annahme oder Ablehnung von Kunden etwa aufgrund ihrer Zahlungsbereitschaft), Preisoptimierung, Bedarfserfassung und Analyse an.
Beide Lösungen wurden in das Branchen-Portfolio SAP for Retail integriert. Die Funktionen der Khimetrics-Lösungen macht der Software-Hersteller über SAP Demand Management and Price Optimization verfügbar, die der Triversity-Software in der Lösung SAP Transactionware. Letztere besteht unter anderem aus einem Konfigurator als zentralem Modul zur Pflege des Kassensystems und einem POS-Manager mit dem sich Filialen aus dem Backoffice verwalten lassen.
Milliarden-Deals ausgeschlossen?
SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann wiederholte in den vergangenen Jahren fast gebetsmühlenartig, dass SAP durch die Übernahme kleinerer Anbieter seine regionale Präsenz verstärken will sowie die eigene Geschäfts-Software durch Zukäufe erweitert werden soll. Gleichzeitig schloss er milliardenschwere Firmenzukäufe aus. Noch im September 2007 hatte er der "Wirtschaftswoche" gesagt: "Die Frage ist doch, warum wir eine Groß-Akquisition brauchen sollten. Wir gewinnen wieder Marktanteile und das, ohne 25 Milliarden US-Dollar für Zukäufe auszugeben."
Umso überraschender kam deshalb der Milliarden-Deal mit Business Objects. Als bloße Ergänzung des technischen Portfolios lässt sich der Kauf beim besten Willen nicht bezeichnen und schon gar nicht rechtfertigen. Business Objects hat immerhin rund 44.000 Kunden. Doch was sind die Hintergründe der Übernahme? Zwar ist die Erweiterung des eigenen Analyse-Portfolios sicher einer der Gründe für den Kauf, aber nicht der einzige und schon gar nicht der wichtigste.
Konsolidierung im BI-Markt
Richtig ist, dass die BI-Plattform von Business Objects mit ihren Funktionen für Performance Management, Reporting, Abfrage und Analyse sowie Daten-Integration einen sehr viel größeren Funktions-Umfang hat als SAPs eigenes BI-Angebot. Es gibt jedoch auch Überschneidungen, etwa bei der Daten-Integration und Corporate Performance Management (CPM) sowie den Planungswerkzeugen.
Bedeutsamer dürfte schon sein, dass Marktforscher den BI-Markt übereinstimmend als Wachstums-Segment definieren. Durch die Bank werden für die nächsten Jahre hohe Wachstumsraten prognostiziert. IDC-Analysten beispielsweise rechnen allein für den deutschen Markt bis 2011 mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von knapp neun Prozent. Für IDC liegen die Gründe auf der Hand, denn Unternehmen sind heute mit "einer unüberschaubaren Menge an internen und externen Daten konfrontiert, die zudem einzeln in ERP-, CRM-, Personalplanungs- und Produktions-Systemen lagern. Das Management ist hier gefordert, diese Daten so zu filtern, aufzubereiten und miteinander in Beziehung zu setzen, dass entsprechende Erkenntnisse gewonnen und auf Basis derer Entscheidungen getroffen werden können."
Gerade in letzter Zeit hat es auf dem BI-Markt unter anderem deshalb deutliche Konsolidierungs-Tendenzen gegeben. Zum einen hatte Business Objects 2007 den BI-Anbieter Cartesis geschluckt sowie Fuzzy Informatik, einen Spezialisten für Daten-Qualität. Zum anderen sorgte - wieder einmal - Oracle mit der Übernahme des BPM-Spezialisten Hyperion für Unruhe. 3,3 Milliarden US-Dollar kostete Ellison dieser Deal, mit dem er nebenbei auch SAP unter Druck brachte.
Business Objects im Mittelstand gut positioniert
Für Markt-Analysten wie Christian Glas von Pierre Audoin Consultants gibt es jedoch noch einen weiteren gewichtigen Grund, der für den Kauf spricht. Business Objects ist sehr stark vertikal ausgerichtet und auch im Mittelstand gut positioniert. Laut Glas kommt die Übernahme damit SAPs Vertikalisierungs-Strategie sowie der Wachstums-Strategie im Mittelstand zugute. Der Grund dafür ist denkbar einfach. SAP hatte vor kurzem angekündigt die Kundenzahl bis zum Jahr 2010 auf insgesamt 100.000 erhöhen zu wollen.
Da der Konzern mit seiner Geschäfts-Software den Markt mit Großkunden - vor allem in Deutschland - bereits weitgehend durchdrungen hat, verwundert es wenig, dass das größte Wachstums-Potenzial vor allem im Mittelstand gesehen wird. Aus eigener Kraft dürfte es SAP kaum möglich sein, dort seine Wachstumsziele bis 2010 zu erreichen. Hier kommen die mittelständischen Kunden von Business Objects gerade recht, um die eigenen Mittelstands- und Branchenlösungen zu vermarkten.
Auf vielen Baustellen beschäftigt
Allerdings sehen Marktbeobachter in der Übernahme auch Risiken, obwohl Business Objects nicht voll in SAP aufgeht, sondern als eigenständige Geschäftseinheit und eigene Marke weiterbestehen soll.
Zum einen verfügt das SAP-Management bislang über keine fundierte Erfahrung bei der Zusammenführung zweier Unternehmen dieser Größe. Zum anderen muss laut Christian Glas berücksichtigt werden, dass SAP momentan bereits auf sehr vielen Baustellen beschäftigt ist.
Hier besteht die Gefahr, sich zu verzetteln. So sei bei der Enterprise-SOA-Strategie noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Und um den Mittelstand für die neue On-Demand-Software unter dem Namen "SAP Business ByDesign" zu begeistern, muss eine klare Vertriebs-Strategie her.