Enterprise Resource Planning

Die schlimmsten ERP-Katastrophen

13.09.2017 von Josh Fruhlinger, Thomas Wailgum und Florian Maier
Sie denken die Ausrollung Ihrer ERP-Software war desaströs? Warten Sie ab, bis Sie diese haarsträubenden Stories gelesen haben.

Es ist wahrlich kein Wunder, dass Enterprise Resource Planning(ERP)-Systeme einen derart schlechten Ruf haben. Denn die Historie des durchaus komplexen Markts für Enterprise Software ist gespickt mit Händler-Schlammschlachten, völlig überzogenen Hypes und epischen Einführungs-Debakeln.

Knapp daneben ist eben auch vorbei: Wir zeigen Ihnen die größten ERP-Fails der letzten Jahre.
Foto: Oleksii Sidorov - shutterstock.com

Wenn ERP-Systeme zum Fail werden

Wie kritisch die Einführung eines ERP-Systems für Unternehmen sein kann, lässt sich ganz gut mit Zahlen bemessen: Milliarden. Denn bei den gerichtlichen Auseinandersetzungen, die einemfehlgeschlagenen ERP- oder CRM-Rollout folgen, geht es inzwischen in der Regel um einen Streitwert von mehreren Milliarden Dollar.

In einer Umfrage von Panorama Consulting Solutionsaus dem Jahr 2015 charakterisieren 21 Prozent der befragten Unternehmen die Integration Ihrer neuen ERP-Software als Fehlschlag. Es liegt also nahe, dass es "da draußen" zu jeder Menge ERP-Katastrophen kommt. Aber durch die enorm hohen Investitionen, die hier auf dem Spiel stehen und dem weiter wachsenden Trend, Streitfälle vor Gericht auszufechten, werden diese Katastrophen heute sichtbarer denn je. Schließlich stehen die Chancen gut, dass bei einem öffentlichen Prozess auch eine guteStory für die Presse rausspringt. Auf der anderen Seite fallen dabei allerdings regelmäßig auch einige Details der Auseinandersetzung aus rechtlichen Gründen unter den Tisch.

Woran ERP-Projekte wirklich scheitern
Woran ERP-Projekte wirklich scheitern
Folgende Ursachen können eine ERP-Einführung gefährden:
1. Starke Fürstentümer behindern übergreifende Prozesse.
2. Zu viel Harmoniebedürfnis verzögert und verwässert die Entscheidungen.
3. Falsch verstandene Schnelligkeit hat Nachbesserungen im Schlepptau.
4. Unternehmerische Entscheidungen werden an Berater ausgelagert.
5. Fehlende Kompetenzen kommen am Ende teuer zu stehen.
6. Kompetenzwirrwarr führt zu "elektrifiziertem Chaos".
7. Softwareauswahl ohne eine vorherige Prozessanalyse funktioniert nicht.

Greg Crouse ist Managing Director bei der Unternehmensberatung Navigant Consulting und tritt regelmäßig als Experte und Berater in solchen Gerichtsverfahren auf: "Sie dürften sich schwer tun, irgendjemanden zu finden, der offen über so einen Fall spricht. Entweder wird ewig prozessiert oder es gibt eine Einigung mit anschließender Schweigevereinbarung."

Nichtsdestotrotz haben wir die dramatischsten ERP-Fails, -Flops und -Kehrtwenden, die sich über die letzten Jahre ereignet haben, für Sie zusammengestellt. Denn wie sagt man so schön: Aus Fehlern lernt man. Und wenn es nur die der Anderen sind.

Vodafone und der lange Arm des Gesetzes

Als der britische TK-Gigant Vodafone seine CRM-Systeme auf einer Siebel-Plattform (Siebel gehört seit 2006 zu Oracle) konsolidieren will, kommt es zu Problemen: Nicht alle Kundenkonten werden ordnungsgemäß migriert. Das Unternehmen schweigt die Vorfälle zunächst tot. Keine gute Idee, denn die ersten Kunden bemerken relativ schnell, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, als Einzahlungen auf Prepaid-Konten nicht verbucht werden.

