Es hat gescheppert. Gut ein Jahr ist es her, dass SAP mit der Durchsetzung seines neuen Wartungsmodells viel Porzellan zerschlagen hat. Der Konzern hat gute Gründe angeführt: Man will eine Rendite von 30 Prozent schaffen, andere Softwareanbieter kassieren schon längst mehr, die letzte Preiserhöhung liegt schon lange zurück. Vor allem jedoch ist es so, dass das Mit- und Nebeneinander verschiedener Anwendungen die Wartung der Systeme immer komplizierter macht. "Enterprise Support ist die notwendige Grundlage, um den gestiegenen Anforderungen der Unternehmen an ihre IT nachzukommen", betont Volker Merk, Deutschland-Chef von SAP. "Nur damit können wir unsere versprochenen Leistungen auch erbringen.“
Die Kunden haben das Nachsehen. Sie haben schlichtweg keine Wahl, kurzfristig ihr ERP auszutauschen. Trotz lautstarker Proteste beharrt der Konzern auf der Preiserhöhung. Unternehmen in Deutschland, Österreich und einigen weiteren kleinen Staaten hatten Glück. Da es hier problematisch ist, Verträge einseitig zu kündigen, ruderte SAP in diesen Ländern zurück.
Doch der Eindruck vom Elefanten im Porzellanladen bleibt. Gerade hat SAP es wieder krachen lassen: Das Zugeständnis der Wahlfreiheit zwischen Enterprise und Standard Support hat sich für einige als Nachteil entpuppt. Die Preise werden nun individuell ermittelt – entscheidend ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
Gerade langjährige Kunden werden für ihre Treue bestraft. Wer seinen Vertrag 2005 abgeschlossen hat, muss 2010 für den Standard Support ebenso viel zahlen wie andere für den Enterprise Support in der ersten Stufe - also 18,36 Prozent. Schlimmer kommt es für den, der vor 2005 unterzeichnet hat. Hier steigt der Prozentsatz kontinuierlich und reicht bis zu einer Höhe von 20,7 Prozent für Vertragsabschlüsse aus dem Jahr 2000, dem letzten Jahr, für das abgerechnet wird.
Für Werner Schwarz, CIO der Gerolsteiner Brunnen GmbH und Mitglied des CIO-Beirats der DSAG, ist die Botschaft ganz klar. "Über die Preiserhöhung sollen Kunden bewegt werden, sich für den Enterprise Support zu entscheiden, auch wenn sie an den darin enthaltenen Leistungen keinen Bedarf haben." (siehe Kasten: "DSAG gründet CIO-Beirat)
Die Deutschsprachige SAP Anwendergruppe (DSAG) hat auf dem Jahreskongress in Bremen ein neues Gremium gegründet: den CIO-Beirat. Die Gruppe soll strategische Themen identifizieren, bündeln und formulieren. Damit hofft die Anwendervertretung, Positionen von CIOs künftig besser gegenüber der SAP AG vertreten zu können. "Der CIO-Beirat ist der Versuch, die Zusammenarbeit zu institutionalisieren", erklärt DSAG-Vorstand Liebstückel. "Das heißt, es werden Verantwortlichkeiten benannt und Kommunikationswege festgelegt." Nicht zuletzt verbindet sich damit die Hoffnung, den Argumenten der Anwendervereinigung zusätzliche Schlagkraft zu verleihen: "CIOs besitzen nun mal eine ökonomische Macht", stellt Liebstückel klar. Immerhin sind sie diejenigen, die in ihren Unternehmen über die Anschaffung der Software und die Umsetzung von Projekten entscheiden. Insgesamt sieben Mitglieder wurden Ende September in Bremen gewählt: Stefanie Kemp von der Vorwerk & Co. KG, Marco Lenck, Rhein Chemie Rheinau GmbH, Michael Nippel, Viega GmbH & Co. KG, Simone Rehm, Trumpf GmbH & Co. KG, Werner Schwarz, Gerolsteiner Brunnen GmbH & Co. KG, Thorsten Steiling, Ejot Holding GmbH & Co. KG, sowie Johannes Truttmann, Krombacher Brauerei Bernhard Schadeberg GmbH & Co. KG. An Themen jedenfalls wird es den frischgebackenen Beiräten nicht fehlen: Auf der Wunschliste an SAP steht beispielsweise die Forderung nach der Vereinfachung des Lizenzmodells sowie einem optionalen Wartungsmodell. Im Bereich ERP gilt es zudem zu klären, dass die Roadmap aktualisiert und eingehalten wird. |
Es bleibt das Gefühl der Ohnmacht
Volker Merk wiegelt ab: "Nur ein geringer Teil der Kunden hat tatsächlich einen so alten Vertrag. Im Schnitt sind die Verträge drei oder vier Jahre alt." In den meisten Fällen gebe es ohnehin nicht nur einen Vertrag, sondern mehrere, und die Preiserhöhung beziehe sich immer auf die einzelnen Abschlüsse. "Dadurch entsteht bei den Kunden oft eine Mischung aus höheren und weniger hohen Preissteigerungen." Merk reicht den schwarzen Peter an die Kunden weiter: "Immerhin haben wir durch die besondere Behandlung der Standard-Support-Kunden einen Mehraufwand – das darf man auch nicht unberücksichtigt lassen."
