Infrastruktur-Management

Die nicht fantastischen Vier

22.09.2006 von Peter O`Neill und Thomas Mendel
Der Markt hat viele Übernahmen gesehen. Die Forrester-Analysten Thomas Mendel und Peter O’Neill analysieren die vier großen Spieler: BMC Software, CA, HP Open View und IBM Tivoli.

Die Branche hat in den vergangenen Jahren einen umfassenden Konsolidierungsprozess erlebt. Dennoch haben sich die Herstelleroptionen für die Kunden erhöht, da Unternehmen wie Sun Microsystems und Symantec aggressiver in den Markt drängen, der weiterhin von den „Big Four“ dominiert wird. Die Konsolidierung und das Auftreten weiterer großer Player begrüßen auch die Anwender. Der Grund: Sie erhoffen sich von großen Anbietern umfassenderes Know-how und bessere Leistungen. Sie fokussieren insbesondere dann auf die Großen, wenn sie sich auf strategische Entscheidungen hinsichtlich Business Service Management (BSM) und Configuration Management Database (CMBD) vorbereiten. Um Unternehmen ihre Entscheidung zu erleichtern, hat Forrester Research die aktuellen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken der großen Vier des Infrastruktur-Management-Markts analysiert.

BMC Software – Meinungsführerschaft bei BSM und CMDB übernommen

In den vergangenen Jahren hat BMC Software (BMC) hart gekämpft. Der Erfolg lohnte alle Anstrengungen, das Unternehmen hat inzwischen eine führende Position im Bereich Enterprise-System-Management erlangt. Aufgrund gut ausgesuchter Akquisitionen wurde ein Portfolio an Management-Applikationen aufgebaut, das fast alle Anforderungen der Unternehmen erfüllt. Zudem hob sich BMC in den vergangenen drei Jahren dadurch ab, dass es der führende Meinungsbildner im Bereich BSM und CMBD war. BMC hat zudem auf sehr beeindruckende Art und Weise sein Portfolio erweitert und so zu den anderen Marktführern aufgeschlossen oder diese gar überholt. Seine guten Produkte decken inzwischen alle Bereiche des Infrastruktur-Managements ab. Ausgenommen sind lediglich einige Schwächen im Netzwerk-Management.

BMC hat aber noch einige Probleme mit der Positionierung gegenüber Kunden und im Vertrieb: Das Unternehmen kämpft damit, seine Verkaufsmannschaft auf die komplexeren Lösungen auszurichten, deren Verkaufsansatz auch andere Verantwortliche in den IT-Abteilungen adressiert. Außerdem muss BMC noch Großunternehmen davon überzeugen, dass es ein strategischer Partner ist, dem sie vertrauen können. Der langfristige Erfolg von BMC hängt aber insbesondere von einem Kriterium ab: Kann das Unternehmen seine führende Position im Bereich der BSM- und CMBDProdukte in einen ausreichenden Umsatz umwandeln, um den zurückgehenden Absatz in seinen traditionellen Kernmärkten auszugleichen?

CA – Vertrauen zu verunsicherten Kunden wieder aufbauen

CA, früher bekannt unter dem Namen Computer Associates, hat mehr als nur seinen Namen geändert. Nach Jahren voller Fragen ist CA als ein erneuertes Unternehmen wiederauferstanden. Einhergehend mit der Erneuerung wurde auch das Portfolio durch Akquisitionen und eine auf Kundenzufriedenheit abgestimmte Ausrichtung verbessert. Jetzt muss CA das Kundenvertrauen weiter auszubauen. Zudem muss das Unternehmen zeigen, dass es in der Lage ist, innovative Technologien in sein Portfolio zu integrieren. CA hat jetzt eine einmalige Chance, weil durch kürzlich durchgeführte Akquisitionen nun die innovativsten Köpfe des Softwaremarkts auf der Lohnliste von CA stehen.

Der Schlüssel ist, dem Markt und Interessenten gegenüber zu kommunizieren, dass der Wert des Angebots größer ist als die Summe seiner Bestandteile. Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass das Re-Branding auf Resonanz im Markt stößt und wieder zunehmend Vertrauen aufbaut. CA wird vermehrt zu Treffen mit Neu- oder Bestandskunden eingeladen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil CA derzeit das stärkste Produktportfolio aller Anbieter im Markt für Infrastruktur-Management hat. Darauf darf sich CA aber nicht ausruhen. Vielmehr muss das Unternehmen seine Beziehungen zu den Bestandskunden wieder festigen, die aufgrund des Namenswechsels sowie der Änderungen der Produktarchitektur und der Organisationsstruktur verunsichert waren. Die Kunden müssen zudem bei der Migration auf die Desktop- und Server-Management-Software r11 unterstützt werden, damit sie alle Vorteile der neuen Funktionalitäten inklusive der neuen CMDB ausschöpfen können.