Das Ende vom Lied: Vodafone wird Ende 2016 von den britischen Regulierungsbehörden zu einer Strafzahlung von 4,6 Millionen Pfund verdonnert. Und auch wenn dieser spezielle Vorfall durch die Zahlung der Strafe noch relativ glimpflich ausgegangen ist, es kann auch anders kommen, wie Crouse weiß: "Wenn es Probleme bei großen Implementierungen gibt, finden die Kunden das heraus - weil Sie bei Problemen dazu verpflichtet sind, das den Regulierungsbehörden zu melden. Auch privatrechtliche Folgen sind daher nach einem solchen Vorfall nicht auszuschließen."

Wurden Fails wie diese in früheren Zeiten eher unter den Teppich gekehrt, ist das wegen der schärferen regulatorischen Anforderungen nun nicht mehr möglich. Die Unternehmen gehen deswegen des Öfteren dazu über, die Schuld für solche Desaster über den Rechtsweg jemand anderem in die Schuhe zu schieben.

Studiengebühren für ein ERP-Debakel

Dass das auch andersherum geht, beweist der Fall des Washington Community College. Die Studenten der US-Hochschule bezahlen über Jahre Studiengebühren, von denen ein Teil dazu verwendet werden soll, um den Umstieg auf ein PeopleSoft ERP-System zu ermöglichen. Live gehen soll das System im Jahr 2012. Umgesetzt ist es bis heute nicht. Ein Grund für die Verzögerungen: die 34 Kampusse im System setzen auf höchst unterschiedliche Geschäftsprozesse, die standardisiert werden müssen. Klar wird das allerdings erst, als der Rollout bereits läuft.

Inzwischen verschärft ein weiterer Vorfall die schwelende Krise: Das Unternehmen Ciber, das die Einführung der ERP-Software übernehmen soll, muss im April 2017 Insolvenz anmelden. Der IT-Dienstleister HTC Global übernimmt kurz darauf die maroden Reste von Ciber, kündigt den Vertrag mit dem Washington Community College und verklagt den Bundesstaat Washington auf 13 Millionen Dollar. Schließlich sei die ERP-Katastrophe ausschließlich auf "interne Fehlfunktionen" auf Seiten der Bildungsinstitutionen zurückzuführen.

Auf Nachfrage bestätigt Crouse, dass Animositäten dieser Art nicht unüblich sind: "Es gibt Fälle, in denen der Kunde unzufrieden mit der Arbeit des für die Implementierung zuständigen Unternehmens ist und es deshalb verklagt. Es gibt aber auch Fälle, in denen unzufriedene Kunden kurzerhand einfach keine Rechnungen mehr bezahlen oder solche, bei denen Dritte involviert sind. Jede dieser Parteien kann als Ankläger oder Verteidiger auftreten - je nachdem, wer zuerst die Nerven verloren hat." Und der ERP-Rollout zieht sich weiterhin.

Woolworth und das Down(under)-ERP

Probleme im Zusammenhang mit Daten gibt es auch bei Woolworth in Australien. Anlass ist 2015 der Umstieg von einem 30 Jahre alten Do-It-Yourself- auf ein SAP-ERP-System. Eine der schwerwiegendsten Folgen: Die Gewinn-und-Verlust-Berichte, die für jedes Ladengeschäft wöchentlich zusammengestellt werden, können über einen Zeitraum von 18 Monaten nicht erstellt werden.

Das Problem liegt ganz konkret in einem Wechsel der Methode zur Datenaggregierung. Der eigentliche Grund ist aber, dass das Unternehmen seine eigenen Prozesse nicht vollständig versteht. Denn die Prozesse des Tagesgeschäfts werden nicht richtig dokumentiert und als ältere Mitarbeiter die Firma während der sechsjährigen (!) Umstellungsphase verlassen, geht eine Menge institutionalisiertes Wissen verloren. Das dann wiederum nicht in den Rollout des neuen Systems einfließen kann.

"Ich sehe oft, dass Unternehmen die Mitarbeiter, die die Geschäftsprozesse wirklich kennen, nicht in einen solchen ERP-Rollout mit einbeziehen", sagt Crouse. "Sie machen daraus Halbtagsstellen oder heuern neue Leute an, die der IT-Abteilung dann Anweisungen geben sollen, was sie zu tun haben. Beides funktioniert nicht. Man muss an dieser Stelle diejenigen Leute einsetzen, die die Prozesse, die sie optimieren wollen, wirklich gut kennen. Tut man das nicht, ist es ganz natürlich, dass Probleme auftreten."