Für den CIO bleibt das Gefühl der Ohnmacht. Viele IT-Manager wollen sich aus der Umklammerung lösen. Oder zumindest den Druck abfedern. Zum Vorzeigebeispiel hat sich hier Siemens aufgeschwungen.
Anfang Herbst wurde bekannt, dass Siemens seinen Wartungsvertrag mit SAP gekündigt hat. Laut "Wirtschaftswoche" verhandelten die Münchener mit Drittanbietern wie IBM, HCL oder Rimini Street. Keiner der Beteiligten wollte diese Nachricht kommentieren. Siemens tauchte unter und erst in einer Pressemeldung aus Walldorf wieder auf. Diese verkündete stolz, die Zusammenarbeit der beiden Konzerne werde künftig noch enger sein. Demnach erweitert Siemens sein SAP-Portfolio um SAP-SRM und verlängert den Wartungsvertrag für drei Jahre.
Nun brodelt die Gerüchteküche. Siemens habe in den USA sehr wohl Gespräche mit Drittanbietern geführt. Es gilt als sicher, dass die Münchener ihre Zahlungen an SAP drücken konnten – von 35 auf 17 Millionen Euro, lautet es im Extrem. Eine solche Einsparung klingt unrealistisch, wahrscheinlicher ist hingegen, dass SAP die neuen Applikationen als Geschenk auf das Paket draufgelegt hat.
"Es lässt sich vieles verhandeln", sagt Peter Wesche, Analyst bei Gartner. Wenn der Verhandlungspartner ein ordentliches Gewicht besitzt, allemal. "Bei einem Konzern wie Siemens geht es um Millionen, und es geht um ein Signal an den Markt." Unter Großkunden dürfte der Deal aufmerksam verfolgt worden sein: Daimler, BASF oder Lufthansa stehen angesichts der Krise unter massivem Kostendruck. Nicht zuletzt gelten für große Konzerne ohnehin Sonderkonditionen. Für sie gibt es beispielsweise mit den General Enterprise Agreements (GEA) eine Art "All-you-can-eat"-Programm, in dem sämtliche Software und Services mit einer Pauschale abgegolten sind. Doch so etwas kriegen nur die ganz Großen. "Wenn das Villeroy & Boch versuchen würde", weiß CIO Thomas Ochs "dann bin ich sicher, dass SAP uns nicht ernst nimmt."
Benchmarking soll es richten
Ochs, der weiterhin Standard Support bezieht, wäre ja schon froh gewesen, zeitig zu erfahren, wie viel Geld er denn im nächsten Jahr für die Pflege hinzublättern hat. Bis Ende Oktober ließ sich SAP Zeit. Und das, obwohl er und viele seiner Kollegen mitten in der Budgetplanung waren oder diese gar schon abgeschlossen hatten.
SAP weist die Schuld für diese Verzögerung von sich: "Wir haben die Absicht zur Erhöhung lange vorher bekannt gegeben," erklärt SAP-Manager Merk. "Um die exakte Höhe festzustellen, mussten wir zunächst die Zahlen des Statistischen Bundesamtes abwarten." Den Vorschlag der DSAG, sämtliche Preiserhöhungen einfach erst ab der Indexentwicklung aus dem Jahr 2008 zu berechnen, lehnt er ab.
