Über 200 neue Produkte und Features sollen es sein, und damit die bisher größte Produktvorstellung in der noch jungen Geschichte von VMware. Neben hinzugekauften Portfolio-Elementen wie Wavemaker, Slide Rocket oder Socialcast, die sich um Collaboration oder Präsentationen in der Cloud kümmern sollen, betreffen sie laut Martin Niemer, Director SMB Solution Marketing EMEA, vor allem ein "komplettes Update der unteren Infrastrukturschicht“. Dazu gehören unter anderem vSphere und vSphere Director.
Die neue Version des Kernprodukts vSphere 5 soll die Performance und Verfügbarkeit von geschäftskritischen Applikationen erhöhen. Man geht bei dem Anbieter davon aus, dass Virtualisierung heute bereits 40 bis 50 Prozent aller Unternehmen erreicht habe und dass nun eine neue Etappe beginne. Nun sei es an der Zeit, die großen geschäftskritischen Installationen wie Datenbanken oder SAP zu virtualisieren, wie Country Manager Germany Jörg Hesske Mitte Juli auf dem VMware Forum in München erläuterte.
Zugleich peilt VMware eine führende Rolle beim Cloud Computing an – ähnlich wie schon die Muttergesellschaft EMC und nahezu jeder der großen IT-Anbieter, der etwas auf sich hält. Keiner will zumindest bestehende Marktanteile verlieren und auf jeden Fall bei der nächsten großen Welle dabei sein, auch wenn nicht immer klar ist, mit welchem spezifischen Herstellerinhalt man auf ihr reiten will.
Bei VMware nimmt man einerseits die inzwischen allgemein übliche Umetikettierung vor – die IT-Branche hängt neue wolkige Labels an ihre bestehenden Produkte oder behauptet, dass man schon längst im Cloud-Geschäft war und es nur nicht so genau gewusst hatte. VMware nennt vSphere und verwandte Software-Komponenten jetzt auch "Cloud Infrastructure Suite“. Ziel sei es, "immer mehr Ressourcen im Rechenzentrum automatisch zu verwalten“.
Für diesen Zweck kündigte man in München die baldige Verfügbarkeit von VMware vShield 5, VMware vCenter Site Recovery Manager 5 und VMware vCloud Director 1.5 an: "In Verbindung mit vSphere 5 ermöglichen diese Produkte einen Cloud-skalierbaren Betrieb und erhöhen den Wert, den Kunden aus virtualisierten Ressourcen ziehen.“
VMware will mit Software eine Mainframe-gleiche Hardware bauen
Paul Maritz, CEO von VMware und Ex-Manager bei Microsoft, setzt die Messlatte sehr hoch an: Er vergleicht die eigene Cloud-Strategie mit dem, was sein früherer Arbeitgeber Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts mit dem Office-Paket auf den PCs schaffte: Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentations-Software arbeiteten auf der Basis des darunter liegenden Windows-Betriebssystems nahtlos zusammen und trugen wesentlich zur Erhöhung der Produktivität in den Büros bei.
Laut New York Times sagte Maritz in einem Interview: "Wir tun das Gleiche für automatisierte Cloud-Infrastrukturen“. Man will also so etwas wie der Kitt sein, der die Rechenzentren in ihrem Innersten zusammen hält. Maritz ist der Ansicht, dass der neue Software-Layer aus dem eigenen Hause "so etwas wie die neue Hardware“ sei. Damit will der VMware-CEO an die Leistung der historischen Mainframes anknüpfen, die alles – Hardware, Software, virtuelle Schichten, Management und Automatisierung – aus einer Hand anbieten.
Selbst wenn die Kunden alle entsprechenden Funktionen, die VMware anbietet, realisieren können, gibt es eine handfeste Gefahr: Hinter der automatisierten Cloud Infrastructure Suite lauert ein proprietäres System. Und das bedeutet langfristig ein Hersteller-Lockin. Genauso wie es beim Mainframe noch heute der Fall ist – IBM-Kunden können ein Lied davon singen.
Die Sache wird für die Anwender nicht dadurch besser, dass sie im Moment die Auswahl haben zwischen verschiedenen Cloud- und Infrastruktur-Anbietern: Neben VMware sind das Microsoft, Citrix, HP, IBM oder Oracle und vielleicht demnächst auch Dell. Nur weil etwas "Cloud“ (oder "Virtualisierung“) heißt, wird es nicht weniger proprietär. Sich nur auf die eine Variante eines Herstellers zu verlassen, entspricht nicht gerade den Grundsätzen eines Risiko-Managements.