ERP zerschießt Expansionspläne von Target

Nicht wenige Firmen die ERP-Software einführen, sehen sich auch mit Problemen konfrontiert, wenn es darum geht, Daten von den Legacy-Systemen in die neue Infrastruktur zu migrieren. Als der US-Einzelhändler Target 2013 seine ersten Läden in Kanada eröffnet, wollen die Verantwortlichen dieses Problem verhindern. Statt die Daten zu konvertieren, sollen einfach ausschließlich neue Einträge in das SAP-System fließen.

Pünktlich zur Eröffnung bricht die Lieferkette des Unternehmens dann in sich zusammen. Der Fehler ist schnell gefunden: die vermeintlich frischen Daten. Denn die sind nur so gespickt mit Fehlern. Wie sich herausstellt, wurden die Einträge händisch erstellt - und zwar größtenteils von neuen Mitarbeitern, die aufgrund ihrer fehlenden Erfahrung nicht erkennen konnten, wenn sie vom Hersteller mit Fehlinformationen versorgt wurden. Viel zu enge Deadlines setzen dem Ganzen noch die Krone auf. Letztendlich sind nur 30 Prozent der Daten im neuen SAP-ERP korrekt. 2015 muss Target sämtliche seiner Filialen in Kanada schließen.

PG&E und die Demo-Datenbank

Um solche Deaster zu vermeiden, wird das neue ERP-System in manchen Fällen mit Produktionsdaten getestet, die aus existierenden Datenbanken importiert werden. So kann man sicherstellen, dass Datenfehler vor dem Rollout korrigiert werden. Allerdings beinhalten die Daten aus der Produktion auch wertvolle, vertrauliche und/oder proprietäre Informationen, die während des Testings genauso geschützt werden müssen wie sonst auch.

Im Mai 2016 entdeckt Chris Vickery, Sicherheits-Analyst bei UpGuard eine öffentlich zugängliche Datenbank. Wie sich herausstellt, handelt es sich dabei um das Asset Management System von Pacific Gas & Electric (PG&E). Darin enthalten: Details und Informationen über rund 47.000 Unternehmensrechner, virtuelle Maschinen, Server und andere Devices. Und es wird noch besser: Sämtliche Daten sind völlig frei zugänglich, weder Passwort noch Nutzername sind zur Einsichtnahme nötig.

PG&E bestreitet zwar zunächst, dass es sich tatsächlich um Produktionsdaten handelt, Vickery aber hält dagegen und entlarvt das Datenleck als direkte Folge der ERP-Ausrollung. Ein Drittanbieter war von PG&E damit beauftragt worden, Live-Daten in eine "Demo"-Datenbank zu migrieren, um überprüfen zu können, wie sich das System unter realen Produktionsbedingungen schlägt. Dumm nur, dass hierbei das Schutzniveau, das solche Datenbanken benötigen, gänzlich außen vor gelassen wurde.

Hersheys unheilvolles ERP-Erwachen

Könnte eine fehlerhafte Implementierung von Technologie (in diesem Fall SAPs R/3 ERP) ein Fortune-500-Unternehmen zu Fall bringen? Nun ja, zumindest erlebt Hershey Foods im Herbst 1999 weder gute Geschäfte, noch macht man sich bei den Investoren an der Wall Street beliebt.

Denn grausige Probleme entstehen beim US-Unternehmen gleich an drei Fronten: SAP ERP, Siebel CRM und Manugistics Supply-Chain-Applikation rotten sich zu einem Mekka der Fehlfunktionen zusammen und verhindern die Auslieferung von Halloween-Süßigkeiten im Wert von 100 Millionen Dollar. In der Folge bricht der Aktienkurs von Hershey Foods um ganze acht Prozent ein.

Nike sucht den Superstar

Wenn der Sportartikel-Riese Nike satte 400 Millionen Dollar in seine Supply Chain und in ERP-Systeme investiert, kann doch eigentlich nichts mehr schiefgehen oder? Weit gefehlt. Denn unter dem Strich stehen für Nike am Ende 100 Millionen Dollar aus entgangenen Verkäufen, ein Einbruch der Unternehmensaktie um 20 Prozent und eine ganze Reihe von Sammelklagen.