Unklarheit bei den Preisen ist nun leider auch bei SAPs Wunschmodell Enterprise Support ausgebrochen. "Support-Benchmarking" ist das magische Wort, das die Runde macht. Die Resultate aus dem Benchmarking sind fest mit der nächsten Erhöhung verknüpft, lassen nun aber noch bis Ende des Jahres
auf sich warten.
Randnotiz: Dass SAP Schweiz hier schon einmal vorpreschte und seinen Kunden schrieb, sie hätten ab 2010 eine Gebühr von 18,9 Prozent zu zahlen, hat sich als falsch herausgestellt und gehört ins Reich der "Kundenkommunikation, die gerade nicht optimal läuft".
Richtig ist: Die Support-Gebühr erhöht sich im angekündigten Umfang, wenn der Mehrwert von Enterprise Support nachgewiesen wird. Hinter dem "Sugen KPI Benchmarking" verbirgt sich ein Konstrukt aus verschiedenen Indikatoren, die den Nutzen für die Unternehmen sichtbar machen sollen. Dieser Mehrwert war es schließlich, mit dem SAP sein neues Wartungsmodell den Kunden schmackhaft machte. Schnellere Problemlösungen oder Extra-Reportings in der Fehleranalyse würden die Extra-Ausgaben wieder ausgleichen, hieß es.
Da niemand diesen Worten Glauben schenkte, vereinbarte SAP mit der Sugen, einer Dachorganisation nationaler Anwendervereinigungen, den Mehrwert konkret nachzuweisen. Dass es SAP ernst ist, soll die verbindliche Kopplung an die nächste Gebührenerhöhung zeigen.
Klingt schön, hat jedoch einen entscheidenden Haken: Die als "Benchmarking" bezeichnete Messung findet bei weltweit 100 Kunden statt. Diese haben sich auf mehrere Jahre verpflichtet, an dem Projekt teilzunehmen, und genießen nun im Gegenzug eine Sonderbehandlung der Extraklasse. "Das ist nicht das, was unter Enterprise Support zu verstehen ist", urteilt Peter Wesche, Research Director IT Asset Management & Procurement bei Gartner. Wenn SAP seine besten Berater jetzt in diese 100 Unternehmen schickt, kann man allenfalls von einem Projekt unter idealen Bedingungen mit höchstmöglicher Betreuung und Aufmerksamkeit sprechen. Selbst wenn man wollte, wird es unmöglich sein, diese Pflege zigtausend SAP-Anwenderunternehmen angedeihen zu lassen.
Natürlich ist Wesche überzeugt, dass sich gerade am Anfang des Monitorings ("Man kann gar nicht von Benchmarking sprechen") positive Ergebnisse einstellen werden. "Es gibt im SAP-Betrieb immer etwas, das sich verbessern lässt." Erfahrene SAP-Berater werden ohne Mühe die eine oder andere Schraube finden, mit der sich der Nutzen zunächst einmal leicht in die Höhe drehen lässt. "Und dann hat SAP seine perfekte Marketing-Story", sagt Wesche.
Noch kein Mehrwert erkennbar
Die Kunden durchschauen diese Taktik sehr wohl und verlassen sich lieber auf das Urteil von Kollegen. "Den Mehrwert von Enterprise Support konnte mir noch keiner erklären", sagt IT-Leiter Ochs. "Enterprise Support ist ein Rückschritt", behauptet gar ein Teilnehmer auf der Bremer DSAG-Tagung, der ungenannt bleiben will. "Was SAP internationalen Support nennt, bedeutet doch, dass die Kunden in Support-Centern zum Beispiel in Indien anrufen und mit Leuten sprechen, mit denen sie sich schlecht verständigen können."
"Es ist kein Mehrwert durch Enterprise Support erkennbar", schallte es Ende September auch aus der Schweiz, wo alle CIOs gezwungenermaßen den neuen Support beziehen. In einer Gruppe aus mittlerweile 50 Unternehmen haben sich SAP-Kunden zur IG Wartung Schweiz zusammengeschlossen. Sie setzen sich gegen die Bevormundung von SAP zur Wehr und fordern unbeirrt eine Wahlfreiheit beim Support-Modell. Vier Unternehmen aus dieser Gruppe sind Teil des KPI-Messprogramms. Das erste Meinungsbild der Gruppe spricht eine klare Sprache: Statt einen Mehrwert zu finden, deckte die Messung sogar Mängel im Enterprise Support auf, beispielsweise das Fehlen einer sauberen Dokumentation.
