Einst ein Kramer- oder Kolonialwarenladen um die Ecke, gegründet 1867, hat sich Tengelmann, angeführt von der Besitzerfamilie Haub, über die Jahrzehnte hinweg vom einstigen Anfang etwas entfernt. Geändert hat sich das Kerngeschäft: vom kleinen Laden zum großen Supermarkt. Heute gehören Kaiser’s, Tengelmann, Obi, Kik und einige US-Beteiligungen wie A&P zum Konzern in Familienbesitz. Geblieben ist der Mythos.
Der heutige geschäftsführende Gesellschafter Erivan Haub rühmt die Tradition des Familienunternehmens selbst dann, wenn er die Expansion in die Weiten des Internets plant: "Ich will mir später nicht von meinen Kindern sagen lassen, einen Trend verpasst zu haben." Tengelmann ist heute beim Online-Shopping dabei, auch wenn die bisherigen Schritte in diese Richtung eher zaghaft anmuten.
Einerseits befindet sich die Tengelmann-Gruppe in der Krise, muss ganze Filialnetze schließen und die Verluste der Supermarktkette A&P in den USA, an der man mit 38 Prozent beteiligt ist, verkraften. Andererseits ist man schon jetzt an 13 Start-ups im Internet beteiligt und will diese Zahl bis Ende des Jahres sogar auf 20 hochschrauben.
Haub taktiert ganz offensichtlich: Bereinigung des klassischen Filialgeschäfts, Kaiser’s und Tengelmann sind in Deutschland nur noch in drei Regionen präsent (Rhein-Ruhr, Berlin und München/Oberbayern), Konzentration auf die mit Gewinn laufenden Ketten Obi und Kik, und daneben will man den notleidenden Konkurrenten Praktiker nicht übernehmen und in Obi integrieren. Haub äußerte sich gegenüber der Süddeutschen Zeitung: "Wir schließen jede Art von Übernahme aus. Dafür überlappen sich die Filialnetze der beiden Baumarktketten zu sehr."
Der große Big-Bang in Richtung Online-Shops fehlt bisher: Die Pflege der vorhandenen Web-Angebote von Kaiser’s-Tengelmann, Obi und Kik sowie viele kleinere Beteiligungen stehen im Vordergrund. Tengelmann ist zum Beispiel beim Online-Schuhladen Zalando oder jüngst beim Kaffee-Shop Coffee Circle eingestiegen. Außerdem hat man sich bei Deal United engagiert, einem Spezialisten für Bezahlsysteme im Internet.
Otto-Versand macht 70 Prozent Umsatz im Internet
Beim Versandhändler Otto deutet ein größeres Personal-Revirement im Vorstand darauf hin, dass man ebenfalls die Online-Ausrichtung verstärken will. Im Unterschied zu Tengelmann ist Otto aber schon jetzt mit 70 Prozent seines Umsatzes im Internet aktiv. Die Umgestaltung in eine "E-Company" manifestiert sich in einer neuen Zuordnung der Abteilungen Marke, Service und E-Commerce, der demnächst Rainer Hillebrand vorstehen soll.
Otto setzt allerdings auch auf das klassische Versandgeschäft: Mit der Marke Quelle ist man bereits wieder in Österreich, Russland, Frankreich und der Schweiz präsent, nachdem man sich nach dem Quelle-Konkurs die Markenrechte gesichert hatte. In den nächsten Wochen will Quelle auch in den deutschen Stammmarkt zurückkehren.
Metro holt IT-Experten für Strategic E-Commerce
Bei Metro wird der Bereich Strategic E-Commerce jetzt von einem IT-Experten geleitet: Christian Wenger war vorher bei Intershop und Microsoft beschäftigt. Seine Aufgabe wird es sein, sich mehr um das Internet-Geschäft zu kümmern und eine langfristige Strategie für die Metro-Töchter Media Markt, Saturn, C+C, Real und Galeria Kaufhof zu entwerfen. Insbesondere Media Markt und Saturn tun sich schwer, sich gegen den übermächtigen Konkurrenten Amazon zu behaupten. Wie Bloomberg-Business Week jetzt meldete, musste Media-Saturn für das zweite Vierteljahr 2011 einen Verlust von 44 Millionen Euro verbuchen. Dies ist das erste Mal in der 20-jährigen Firmengeschichte.
Die Zielvorgabe für Online ist dennoch klar: Man habe im Grundsatz bereits die "wichtigste Entscheidung in der Unternehmensgeschichte" für Media Markt getroffen, hieß es bereits vor Wochen (siehe "Media Markt: Radikaler Kurswechsel"). Die Metro-Tochter plant, ab nächstem Jahr das eigene Online-Geschäft massiv auszubauen und somit von der bisherigen Fokussierung auf die Läden Abschied zu nehmen. Man will zunächst mit 3.000 Produkten an den Start gehen und zugleich den Cross-Channel-Verkauf zwischen Läden und Internet intensivieren.
Laut Bloomberg-Business Week beabsichtigt man jetzt voller Ehrgeiz, Europas größter Online-Händler für elektronische Consumer-Produkte zu werden. Bis 2015 will man fünf Milliarden Euro durch Web-Verkäufe einnehmen. Dies steht in starkem Kontrast zu der aktuellen Situation, in der man nach eigenen Aussagen des Unternehmens im Internet kaum Geld verdient. Metro will weiter Online-Anbieter hinzukaufen. Im März diesen Jahres hatte man bereits Redcoon geschluckt.
Douglas sucht fürs Web einen IT-Vorstand
Auch Douglas setzt auf eine eigene Vorstandsposition, um das Online-Shopping voranzutreiben. Eine geeignete Führungsperson wird derzeit noch gesucht. Man ist bereits seit zehn Jahren im Internet aktiv, will jetzt aber die isolierten Inseln von Filialläden und Web-Auftritt enger zusammen führen. Der bisherige Online-Anteil am Umsatz ist eher bescheiden: Er liegt bei etwa 7,5 Prozent und soll bis in fünf Jahren verdoppelt werden.
Amazon - das heimliche, große Vorbild aller Retailer
Es bleibt abzuwarten, ob lediglich die Einrichtung neuer Vorstandspositionen zum Erfolg im Internet führen wird. Werden nicht die grundlegenden Probleme angegangen, bei Douglas zum Beispiel teilweise ein Umsatzrückgang im klassischen Ladengeschäft, wird die geänderte Strategie nicht so leicht aufgehen. Schließlich drängen immer mehr Retailer ins Internet. Aber nur einfach das bisherige Sortiment auf eine Web-Seite zu stellen, dürfte nicht genügen.
Branding, Communities, attraktive Preise, ausreichende Logistik, zuverlässige Abrechnung sowie kostenloser und schneller Versand sind nur einige der Faktoren, die zum Erfolg im Online-Shopping führen. Amazon lässt grüßen.