Nikes ERP-Drama spielt sich im Jahr 2000 ab. Verantwortlich dafür ist der kühne Plan der Manager, ERP, Lieferkettenmanagement und CRM in einem "Superstar System" zu konsolidieren. In diesem Fall war "Just Do It" wohl nicht der richtige Claim.

Zum Video: Die schlimmsten ERP-Katastrophen

Hewlett-Packard hat "kleine Probleme"

Die beinahe schon legendäre Story von HPs Bemühungen, seine heterogene ERP-Landschaftin Nordamerika in einem SAP-System zu konsolidieren, beweist einmal mehr, dass man in SachenERP Projektmanagement gar nicht pessimistisch genug sein kann. Denn die Projektmanager im Hause HP wissen 2004 ganz genau Bescheid, was bei einem ERP-Rollout alles schiefgehen kann. Nur sind sie nicht darauf vorbereitet, dass so viele Dinge auf einmal schiefgehen.

Das gesamte Projekt kostet das Unternehmen satte 160 Millionen Dollar - inklusive Order Backlogs und entgangener Einnahmen. Dieser Betrag ist übrigens das Fünffache der ursprünglich veranschlagten Kosten des Projekts. Gilles Bouchard, damaliger CIO von Hewlett-Packard beschreibt die Vorfälle folgendermaßen: "Wir hatten eine Reihe von kleinen Problemen, von denen eines alleine keine größeren Probleme verursacht hätte. Aber zusammen haben sie das perfekte Unwetter erschaffen."

Studienanfänger vs. ERP

Der Einstieg ins Studentenleben wird einigen Erstsemestern der Universitäten von Massachussetts, Stanford und Indiana im Jahr 2004 gehörig verhagelt.

Mehr als 27.000 Studierende haben zum Start des Semesters mit verbuggten Portalen und ERP-Applikationen zu kämpfen - einige finden ihre Kurse nicht, andere bekommen die für die Ausbildung notwendige, finanzielle Unterstützung nicht. Erst nach Wochen herrscht wieder Ordnung unter den Erstsemestern.

Wenn das SAP-ERP auf die Deponie gehört

Waste Management ist das größte, privat geführte US-Unternehmen im Bereich der Abfallwirtschaft. Der Müllgigant liefert sich von 2008 bis 2010 ein episches Gerichts-Battle mit SAP. Stein des Anstoßes ist eine für den Zeitraum von 18 Monaten geplante Installation des ERP-Systems aus gleichem Hause. In der im März 2008 eingereichten Klage behaupten die Verantwortlichen von Waste Management, die SAP-Entscheider hätten sich betrügerischer Verkaufsmethoden bedient, die erst zum massiven ERP-Fail geführt haben sollen.

Einige Monate später setzt SAP zum Gegenschlag an: Waste Management habe mehrfach gegen die Vertragsbedingungen verstoßen - ganz konkret habe das Unternehmen weder rechtzeitig und akkurat über seine Geschäftsanforderungen informiert, noch seien ausreichend geeignete und beschlussfähige Benutzer und Manager für die Arbeit am Projekt abgestellt worden.

Erst 2010 einigen sich die Parteien außergerichtlich - nachdem SAP sich bereit erklärt, eine Einmalzahlung zu leisten, über deren Höhe Stillschweigen vereinbart wird.

DSAG-Umfrage: SAP-Anwender investieren mehr Geld
Budgets für IT-Investitionen
Um fast fünf Prozent sollen die IT-Budgets der SAP-Anwender in diesem Jahr wachsen.
Investitionen in neue Geschäftsmodelle
Ein gutes Drittel der befragten SAP-Anwender schätzt Investitionen in neue Geschäftsmodelle als wichtig beziehungsweise sehr wichtig ein.
Business Suite bleibt gesetzt
Vier von fünf SAP-Anwendern stecken weiter Geld in die Business Suite. Für ein Drittel ist diese klassische Lösung sogar der Hauptinvestitionsbereich.
S/4HANA-Umstieg ungewiss
Ein Drittel der Befragten DSAG-Mitglieder hat noch keine Entscheidung darüber gefällt, ob ihr Unternehmen auf die neue Anwendungsgeneration von SAP umsteigen soll.
SAP-Cloud bleibt Nebensache
Für die SAP-Anwender stellen die Cloud-Lösungen aus Walldorf meist nur flankierende und ergänzende Elemente dar. Die Investitionen hier bleiben überschaubar.

