"Ich wette, dass die Rolle des CIOs in zehn Jahren obsolet ist. Es wird künftig nicht mehr genügen, dass der CIO der Einzige ist, der technische Zusammenhänge versteht."
Die Nutzung von Informationstechnik ist längst nicht mehr einer Elite von Experten vorbehalten. Inzwischen hat die IT den Kontext der Arbeit verlassen und unseren Alltag erobert. Weder Autos noch Waschmaschinen kommen heute ohne Embedded-Software aus, und der Einkauf bei Amazon oder das Abschließen einer Versicherungspolice im Netz sind für uns genauso normal geworden wie der Umgang mit einem Smartphone.
Dessen Geburtsstunde liegt übrigens fast genau zehn Jahre zurück: Auf der CeBIT 2001 wurden erste Geräte vorgestellt, die die Funktionen von PDA und Handy in sich vereinten. Das Magazin "Chip" erkannte darin einen wichtigen Trend für die Zukunft - mit dieser Einschätzung hatten die Redakteure ins Schwarze getroffen.
In den Folgejahren erlebten wir, wie sich ein plumper Backstein namens Mobiltelefon in einen kleinen smarten Alleskönner verwandelte, und ich glaube, niemand hätte damals gedacht, dass wir heute Teile von Geschäftsprozessen über unsere Smartphones abwickeln. Aber genauso ist es gekommen.
Und wie geht es weiter? Im Jahr 2021 wird Technologie wahrscheinlich so allgegenwärtig sein, dass jeder - vom Kleinkind bis zum Großvater - sie nutzt, ohne noch groß darüber nachzudenken. Sie wird weitere Lebensbereiche erobern und oft nicht mehr als IT wahrgenommen werden.
2 Gründe für das Ende der klassischen CIO-Rolle
Wenn IT so allgegenwärtig geworden ist, wird auch die Rolle des CIOs - wie wir sie heute kennen - passé sein. Das glaube ich aus zwei Gründen:
Erstens, weil eine einzelne technologiegeprägte CxO-Rolle im Unternehmen nicht mehr ausreichen wird. Schon heute sind so gut wie alle Prozesse IT-gestützt - angefangen von der Produktionssteuerung über die Integration von Lieferanten bis hin zu Marketing, Vertrieb und HR.
Es wird künftig nicht mehr genügen, dass der CIO der Einzige ist, der technische Zusammenhänge versteht. In zehn Jahren wird, meiner Ansicht nach, Technologieverständnis genauso zum Repertoire von Führungskräften gehören wie Kenntnisse der Betriebswirtschaft
Den zweiten Grund sehe ich darin, dass sich die Rolle des CIOs ausdifferenzieren wird. Schauen wir noch einmal zurück: Vor zehn Jahren war der CIO dafür zuständig, ein neues SAP-System in fünf Ländern in einem angemessenen Zeitraum und zu angemessenen Kosten einzuführen und zu betreiben. Im Laufe der vergangenen Jahre musste er sich dann zusätzlich immer tiefer in die Geschäftsprozesse einarbeiten - sich mit der Produktion auseinandersetzen, verstehen, wie der Vertrieb arbeitet und wie das Contact Center funktioniert, um die richtigen Anwendungen einzukaufen und die IT-Landschaft in die richtige Richtung zu entwickeln.
Heute soll der CIO zusätzlich eine Nase dafür haben, mit welchen neuen iPhone-Apps sein Unternehmen Kunden gewinnen könnte, wie die Anwendung am Ende aussehen sollte und wie sie technisch bereitgestellt werden könnte. Habe ich die Berechnung des Business Case vergessen?
Das letzte Beispiel ist vielleicht ein wenig überzogen, aber es verdeutlicht, dass die Anzahl der Aufgabengebiete des CIOs proportional zur Durchdringungsrate von IT steigt. Je mehr Prozesse von Technologie gestützt werden, desto breiter wird sein Aufgabengebiet. Kundenbindung fällt zwar nicht in sein Ressort, aber da iPhone-Apps relativ neu und außerdem Software sind, erwartet die Fachseite, dass der CIO sich damit auskennt.
Die CIO-Rolle wird in unterschiedliche Aufgabengebiete geteilt
Problematisch an dieser Entwicklung ist, dass in Zukunft mehr oder weniger alles mit IT zu tun haben wird. Und kein CIO wird sich mit allen Fachgebieten auskennen können, in denen sein Unternehmen IT einsetzt. Ich gehe davon aus, dass seine Rolle künftig in unterschiedliche Aufgabengebiete geteilt wird.
Derzeit wird zum Beispiel ein duales Modell diskutiert. Anstatt eines CIOs gäbe es dann den Chief Technology Officer und den Chief Process Officer. Der Erste beschäftigt sich ausschließlich mit IT und ihrer Bereitstellung, während der Zweite die Geschäftsprozesse versteht und den Bedarf ermittelt. Ich glaube, dass dieses Rollenmodell ein guter Anfang wäre.
Bis 2021 wird diese Ausdifferenzierung meiner Ansicht nach aber noch weiter gehen: Dann könnte es beispielsweise jeweils einen Technologieverantwortlichen für jede Fachabteilung des Unternehmens wie Produktion, Vertrieb und Marketing et cetera geben. Ebenso denkbar wäre die Differenzierung nach Art und Umfang der menschlichen Interaktion. Prozesse, die vollautomatisch ablaufen, fielen dann in ein anderes technisches Ressort als Vertriebs-, Marketing- und Serviceprozesse, die ein benutzerfreundliches Interface voraussetzen und für viele verschiedene Endgeräte konzipiert werden.
Der CIO wird zum IT-Scout
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass im Jahr 2021 alle IT-Leistungen eingekauft und in der Cloud bereitgestellt werden, sodass man im Prinzip nur noch eine kleine IT-Abteilung benötigt, die Services in die Anwendungslandschaft integriert. Der CIO würde dann eher zu einem IT-Scout werden, der neue Technologien und Anbieter evaluiert - und später im Griff behält.
Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass es bis 2021 einen Chief SecurityOfficer im Vorstand geben wird. Da sich die Unternehmens-IT immer mehr nach außen öffnet, wird die Sicherheit der eigenen und der Kundendaten eine immer wichtigere Aufgabe. Sicherheit wird in unserer künftigen vernetzten Welt einen so hohen Stellenwert einnehmen, dass für deren Wahrung eine ganz neueRolle geschaffen werden wird.
Chief Security Officer kommt in den Vorstand
Den CIO, wie wir ihn heute kennen, wird es in zehn Jahren sicher nicht mehr geben. Dafür entwickeln sich die IT und ihre Rolle im Alltag viel zu dynamisch.
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