HP Open View – Dringender Nachholbedarf beim noch fehlenden CMDB-Produkt

In den letzten Jahren ist HP Open View von einer reinen Netzwerk-Management-Lösung zu einem der vier größten Anbieter von Infrastruktur-Management gereift. HP Open View hat ein umfangreiches Portfolio an System-Management-Lösungen und unterstützt eine große Zahl von Partnern. Diese erweitern HPs Produktangebote und ermöglichen einen guten Zugang zum Markt. Auch die Akquisition von Peregrine hat die Situation für HP Open View weiter verbessert. Das übernommene Unternehmen hat eine Großkundenbasis – darunter viele Mainframe-Nutzer – mit in die Ehe gebracht, die unterstützt und weiterentwickelt werden kann.

Die Produktlinie von Peregrine hat zudem HPs Angebot für Service-Desk- und Asset-Management erheblich erweitert. Positiv für HP wirkt sich zudem aus, dass das Interesse an ITIL wieder wächst. Das Unternehmen hat sich bereits sehr früh zu dem Konzept bekannt. Das Produktportfolio deckt zudem beinahe alle untergeordneten Märkte des Infrastruktur-Managements ab.

Allerdings muss das Unternehmen im Bereich BSM aktiver werden. So kann HP Open Views Mangel an Mainframe-Management-Fähigkeiten zu einem Problem werden. Eine weitere Schwäche: Es hat noch kein CMDB-Produkt, das Möglichkeiten zu Discovery- und Application-Mapping bietet. HP wird als Letzter der großen Vier eine CMDB auf den Markt bringen. Wahrscheinlich wird diese erst im Jahr 2007 eingeführt, während viele Kunden ihre CMDB-Projekte bereits in den nächsten 18 Monaten starten werden. Es ist daher zu erwarten, dass sich diese Unternehmen an einen anderen Hersteller wenden. Dies würde die Position HPs als strategischer Partner schwächen und das Unternehmen auf einen Monitoring-Anbieter reduzieren. Die Situation wird auch nicht einfacher, wenn HP die Mercury-Produkte im Jahr 2007 in das Portfolio integriert.

Außerdem werden HPs erklärte Pläne, seine zwei in HP Open View enthaltenen Service-Desk-Lösungen im Jahr 2008 zu ersetzen oder zu kombinieren, als viel zu defensiv wahrgenommen. Die Kunden fragen sich außerdem, was HP machen wird, wenn die Unternehmensresultate schlechter werden und das Wachstum von HP Open View abnimmt – HPs Softwaregeschäft ist nur für 1,4 Prozent des gesamten Umsatzes verantwortlich, mit Mercury werden es etwa zwei Prozent sein.

IBM Tivoli – Integration von Tivoli in „Big Blue“ lässt noch viele Fragen offen

Nachdem IBM zehn Jahre in die Integration des übernommenen Unternehmens Tivoli investiert hat, zahlt sich das nun in einer Position unter den Top Vier bei den Infrastruktur-Management-Herstellern aus. In der letzten Dekade hat das Unternehmen sein Portfolio an Management-Applikationen durch Akquisitionen stetig ausgebaut. IBM Tivoli ist nun in der einzigartigen Position, andere IBM-Software in einem Portfolio zu ergänzen, das alle IT-Lebenszyklen und IT-Aktivitäten abdeckt. Einzig der Desktop-Bereich weist signifikante Schwächen auf. Dies ist problematisch, da der hohe Stellenwert des Service-Desks als Kommunikationsplattform für ITIL-Prozesse mehr und mehr offensichtlich ist. Die Herausforderung wird daher sein, mit den Technologien anderer Wettbewerber bei den Kunden zu leben.

In den vergangenen Jahren gab es viele Veränderungen bei Tivoli. Die zwei beachtlichsten waren die aggressive Expansion durch die Übernahme von Candle und Micromuse und die komplette Integration von Tivoli in die IBM Software Group. Aufgrund dessen ist IBM Tivoli besser positioniert als noch vor fünf Jahren. Das Unternehmen kann zum einen auf die Stärken der IBM Software Group zugreifen und zum anderen die Consulting-Organisation für den Zugang zu potenziellen Kunden nutzen. IBM Tivoli muss sich aber auch Herausforderungen stellen: Zum einen hinkt das Angebot im Bereich CMDB hinter Mitbewerbern wie BMC und CA hinterher. Zum anderen sind bei der Integration von IBM Tivoli in „Big Blue“ noch viele Punkte offen, die aktiv gemanagt werden müssen.

Die Vier – nicht fantastisch

BMC, CA, HP Open View und IBM Tivoli sind zweifellos die Marktführer, aber noch weit davon entfernt, die „Fantastischen Vier“ zu sein. Dafür haben sie zu viele Schwächen. Die Kunden sollten daher die Stärken und Schwächen der einzelnen Anbieter mit ihren Anforderungen abgleichen. Dann können sie sich das Unternehmen und die Lösung heraussuchen, die am besten zu ihnen passt. Dies ist mit Aufwand verbunden, aber die Mühe lohnt.