Oracles Fusions-Hype

Im Januar 2006 lässt Oracle verlauten, man habe den Entwicklungsprozess seiner Fusion Applications bereits zur Hälfte abgeschlossen. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Hype um die Fusion Apps: eine Enterprise Application Suite, die die besten Features von Oracles E-Business-Suite-, J.D.Edwards-, PeopleSoft- und Siebel-Produktlinien vereinen soll.

Oracles Masterplan ist es damals, "die nächste Generation von Applikationen zu erschaffen, die zum Standard werden". Leider ist auch drei Jahre später immer noch nichts davon zu sehen. Erst im September 2011 kommt es zum Release. Der Hype ist zu diesem Zeitpunkt längst verpufft.

TomorrowNow und der Kampf der ERP-Titanen

Wenn die Instandhaltung von Enterprise Software nicht so verdammt langweilig wäre - die Star-Produzenten Hollywoods würden sich um die Filmrechte an dieser Story prügeln. Im Jahr 2005 kauft SAP TomorrowNow (TN) - ein kleines Unternehmen, das Wartung und Services für Oracles ERP-Produktpalette anbietet. Und zwar für die Hälfte des Geldes, das Oracle verlangt. Natürlich hätten die Services von TN auch genauso gut mit den Produkten von SAP funktionieren können. Zumindest in der Theorie. Inzwischen wissen wir, dass nicht jeder bei SAP die Übernahme von TomorrowNow für eine gute Idee gehalten hat.

Zwei Jahre später holt Oracle dann zum Erstschlag aus und behauptet, SAP habe durch die Akquisition von TN illegalerweise auf geschützten Software-Code und andere Materialien von Oracle zugegriffen. Daraufhin entbrennt ein langwieriger und ziemlich unschöner Rechtsstreit. SAP legt TomorrowNow 2008 relativ plötzlich auf Eis. Der Streit vor Gericht geht dennoch weiter: Erst Ende 2014 einigen sich die beiden Software-Giganten, nachdem SAP bereit ist, 359 Millionen Dollar Entschädigung an Oracle zu überweisen. Natürlich läuft auch das nicht ohne Giftpfeile ab, wie ein Statement von SAP zum Urteil verdeutlicht: "Das ist eine starke Message an alle, die es vorziehen zu betrügen, anstatt fair und rechtmäßig zu konkurrieren".

Unterdessen hat ein ehemaliger Mitbegründer von TomorrowNow mit Rimini Street eine Nachfolger-Firma gegründet, die auf ein ganz ähnliches Geschäftsmodell setzt. Neben Wartung und Service für Oracle-Produkte möchte RiminiStreet dieselben Dienste auch für SAPs ERP-Produkte anbieten. Zum halben Preis.

Noch eine Nacht drüber schlafen?

Wo wir gerade bei SAP sind: Der US-Matratzenhersteller Select Comfort will 2008 gleich mehrere Produkte der Walldorfer implementieren: ERP, CRM sowie Supply-Chain- und andere Applikationen sollen die Unternehmens-IT auf Vordermann bringen.

Unter dem Druck der Aktionäre muss das Unternehmen das 20 Millionen Dollar teure Projekt schließlich einstampfen. Denn die sehen das als extrem schlechte Management-Entscheidung.

