Wenn ITSM vor einigen Jahren noch als "Realitätscheck für die Digitalisierung" galt, dann hatten die meisten sicher nicht die heutige Realität im Kopf, in der Unternehmen und ihre IT nicht nur eine Krise zu bewältigen haben. Corona-Folgen, gestörte Lieferketten, Fachkräftemangel und mittlerweile auch Energiekrise und Inflation haben dafür gesorgt, dass Effizienzsteigerungen und die digitale Transformation überlebensnotwendig für das eigene Business werden - das konstatieren auch die Expertinnen und Experten des COMPUTERWOCHE-Roundtables zum Thema "Digital Workflows".
"Viele Unternehmen, auch aus dem Mittelstand, stehen angesichts der aktuellen Lage unter Druck, mit digitaler Transformation und mehr Automatisierung die Auswirkungen einer Rezession zumindest teilweise abzufedern", beschreibt Samira Przybilla von IBM die Situation. Damit deckt sich der Eindruck auch mit den Ergebnissen der COMPUTERWOCHE-Studie zum Thema ITSM im vergangenen Jahr. Für rund 67 Prozent der befragten Unternehmen ist die Optimierung der IT-Prozesse das mit Abstand das wichtigste Ziel bei der Einführung eines ITSM-Tools. Insbesondere die mittleren Unternehmen zwischen 500 und 999 Mitarbeitern legen diese Hoffnung in eine "Servicierung".
Dass die bewährten Tools und Frameworks von ITSM mittlerweile auch in ganz anderen Unternehmensbereichen außerhalb der IT ankommen, ist ein seit längerem zu beobachtender Trend, der nicht zuletzt in der Entstehung des Enterprise Service Management (ESM) gipfelte. Eine folgerichtige Entwicklung: So geht der potenzielle Nutzen eines Helpdesks heute deutlich über die Kern-IT eines Unternehmens hinaus. Best Practices, Tools und Frameworks stiften auch in HR, Fuhrparkmanagement oder anderen Unternehmensbereichen einen Zusatznutzen. Im Kontext von ESM spricht nun nicht mehr nur die IT-Abteilung, sondern auch die Fachbereiche von Service Level Agreements oder Ressourcenmanagement.
Dass ESM beispielsweise auch im Bereich Risikomanagement eine zunehmend wichtige Rolle spielt, zeigt Dr. Juergen Erbeldinger, CEO von ESCRIBA, auf Basis eigener Erfahrungen auf: "ESM ist bzw. sollte die technische Basis für Risk- und Business Continuity Management sein. Diese Themen gewinnen in Krisenzeiten an Bedeutung. Wir rechnen deshalb mit weiterhin steigender Nachfrage nach unseren Lösungen."
Automatisierung ja, aber strukturiert
Der Erfolg von ITSM sorgt aber auch dafür, dass andere Themen wie eine flächendeckende Automatisierung in greifbare Nähe rücken. Unternehmen sollten dabei aber nicht den zweiten Schritt vor dem ersten gehen: Gerade bei der Frage "Wann überhaupt über Automatisierung reden?" entwickelte sich auch in der Computerwoche-Diskussionsrunde eine lebhafte Diskussion.
Für Jörg Petzhold von Matrix42 ist klar, dass Hype-Themen wie KI und Machine Learning natürlich immer angesprochen werden, viele Kunden allerdings eher noch bei den Basics stehen, wie beispielsweise der Etablierung eines Incident Managements. Es besteht aber durchaus eine gewisse Offenheit, neue Technologien als Add-Ons mit aufzunehmen - zum Beispiel die automatisierte Erkennung gleichartiger Tickets, Chatbots und andere Features.
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Doch wer bei der Einführung von ITSM und ESM zu kleinteilig auf die Detailebene geht, droht sich auch zwischen den Tool-Optionen zu verlieren, anstatt fundamentaler an die Sache ranzugehen. Dr. Florian Meister von Serviceware beobachtet deshalb eine erhöhte Nutzenorientierung und Bewertung der Sinnfrage vor allem in Krisenzeiten: "Heute sind die Unternehmen verhaltener geworden, wenn es um die Neuanschaffung eines Tools geht. Die Beratungszyklen haben angesichts der aktuellen Situation zugenommen. Es wird jetzt viel häufiger die Nutzenfrage gestellt. ITSM muss zum Beispiel beantworten, welchen Beitrag es zur Bekämpfung des Fachkräftemangels leistet - und Zukunftstechnologien wie Prozessautomatisierung und künstliche Intelligenz aktiv mitdenken." Angesichts dieser Nutzenorientierung empfiehlt Dr. Meister auch eine Herangehensweise, die mit einer gründlichen Bestandsaufnahme beginnt. "Wenn ich von 500 Workflows einen automatisiere, dann habe ich noch nicht wirklich was erreicht."