Kein Wunder, dass in Deutschland die meisten Kunden bislang nicht zu einem Umstieg auf Enterprise Support zu bewegen waren. Rund 24 Prozent der Bestandskunden, so die Schätzung des Marktforschers Raad Consult, haben gewechselt, ein weiteres Viertel hat sich mit dem Thema befasst, und der Rest kennt das Modell gerade mal dem Namen nach (siehe Grafiken).
Ob Enterprise oder Standard, die Diskussion hat eine Lawine losgetreten, von der SAP vielleicht heute schon wünschen sollte, man hätte sie nicht ausgelöst. Die Kunden mussten sich dem Druck beugen – doch Druck erzeugt Gegendruck. Seit Ende vergangenen Jahres überlegen CIOs fieberhaft, wie und wo sie ihr Budget entlasten können. Wen wundert’s, dass ihre Suche vor allem auf ihre "SAP-Kosten" zielt.
Option 1: Wartung durch Dritte
Wohin, wenn man den Support nicht mehr direkt von SAP beziehen möchte – das betrifft in erster Linie mit einem Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro beziehungsweise einer Milliarde den Handel. Die am Partnerprogramm beteiligten Dienstleister verkaufen SAP-Lizenzen und -Wartung nur Unternehmen, die unter dieser Umsatzgrenze liegen. Sie sind ebenfalls an die Vorgabe aus Walldorf gebunden – hier stehen die Chancen also schlecht. Martin Arnoldy, Chef von IBMs SAP Growth Program, sieht beispielsweise keine Möglichkeiten, am Preis zu rütteln: "Als Partner von SAP bezahlen wir die vertraglich vereinbarten Fixpreise."
Doch an den Leistungen lässt sich vielleicht drehen. Arnoldy ergänzt: "Als Partner unserer Kunden haben wir allerdings die Möglichkeit der direkten und indirekten Flexibilisierung bei den Wartungskosten." Thomas Ochs, dessen Unternehmen Villeroy & Boch direkt von SAP betreut wird, hat sich bemüht, einen neuen Wartungspartner zu gewinnen. Die Gespräche mit einzelnen Anbietern liefen vielversprechend, berichtet er, es zeichnete sich tatsächlich ab, dass diese die Services flexibler und in Teilen auch günstiger hätten liefern können. Trotz fortgeschrittener Verhandlungen fand die Vertragsunterzeichnung jedoch nicht statt. Ob die Partner da vor ihrem strategischen Partner aus Walldorf einknickten?
Mit Spannung erwartet die SAP-Community daher den schon lange angekündigten Markteintritt von Rimini Street, einem Drittanbieter von ERP-Wartung. Das Unternehmen wirbt mit einer Halbierung der Kosten, nur leider weiß niemand so recht, was davon zu halten ist. Was passiert beispielsweise mit dem so wichtigen Zugriff auf das OSS (Online Service System), in dem Fehler und ihre Korrekturen beschrieben werden? Was ist mit dem Einbau veränderter rechtlicher Vorgaben (Legal Patches), auf die jedes Unternehmen angewiesen ist?
Rein theoretisch läge hier eine Lösung des Problems: "Rimini Street wäre das Beispiel eines freien Dienstleisters, der die entsprechenden Fachleute hat und die Wartung sehr wohl übernehmen kann. Schließlich hat jeder zertifizierte SAP-Berater Zugriff auf das OSS", sagt Wesche. In Deutschland wird man sich jedoch noch gedulden müssen, das US-amerikanische Unternehmen ist gerade vollauf damit beschäftigt, sein Europa-Geschäft aufzubauen.
Option 2: Abschied von SAP
Nicht wenige Kunden spielen zumindest gedanklich mit dieser Lösung. "Léo Apotheker treibt uns im Moment die Kunden in die Arme", erzählt Oswald Gomolka, neuer Geschäftsführer des ERP-Anbieters Wilken. Mit seinem Fokus auf Energie- und Finanzdienstleister kann das Unternehmen im Mittelstand immer häufiger direkt gegen SAP antreten. Ein klares Zeichen, dass die Nummer eins am Markt nicht mehr automatisch als gesetzt gilt. "Die Unternehmen schauen sich jetzt eher um, als sie es früher getan haben", so Gomolka. Und manches Mal bleibt SAP dann auf der Strecke. So entschieden sich beispielsweise die Stadtwerke Neuss und die Technikwerke Friedrichshafen klar gegen die Walldorfer und für den Ulmer Spezialisten.