8 Trends, die den Markt für Enterprise Software prägen werden
Hybrid Cloud wird zum Mainstream-Thema.
Chris Wolf, Chief Technolgy Officer (CTO) bei VMware in den USA, hat im vergangenen Jahr eine Tendenz zu Multi-Cloud-Strategien beobachtet, die sich seiner Einschätzung nach 2015 verstärken wird. „CIOs wollen die Flexibilität nutzen, die Hybrid-Cloud-Umgebungen bieten“, sagt Wolf. „Und Senior IT-Entscheider werden in Hybrid-Cloud-Architekturen investieren, um ihre Anwendungen und Services zukunftssicher zu gestalten.“ Mit dieser Einschätzung ist der VMware-Manager nicht allein. Für Marc Malizia, CTO bei RKON Technologies, einem Anbieter von Managed-Cloud-Lösungen, wird sich der Trend nicht mehr umkehren: „Die Cloud ist nun schon seit einigen Jahren ein ganz heißes Thema. Unternehmen legen Anwendungen in die Wolke, um schneller zu werden, die Kosten zu senken und einen höheren Servicelevel zu erreichen.“ Malizia erwartet, dass sich 2015 sehr viele Firmen für ein Hybrid-Cloud-Modell entscheiden und dabei externe Cloud-Services mit ihrer hausinternen Private Cloud integrieren werden.
Enterprise Mobile Apps heben ab.
Mobile CRM wird eines der Themen sein, die Enterprise-Software auf mobilen Endgeräten zum Durchbruch verhelfen. Dazu hat nicht zuletzt Salesforce.com beigetragen, das 2014 massiv in seine Mobile Apps investiert und auch seine Integrationspartner dazu gedrängt hat. Mark Seemann, CEO von Synety, einem Spezialisten für die Integration von VoIP-Telefonie in Business-Anwendungen, sieht „Mobile als das wichtigste Schlachtfeld für die großen CRM-Anbieter“. Die Funktionalität der zahlreichen Apps werde sich weiter der von klassischen Web-basierten CRM-Lösungen annähern. Michael DeFranco, Gründer und CEO von Lua, einem Anbieter von sicheren Messaging-Lösungen für Unternehmen, stimmt zu: “Die Mitarbeiter von Unternehmen halten sich immer seltener in ihren Büros und immer häufiger beim Kunden auf. Lösungen wie CRM oder BPM, die mobil einsetzbar sind, werden essenziell.“ Allerdings müsse deren Design optimal auf die Bedürfnisse und das Verhalten mobiler Nutzer abgestimmt sein. Die störungsfreie Kommunikation und Teamarbeit mit den Kollegen im Büro und unterwegs sei erfolgskritisch.
Enterprise Software wird im Abo bezogen.
Anstatt Lizenzen zu kaufen, werden Anwender im großen Stil auf Subskriptionsmodelle wechseln. Das erwartet unter anderem Engin Kirda, Mitgründer und Chief Architect des Security-Anbieters Lastline. „Die Abrechnung von Pro-User- und Pro-Jahr-Gebühren kommt auch für Enterprise-Software und ersetzt Pauschalpreise für Lizenzen und teure Software-Preloads für proprietäre Hardware.“ Nicht nur Enduser-bezogene Anwendungen würden künftig so berechnet, sondern auch Enterprise-Software und -Services – beispielsweise Lösungen für das Data Center Management oder die Einbruchserkennung und –vorbeugung. Die neuen Pricing-Modelle seien besser kalkulierbar und skalierbar.
In-Memory Computing trennt Spreu und Weizen im ERP-Markt.
„Plattformen wie SAP HANA oder Oracle In-Memory Application werden vor allem im Großkundenmarkt den Unterschied zur Konkurrenz ausmachen“, meint Glenn Johnson, Senior Vice President bei Magic Software Enterprises, einem Anbieter von Anwendungs-, Mobility- und Integrationslösungen. “In dem Maße, wie der Hype um Big-Data-Lösungen zunimmt, wird es für ERP-Unternehmen, die – anders als die ganz großen Player - keine In-Memory-Lösungen haben, schwieriger.“
ERP-Welten öffnen sich für tiefe Integration.
