Viele Landwirte nutzen bereits digitale Technologien und Anwendungen wie Hightech-Landmaschinen, Drohnen und Agrar-Apps. Allerdings erfordert das Digital Precision Farming eine gut vernetzte Infrastruktur, die Maschinen und Backend-Systeme zuverlässig und skalierbar miteinander kommunizieren lässt. Aus diesem Grund wechselte der Landtechnik-Hersteller Claas in Zusammenarbeit mit Cluster Reply auf eine Cloud-Plattform als Fundament für seine Telematik- und Feldlogistik-Lösungen sowie das Monitoring von Landmaschinen und Applikationen.
"Wir haben bereits seit über 10 Jahren das Produkt Telematics im Markt, was im Endeffekt heute unter IoT und Connected Machines laufen würde", erklärt Sven Holbrügge, Teamleiter Machine Communication/IoT bei Claas, die Ausgangssituation im CW-Gespräch. "Dazu muss man wissen, dass unsere Maschinen die primäre Aufgabe haben, zu ernten und einen guten Ertrag für unsere Kunden zu erzielen. In diesen rollenden Fabriken fallen jede Menge Prozessdaten an und mit unserer Plattform unterstützen wir die Landwirte bei ihren Prozessen."
Zu den Insights, die Claas den Kunden liefert, gehören Informationen über den Spritverbrauch, den Füllstand des Korntanks, aber teilweise - etwa bei Maishäckslern - auch darüber, wann der nächste Überladewagen an anderer Stelle gebraucht wird. "Das sind Themen, bei denen wir Kunden mit digitalen Produkten wunderbar unterstützen können, so dass keine Brüche in der Prozesskette entstehen, keine Leerfahrten erfolgen, keine Standzeiten", erklärt Holbrügge.
Verlagerung in die Cloud
Wie der IT-Manager berichtet, erhielt die am Hauptsitz im nordrhein-westfälischen Harsewinkel ansässige Corporate IT vor knapp vier Jahren vom Management die Anforderung, die dazugehörige Plattform samt Kommunikationsstruktur in Richtung Cloud zu bewegen, um damit verbundene Vorteile wie eine bessere Skalierbarkeit zu nutzen. Erntemaschinen seien zwar ein sehr saisonales Geschäft, mit rund um den Globus verteilten Standorten gebe es aber weltweit immer einen Ort, an dem gerade die Ernte eingefahren wird, so Holbrügge: "Das ist das Spannende an unserem Geschäft, bringt aber auch gewisse Herausforderungen. Dadurch benötigen wir immer mal wieder an der einen Stelle mehr Infrastruktur und an einer anderen weniger. Diese Voraussetzungen verlangen natürlich gleich auf den ersten Blick nach der Cloud, schneller Skalierbarkeit und den ganzen Buzzwords in diesem Themenumfeld."
Allerdings wollte Claas mit dem Wechsel in die Cloud nicht nur die Technik umstellen, sondern auch die Corporate IT näher ans Business rücken. "Mit dem Umzug in die Cloud konnten wir eine neue Arbeitsweise vorantreiben: Agilität, Zusammenarbeitsmodelle, Infrastructure as a Code - das alles bedeutet natürlich auch eine Veränderung des Mindsets", berichtet der Claas-Manager. Unterstützung erhielt das Unternehmen dabei vom Implementierungspartner Cluster Reply, der sich auf Microsoft-Lösungen spezialisiert hat und bereits Erfahrungen mit Projekten wie Claas' Azure-Plattform sammelte.
Die Plattformen der anderen Hyperscaler bieten zwar ähnliche Funktionalitäten, erklärt Holbrügge. Genauer hinschauen sollte man allerdings auf die Zusammenarbeit der Systeme im laufenden Betrieb. "Hier hängt viel davon ab, ob man schon eine Beziehung zu einer Plattform hat, also Themen wie die Synchronisation von Accounts und von Daten, einheitliche Logging-Datentöpfe und ähnliches." Hier sprach bei Claas alles für die Azure-Plattform, da bereits Office-Anwendungen und einige Cloud-Dienste von Microsoft im Einsatz waren.
Orientierung an der Referenzarchitektur
Wie der IT-Manager ausführt, nutzt Claas Azure IoT und die bekannten Komponenten, die durch das Platform-as-a-Service-Modell zur Verfügung stehen. "Wir können uns da ein wenig an der Referenzarchitektur von Microsoft orientieren", erklärt Holbrügge. "Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, sondern profitieren davon, dass alles schon qualitätsgesichert und skalierbar ist und wir uns um diese Dinge nicht kümmern müssen. In vielen Teilen sei es einfach ein Schieberegler, den man für ein paar Instanzen mehr bedient.
PaaS-Dienste ermöglichten eine hohe Geschwindigkeit, so der Claas-Manager. Für 80 Prozent der Fälle gebe es fertige Lösungen. Für individuelle Anforderungen müsse man allerdings nach wie vor selbst Hand anlegen.