Die beiden Unternehmen haben damit einen Schritt getan, der von den meisten SAP-Kunden als letzter Ausweg gesehen wird. "Natürlich können wir niemals aus SAP aussteigen", so ein IT-Leiter auf dem DSAG-Treffen. "Wir haben in puncto SAP eine enorme Komplexität erreicht. Mehr für die Wartung zu zahlen ist deutlich günstiger, als sich von SAP zu verabschieden." Ein Kollege, der ebenfalls nicht genannt werden will, schließt die Option zumindest nicht kategorisch aus: "Wir überlegen ernsthaft, SAP ganz rauszuwerfen", sagt er. "Darüber spricht natürlich niemand. Kurz- beziehungsweise mittelfristig ist das mit Risiken verbunden, die der Unternehmensleitung zu groß sind." Langfristig werde man sich aber mit Sicherheit nach einer Alternative umschauen. Sein Unternehmen hat sich daher für eine weitere Option entschieden.
Option 3: Neues von anderen Anbietern kaufen
Wie dieser DSAG-Teilnehmer machen es viele: Sie decken Randbereiche nicht mehr mit Software aus Walldorf ab. "Das ist sicherlich eine Möglichkeit", kommentiert Gartner-Analyst Wesche. Für neue Produkte muss man nicht SAP wählen. Ob dieser Weg der günstigere ist, lässt sich pauschal nicht klären. "Sicher ist, dass es heute durch die Möglichkeiten der Serviceorientierung leichter machbar ist", so Wesche.
Rein theoretisch bewältige das aktuelle SAP-System die Grundprozesse der Betriebswirtschaft für die nächsten Jahre. Woran die Unternehmen arbeiten, ob Interfaces, Automatisierung oder Prozesse, "das kann man anflanschen". Ob man sein Ziel, unabhängiger zu werden und die SAP-Kosten zu senken, damit erreicht, hängt letztlich allerdings wieder von SAPs Lizenzbestimmungen ab. "Die erlauben solche Erwei-terungen ja nicht unbegrenzt."
Option 4: Im SAP-Betrieb einsparen
Wenn nicht an der Wartung gespart werden kann, dann vielleicht an anderen Ecken des SAP-Betriebs. Fakt ist, dass eine Reihe von Unternehmen erst einmal bereits geplante Projekte auf Eis gelegt haben. Doch das kann keine Dauerlösung sein. Andere IT-Anbieter wittern Morgenluft: Performance-Spezialisten beispielsweise oder Lizenz-Management-Füchse, die Systeme und Verträge auf Herz und Nieren prüfen und hier klare Einsparpotenziale aufzeigen können.
IBM etwa hat im vergangenen Jahr besagtes Business namens SAP Growth Program gestartet und nimmt in erster Linie SAP-Bestandskunden ins Visier. Mit Fachwissen aus unterschiedlichen Bereichen wird ein sogenanntes Dachangebot geschnürt, das Einsparungen bei Infrastruktur oder Hardware, beim Sourcing und Lizenz-Management oder dem Betrieb der Applikationen aufspürt. "An den Technologien im SAP-Betrieb lassen sich im Schnitt zwischen 40 und 60 Prozent des Aufwands einsparen", verspricht IBM-Manager Arnoldy.
Option 5: Das Beste draus machen
SAP ist gesetzter Standard im Unternehmen, und an den Kosten ist auch nicht mehr zu rütteln? In diesem Fall bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, alles auszuschöpfen, was man schließlich auch bezahlt. "Mit Resignation aufseiten der Kunden hat das nichts zu tun", sagt Gartner-Analyst Wesche. "Immerhin ist nun eine Diskussion über den Wert des Supports entstanden, und das kann man auch als Chance verstehen." Was die Prozesse der Unternehmen betrifft, wird SAP hier nie an die Erfahrung der eigenen Leute herankommen. Aber die Unternehmen können sich helfen lassen, indem Walldorf ihnen erklärt, wie sie ihre Prozesse am besten mit der Standardsoftware unterstützen.
