Natürlich ist "die Cloud" ein Hype-Thema. Aber eines, das keine IT-Organisation ignorieren kann. Denn die Cloud verspricht nichts Geringeres als die Befreiung von Information und Kommunikation aus der Abhängigkeit von einer fest vorgegebenen Infrastruktur. Es geht also um mehr Flexibilität - und genau das ist aktuell die wichtigste Anforderung der Geschäftsseite an die Corporate IT.
Darum lohnt es sich, danach zu fragen, welche Chancen die Cloud-Technologien für eine effektivere Business Intelligence (BI) bieten. Wie kürzlich in einem Beitrag von Andy Mulholland auf CIO.de diskutiert, ist es sinnvoll, bei dieser Fragestellung die Bedürfnisse des Regelbetriebs von der Unterstützung von Ad-hoc-Anforderungen an die IT zu unterscheiden.
Die Kernaufgabe des BI-Regelbetriebs besteht darin, das "Langzeitgedächtnis" des Unternehmens zu verwalten und in Form von entscheidungsrelevanten Informationen zur Verfügung zu stellen. Daraus erwachsen zwei Herausforderungen: die Bewältigung des laufenden Zuwachses an Daten und die Sicherung von Datenqualität und -integrität.
Skalierbarkeit und Prozesssicherheit verlangen aber weniger Flexibilität als vielmehr Verlässlichkeit und Vorhersagbarkeit. Doch auch der klassische BI-Betrieb kann punktuell von Cloud-Technologien profitieren. So müssen viele Unternehmen ihren Kunden periodisch umfangreiche Berichtswerke zur Verfügung stellen. Beispiele sind Monatsberichte von Banken für Vermögensverwalter und Vermittler oder von Leasing-Unternehmen für Flottenmanager.
Traditionell werden die permanent vorgehaltenen eigenen IT-Kapazitäten an dieser Spitzenlast ausgerichtet. Ökonomisch sinnvoller ist es natürlich, diese Lastspitzen mit zugemieteten Ressourcen abzudecken. So lassen sich auch die Kosten direkt den jeweiligen Reportlieferungen zuordnen.
Der geschäftliche Mehrwert von Business Intelligence entsteht aber nicht nur durch die Bereitstellung von Standardinformationen. In dynamischen Märkten ist die Fähigkeit, Informationen aus verschiedenen, teilweise externen Quellen anlassbezogen miteinander zu kombinieren und zu untersuchen, für den Erfolg entscheidend. Für diesen Aufgabentyp sind Cloud-Technologien prädestiniert.
Wenn zum Beispiel im Markt Gerüchte über ein Qualitätsproblem des eigenen Produkts auftauchen, so könnte die BI-Organisation mit Hilfe von "ETL as a Service" (ETL = Extract, Transform, Load) auf Zuruf alle potenziell relevanten Markt- und Produktionsdaten auf einem virtuellen Cloud-Datenbankserver integrieren. Die betroffene Fachabteilung könnte dann mit Hilfe eines als "Software as a Service" bereitgestellten spezialisierten Analysewerkzeugs feststellen, ob tatsächlich ein Problem vorliegt, gegebenenfalls zu dessen Ursachen vordringen und entsprechende Gegenmaßnahmen erarbeiten.
Durch Cloud-Technologien kann also in diesem Beispiel das volle Instrumentarium der Business Intelligence für das Krisen-Management in Anspruch genommen werden, ohne dafür prophylaktisch Kapital binden zu müssen.
"BI in the Cloud" wird meines Erachtens nicht die Kernprobleme von Business Intelligence lösen. Aber die Cloud stellt zum ersten Mal Technologien zur Verfügung, mit denen die BI-Organisation den Zielkonflikt zwischen statischen Regelprozessen, die die Integrität der BI gewährleisten sollen, und agilen Geschäftsanforderungen, die der Marktdynamik Rechnung tragen, moderieren kann. Darum ist die Ausrichtung von Architektur und Governance auf die Nutzung dieser Chancen die nächste große Herausforderung für die BI-Verantwortlichen.
Stefan Keller ist Berater im Bereich Business Information Management bei Capgemini.