Er gehört zu den namhaftesten deutschen Experten in Cloud-Fragen: Staatssekretär a.D. Horst Westerfeld (ehemaliger CIO des Landes Hessen). Beim Computerwoche-Wettbewerb Best in Cloud, der am 22. und 23. Oktober 2014 in Frankfurt am Main stattfindet, sitzt er auch in diesem Jahr in der Jury. Wir haben mit Ihm über den Wettbewerb, die Cloud und die Versäumnisse der Politik mit Blick auf die Zukunft der deutschen IT-Infrastruktur gesprochen.
Hat sich die mit den Snowden-Enthüllungen verstärkte Diskussion um Datenschutz - auch im Zusammenhang mit Cloud Computing - inzwischen etwas beruhigt?
Horst Westerfeld: Die Diskussion hat sich relativiert. Es ist nun klar, dass es weder vor der NSA noch von anderen Geheimdiensten Schutzgarantien gibt. Insofern ist Cloud Computing nicht unsicherer.
Anbieter wie Uber oder Airbnb sorgen im Moment für eine breite Diskussion. Internet-Angebote, die sich als Plattformen positionieren, scheinen traditionelle Branchen wie in diesen Fällen das Taxi- und das Hotelgewerbe anzugreifen. Ist hier mehr behördliche Regulierung nötig?
Horst Westerfeld: Gerade in Deutschland und Europa werden behördliche Regelungen verlangt und auch umgesetzt. Das bedeutet keinen Schutz vor Trends, es werden nur Innovationen im eigenen Land erschwert. Schutzzonen führen in der Regel zu Wettbewerbsnachteilen.
Die digitale Revolution in Deutschland
Die Politik bemüht sich derzeit, dem Tempo der digitalen Entwicklungen standzuhalten. Vor einigen Wochen kam die "digitale Agenda" heraus, die gleich überall verrissen wurde. Soeben hat nun die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, die neue "Hightech-Strategie" der Bundesregierung vorgestellt. Haben Sie den Eindruck, dass die Politik wirklich verstanden hat, was digitale Revolution für die deutsche Volkswirtschaft bedeutet?
Horst Westerfeld: Nein. Die Politik hat zu dem Thema digitale Revolution nichts erkannt. Die angekündigten vagen Maßnahmen helfen der deutschen Volkswirtschaft nicht. Aber Günther Oettinger, der künftig Europas digitale Agenda koordinieren soll, könnte ein Strohhalm sein.
Die Computerwoche hat den Wettbewerb Best in Cloud vor vier Jahren gestartet, um zu zeigen, was in der Cloud alles möglich ist. Sie waren von Beginn an Jurymitglieder. Wie lautet Ihr Zwischenfazit?
Horst Westerfeld Die Computerwoche hat mit diesem Wettbewerb zum richtigen Zeitpunkt begonnen, nämlich in der Initialphase der Anwendung von Cloud Computing. Damit hat sie in Deutschland einen enormen Schub bewirkt, der vor allem mittelständische IT-Unternehmen vorangebracht hat. Damit hat die Computerwoche Wirtschafts- und Innovationsförderung betrieben, was eigentlich Aufgabe des Staats sein sollte. Der Wettbewerb hat auch bewirkt, dass die großen IT-Unternehmen schneller aufgewacht sind. Wir haben in diesen vier Jahren sehr interessante und vielversprechende Projekte und Ansätze gesehen.
Cloud Computing gehört zu den wichtigsten Triebfedern für IT-Innovationen. Das Tempo der Branche ist enorm. Haben Sie den Eindruck, dass die Anwender hier mithalten können? Und müssen sie das überhaupt?
Horst Westerfeld: Die Projekte, die wir in den vier Wettbewerben gesehen haben, sind Cloud Computing-Projekte, die vor allem die Anwenderseite vorangebracht hat - mit allen Vorteilen des Cloud Computing: flexibel, schnell, on demand, dynamisch skalierbar, pay per use. Die Anwender können nicht nur mit der Entwicklung mithalten, sie treiben Cloud Computing in ihren eigenen innovativen Bereichen voran. Es wird auch weiter Segmente geben, die mit "konventioneller" IT unterstützt werden. Die innovativen Anwender werden schon aus Effizienzgründen Cloud Computing einsetzen müssen.
Manche Anwender fürchten die Cloud, weil sie sich nicht zu stark in Abhängigkeit begeben wollen. Ist das nicht auch in typischen On-premise-Szenarien der Fall? Ist die Flexibilität in der Softwarenutzung nicht vielleicht sogar ein Vorteil der Cloud-Lösungen?
Horst Westerfeld: Die Frage ist deswegen gut, weil sie schon die Antwort enthält. Anwender haben sich mit den On-premise-Szenarien in eine hohe Abhängigkeit gebracht. Mit Cloud Computing kann man diese Abhängigkeit, nicht nur im Softwarebereich, durchbrechen. Man braucht aber schon gute IT-, Organisations- und Vertrags-Kenntnisse, um nicht in neue Abhängigkeiten zu geraten.
Gefahren durch die Public-Cloud
Viele Unternehmen fürchten erhöhte Sicherheitsrisiken insbesondere beim Einsatz von Public-Cloud-Lösungen. Sind die Befürchtungen berechtigt? Wo sehen Sie die größten Gefahren?
Horst Westerfeld: In der Regel werden Public Cloud-Lösungen in professionellen Rechenzentren mit professionellem Personal betrieben, so dass viele mittelständische Anwender eine höhere Sicherheit haben als bei selbstbetriebenen Lösungen. Sicherheit ist vor allem auch eine vertragliche Aufgabe in den Service Level Agreements. Die Nichteinhaltung der Service-Levels kann mit entsprechenden Vertragsstrafen abgegolten werden. Die Gefahr, dass Geheimdienste die Daten ausspähen, ist in allen Nationen gegeben. Insofern gibt es davor aktuell keinen Schutz.
Herr Westerfeld, das Land Hessen, dessen CIO Sie lange Jahre waren, hat sich auch unter Ihrem Einfluss intensiv darum bemüht, das Cloud-Thema regional aufzugreifen und angemessene Infrastrukturen und Rahmenbedingungen zu schaffen. Wie ist der Status quo heute in Hessen - auch im Vergleich zum Bund?
Horst Westerfeld: Die Bemühungen werden fortgesetzt. Es könnte allerdings schneller gehen. Erste Ansätze gibt es auch im Bund. Hier wird es wahrscheinlich noch weniger schnell gehen. Trotz Schuldenbremse fehlt der ökonomische Druck zur Effizienzsteigerung.
Zum Schluss möchte ich nochmal auf Best in Cloud zurückkommen: Seit 2011 hat die Jury über 100 Cloud-Projekte für den Wettbewerb zugelassen. Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Warum?
Horst Westerfeld: Eine Anwendung, die Landmaschinen aus der Cloud steuert. Es ist nicht nur eine innovativer Ansatz des Cloud Computings, sondern auch im Kontext von Industrial Internet zu verstehen.
Vielen Dank für das Gespräch und bis zum 22. Oktober in Frankfurt!