Bei aller Geschwindigkeit darf natürlich die Datensicherheit und -integrität nicht zu kurz kommen, betont Holbrügge. "Was wir in Azure aufgebaut haben, ist eine Basis, die sehr solide sein muss, weil unsere Kollegen, die die Business-Applikationen entwickeln, darauf aufsetzen. Sie verarbeiten die Daten noch weiter für ihr jeweiliges Fachgebiet und ihre Features, und liefern diese dann an die Kunden aus. Daher ist die Datenverlässlichkeit wichtig, damit keine größeren Ausfälle entstehen."
Der Integrations- als Sparringspartner
Laut Holbrügge fungierte Cluster Reply bei dem Projekt als Sparringspartner, der zu jedem Zeitpunkt hinterfragt habe, welchen Aufwand die gewünschte Anforderung produziert - aber auch, welchen wirtschaftlichen Ertrag sie letztendlich bringt. Der Dienstleister war es auch, der bei der Claas IT DevOps als Leitmotiv zur Anwendung brachte. Die Fragestellung bei Claas lautete dabei: Wie kann die Agilität helfen, den Bedarf, den der Kunde heute äußert, möglichst schnell zu bedienen.
"Dafür müssen alle Zahnräder ineinandergreifen, da braucht es auch dieses Mindset, diesen Change: weg von langem Planen über Pflichtenhefte, Lastenhefte und hin zur Agilität, mit der Frage: Wie schnell kann ich dem Kunden das liefern, was er eigentlich haben möchte?", führt der IT-Manager aus. "Also etwa Zwei-Wochen-Sprints und auch kontinuierliche Deployments. Nachdem wir damit Erfahrung gesammelt haben, können wir uns mittlerweile trauen, das auch während der Ernte zu tun."
Und auch wenn es hin und wieder Probleme gegeben habe - das schnelle Deployment, kombiniert mit automatisiertem Testen sichere eine gute Qualität und das Bewusstsein, dass auftretende Fehler sehr schnell gefixt werden könnten, so Holbrügge.
Konnektivität über die eigene Plattform hinaus
Da die Erntemaschinen im Gegensatz zum klassischen IoT nicht immer online sind, aber dennoch viele Daten übertragen werden müssen, spielt das Kommunikationskonzept für Claas eine wichtige Rolle. Zu klären waren insbesondere folgende Fragen, erklärt Holbrügge: "Wie erhalten wir ein gutes Buffering auf unseren Maschinen? Wie schaffen wir es im Anschluss, dass die Maschine die Daten abliefern kann und dass es für den Kunden nachvollziehbar ist, wann sie übertragen werden, dass sie sicher in der Cloud liegen und verarbeitet werden und vor allem, dass der Kunde seine Daten nutzen kann?"
Eine Anwendung, für die die Cloud-Plattform zum Einsatz kommt, ist die im November 2019 auf der Agritechnica vorgestellte Lösung Data Connect. Dabei handelt es sich um eine Cloud-to-Cloud-Schnittstelle, die mit Marktbegleitern wie John Deere, 365Farmnet und CNH entwickelt wurde, um Echtzeitdaten zwischen den einzelnen Telematikplattformen zu teilen. Auf diese Weise stehen dem Landwirt alle notwendigen Kennzahlen seiner gemischten Maschinenflotte in einem System zur Verfügung.
"Dazu brauchen Sie nicht nur diese skalierbaren Themen, sondern auch die Fähigkeit, durch Agilität in gemeinsame Entwicklungszyklen zu kommen, abgestimmte Zeitpläne, das ist eine andere Nummer als in einem einfachen Wasserfall-Modell", erklärt der Claas-Mann: "Wenn man nicht nur moderne Anwendungslandschaften besitzt, sondern auch die richtigen modernen Prozesse darauf laufen hat, dann hebt man den ganzen Schatz."
Lessons Learned
Wie Holbrügge ausführt, seien Themen wie Infrastructure als Code, Deployment über Azure DevOps - früher hieß es TFS (Team Foundation Server) - für die Corporate IT bei Claas fundamentale Bausteine. "Natürlich hat es etwas gedauert, diese aufzubauen, das Know-how zu erwerben, aber auch die Pipeline zu verstehen, um bei Problemen Lösungsansätze zu entwickeln", so Holbrügge. Wenn man diese Themen durchdrungen hat und mit der Methodik kombiniert, werde man aber wirklich schnell.
"Durch PaaS wird man extrem schnell", schwärmt der Claas-Manager. "Es ist schon sehr beindruckend, wie man ausgehend von der ersten Idee Prototypen mal eben aufbauen kann, die Kollegen, auch von anderen Fachbereichen, zusammenholt und sagt: 'Lass uns das einfach mal ausprobieren'. Trägt sich die Idee, entwickeln wir sie weiter, wenn nicht, ist das auch okay, dann haben wir ein Learning für das nächste Mal. Das ist der größte Vorteil von Cloud-PaaS-Lösungen: Man wird schnell und beweglich. Try fast, fail fast, klingt zunächst wie ein weiteres Buzzword, es steckt aber viel mehr dahinter!"