Unternehmen müssten deshalb fundamentaler an die Sache herangehen und sich fragen, welche Leistungen sie überhaupt erbringen und welche Ressourcen sie dafür aufwenden wollen. Erst nach Beantwortung solch fundamentaler Fragen ergebe eine Automatisierung Sinn.
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Zum Thema Digital Workflows führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Regina Hermann (rhermann@idg.de, Telefon: 089 36086 161) und Manuela Rädler (mraedler@idg.de, Telefon: 089 36086 271) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF). |
Wissenstransfer braucht Kulturtransfer
Wer über ITSM, ESM oder Digital Workflows spricht, landet früher oder später zwangsläufig bei der Rolle der Fachbereiche, immer flankiert von der Frage, wo die perfekte Balance zwischen IT-Unterstützung und "Self Service" liegen könnte. Einer der Haupttreiber der Diskussion liegt dabei in der gestiegenen IT-Kompetenz auch außerhalb der IT-Abteilung. "Fachabteilungen wollen ihre Prozesse heute weitgehend selbst gestalten. Hier entsteht gerade ein interessantes Spannungsfeld, denn um die Prozesse in digitale Logik zu übersetzen braucht es zwangsläufig die IT-Abteilung", sagt Ralf Schnell von Servicenow.
Management und IT-Abteilung sollten an dieser Stelle deshalb nicht den Fehler machen, ihre eigenen Terminologien auch auf den Fachbereich anzuwenden, wie Sven Schindler-Grünholz vom Service Provider Oneio betont: "Sowohl die IT-Abteilung als auch die Herstellerseite wollen oft ihre spezifischen Erfahrungen und Best Practices der Fachabteilung überstülpen. Diese hat aber oft eine ganz genaue Vorstellung davon, was sie erreichen und wo sie unterstützt werden möchte. Diesen Need zu adressieren, darin liegt der Schlüsselweg für erfolgreiche Workflows."
Die hohe Komplexität klassischer ITSM-Tools steht diesem Self-Service-Anspruch allerdings oft im Weg. Der Fokus von Service Providern verlagert sich daher immer häufiger darauf, diese Tools und Prozesse zu harmonisieren: "Es ist notwendig, einen zweiten Layer über alle Prozesse hinweg einzuziehen, der von jedem Ort aus bedient werden kann. Auf diese Weise gelingt auch eine Konsolidierung der Toollandschaft, bei der SAP, Salesforce und Co. nicht ersetzt, aber harmonisiert werden", so Jörg Petzhold von Matrix 42.
Nur wenn so eine Harmonisierung gelinge, können die Mitarbeiter in den Fachabteilungen selbst zu Treibern von Digitalisierung und Automatisierung werden. Dafür ist laut Florian Hennhöfer von Efecte auch ein gewisses Enablement nötig: “Wir brauchen Leute mit IT-Know-How, die gemeinsam mit der Fachabteilung Prozesse in implementierbare Workflows übersetzen. Das Stichwort bei der User Experience lautet Self Service.”
Höhere Entlastung durch Automatisierung
Je besser die Synchronisation zwischen IT und Fachabteilung und je reibungsloser und automatisierter die eingesetzten Dienste laufen, desto höher ist auch die Entlastung, die auf beiden Seiten erreicht wird. Insbesondere die IT-Abteilung hat also auch ein ureigenes Interesse daran, in Zeiten des Fachkräftemangels auch die eigene Arbeitsbelastung zu reduzieren, wie Andreas Schmidt von Ivanti bemerkt: "Die einzige Möglichkeit technische Fachkräfte zu halten, sowie die Mitarbeiterzufriedenheit hoch zu halten, liegt in der Automatisierung von IT-Diensten und Bereitstellung von Services" Erst sie erlauben es, dass sich Teammitglieder auf Aktivitäten konzentrieren können, die das Geschäft vorantreiben und zur Unternehmensstrategie beitragen."
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