Bei alledem sollten die SAP-Anwender nicht vergessen, dass auch SAP unter Druck steht. Die Neun-Monats-Bilanz 2009 sah keineswegs rosig aus. Nach Non-US-GAAP und währungsbereinigt verbesserte sich die operative Marge um 0,7 Prozentpunkte auf 24,2 Prozent. Auch die Wartungseinnahmen legten zu. SAP konnte hier mit fast vier Milliarden Euro zwölf Prozent mehr einstreichen als im Vorjahreszeitraum. Damit macht dieses Geschäft nun mehr als die Hälfte von SAPs Gesamteinnahmen in Höhe von knapp
7,4 Milliarden Euro aus.
Weniger glänzt SAPs zweitgrößter Posten, der Verkauf von Lizenzen. Und der hat einen herben Schlag abbekommen. Um mehr als ein Drittel (minus 35 Prozent) sanken die Einnahmen aus genau dem Geschäft, das die Basis für spätere Wartungserlöse bildet. Nach rund 2,3 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum schrumpfte das Softwaregeschäft auf knapp 1,5 Milliarden in den ersten drei Quartalen 2009.
In ihren Statements zum abgeschlossenen dritten Quartal lenkt das SAP-Management gerne den Blick auf "Schwellenländer und Japan", der Motor ist aber vor allem hierzulande ins Stocken geraten. Mit rund einem Fünftel an SAPs Gesamtumsatz ist Deutschland immerhin nach wie vor einer der wichtigsten Einzelmärkte der Walldorfer. Richtig ist, dass Japan relativ gesehen am stärksten nämlich um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahresviertel schrumpfte. Doch absolut betrachtet sieht es ganz anders aus: In Japan setzte SAP 85 Millionen Euro um, am deutschen Heimatmarkt mit 481 Millionen mehr als das Vierfache dieses Betrags.
Die deutschen Kunden haben wahr gemacht, was sie voriges Jahr prophezeit hatten: Sie kaufen weniger Lizenzen. Den Rückgang allein dem Wartungspreis-Desaster zuzuschreiben wäre einseitig, plagen sich viele CIOs doch mit ganz anderen, oft sogar existenziellen Problemen. Doch klein beigeben sollten sie keineswegs – immerhin ist 2010 auch das Jahr, gegen dessen Ende Léo Apothekers Vertrag ausläuft.
"30 Cent von jedem Euro für SAPs Gewinn"
Auf dem Jahrestreffen der DSAG Ende September nach ihrer Meinung befragt, wichen viele IT-Verantwortliche aus. Sie möchten ihren Namen nicht in der Presse lesen. Warum? "Ich würde Ärger mit meiner Firma, aber auch mit SAP bekommen." Würde sich SAP bei ihnen beschweren? "Sicher nicht. Die würden das von oben reinkippen, also über unsere Geschäftsleitung." |
"Wir können niemals aus SAP aussteigen. Wir haben in puncto SAP eine enorme Komplexität erreicht. Und zwar auch deshalb, weil SAP diese Komplexität anbietet." "Als SAP den Zwangsumstieg auf Enterprise Support ankündigte, beschloss ich, den geplanten Upgrade von 4.7 auf 6.0 nicht durchzuführen. Ich sehe darin funktional keine echten Vorteile, dafür aber erhebliche Kosten." "Wir überlegen, SAP ganz rauszuwerfen. Darüber spricht natürlich niemand. Mittelfristig ist das mit Risiken verknüpft, die der Unternehmensleitung zu groß sind. Langfristig werden wir uns aber nach Alternativen umsehen." "Natürlich ist jetzt bei SAP viel von Offenheit die Rede. Aber als Enterprise Support eingeführt wurde, war das nicht der Fall. Das hat SAP Knall auf Fall durch-gezogen, ohne die Kunden zu fragen. Die DSAG hat schon viel gekämpft in dieser Sache, aber nur wenig erreicht. SAP zieht das ja durch, rückt nicht ab von seinem Modell." "Raus kann niemand. SAP auszutauschen ist eine Operation am offenen Herzen." "Das System ist eigentlich gut und funktioniert auch. Aber die Komplexität – da blicken immer weniger von unseren eigenen Leuten durch, was die Abhängigkeit von SAP weiter erhöht. Unsere Geschäftsleitung hat das Problem voll erkannt, weiß aber nicht so recht, was sie tun soll." "In unserem Unternehmen spüren wir von Enterprise Support gar nichts – außer dass es teuer ist, natürlich." "30 Prozent Gewinnmarge! Von jedem Euro, den ich nach Walldorf überweise, bleiben 30 Cent auf SAPs Konto – nur damit der Kapitalmarkt glücklich ist." |