„ERP wird flexibler und ermöglicht die Einbindung neuer Einkaufs-, HR- und Kundenservicelösungen“, beobachtet Michael Golz, Senior Vice President und CIO von SAP Americas. SAP habe einige strategische Übernahmen getätigt, darunter die des auf Reisekosten-Management spezialisierten Anbieters Concur. Solche Lösungen könnten ERP-Kunden helfen, den Wert ihres Systems zu erhöhen und den Rahmen auszuweiten. Damit verschwänden die Grenzen zwischen den Enterprise-Software-Systemen immer mehr, und der Wert von IT-Investitionen steige. „Historisch wurden ERP und CRM als zwei separate Systemwelten gesehen“, ergänzt Jeremy Roche, CEO von FinancialForce, einem Anbieter von ERP-Software auf der Salesforce-Plattform. Mittlerweile realisierten viele Unternehmen aber den großen Wert, der darin liege, die Trennung zwischen Front- und Back-Office-Prozessen aufzuheben und das ERP-System ähnlich wie die CRM-Welt weiter in den Vordergrund zu rücken. „Anstatt zu erlauben, dass wichtige Kundeninformationen irgendwo im Unternehmen verteilt herumliegen, gehen Unternehmen daran, CRM und ERP zu einem einzigen System of Engagement zu verschmelzen. So können sie die gesamte ‚Customer Journey‘ begleiten – von der Geschäftsanbahnung bis zur Auslieferung des Produkts und nachgelagerten Service-Prozessen.“
Open Source gewinnt weiter an Bedeutung.
Data Warehousing und Business Intelligence waren lange die Domäne einiger weniger Anbieter von proprietärer Software. Das hat sich geändert. „In den vergangenen zehn Jahren haben sich Techniken wie Hadoop oder später auch Apache Spark als preiswerte Open-Source-Alternativen etabliert, die sowohl vom Maßstab als auch von der Raffinesse her alles mitbringen, um große Datenmengen analysieren zu können“, beobachtet Ali Ghodsi, Mitgründer von Databricks. 2015 werde diese und andere Open-Source-Software noch tiefere Spuren in der Enterprise IT hinterlassen. „Das Hadoop-Ökosystem soll bis 2020 einen Gesamtwert von 25 Milliarden Dollar erreichen“, beruft sich Ghodsi auf Marktforscher. Und Spark werde inzwischen von mehr als zehn Anbietern vermarktet, darunter Größen wie SAP, Oracle, Microsoft und Teradata. Alle großen BI-Tools wie Tableau, Qlik oder MicroStrategy würden unterstützt.
BI-Software wird visuell und einfacher zu nutzen.
„2015 werden Business-Intelligence-Lösungen so gut aussehen wie sie funktionieren - und so gut funktionieren wie sie aussehen“, sagt James Richardson, Business-Analytics-Stratege bei Qlik, einem Anbieter von BI- und Datenvisualisierungswerkzeugen. „Unternehmenskunden verlangen BI-Lösungen, die einfach zu nutzen sind – Self-Service-Lösungen. Visualisierung ist der Schlüssel dafür. Indem Daten in einfach zu erfassende Graphen und Charts aufgelöst werden, können User die Inhalte schnell und auf natürliche Art erfassen. Damit werden die Barrieren zwischen den Menschen und ihren Daten beseitigt“, so der Qlik-Manager.
Social-Web-Analyse wird selbstverständlich.
„2014 haben wir gesehen, dass die Unternehmen ernsthaft damit begonnen haben, Social Data zu analysieren“, sagt Ellie Fields, Managerin bei Tableau Software. Dieser Trend werde sich 2015 weiter verstärken. „Indem Konversationen im Social Web analysiert werden, können Unternehmen herausfinden, worüber ihre Kunden reden und wann ein Thema zu einem Trend wird.“ Social Intelligence sorge dafür, dass Firmen schneller würden und auf Kundenanforderungen, -wünsche und -beschwerden zeitnah reagieren könnten. Wer hier nicht aktiv werde, bringe sich gegenüber dem Wettbewerb ins Hintertreffen.

ERP und SaaS - Vom Exotenduo zum neuen Standard

Als unsere US-Kollegen vom CIO Magazine Anfang 2008 rund 400 IT-Entscheider zu ihren ERP-Systemen befragt, zeigt sich, dass die CIOs weiterhin auf traditionelle On-Premise-ERP-Systeme setzen - den Integrations-Problemen und der Kosten-Explosion zum Trotz.

Wirklich überraschend sind die Ergebnisse allerdings nicht. Schließlich ist ein CIO von Natur aus zögerlich, wenn es darum geht sensible Daten aus ERP-Systemen in die Data Center anderer Unternehmen zu verlagern. Nur neun Prozent der Befragten geben in der Umfrage an, auf ein alternatives ERP-Modell zu setzen - darunter auch SaaS-Applikationen.

Das war vor fast zehn Jahren. Und heute? SaaS-ERP-Provider wie NetSuite haben sich inzwischen mit ihren Geschäftsmodellen Akzeptanz auf breiter Basis erarbeitet. Insbesondere NetSuite kann von dieser Entwicklung profitieren und wird vom Startup zum Industrie-Player. Mitte 2016 wird das Unternehmen für rund 9,3 Milliarden Dollar von Oracle übernommen.

Legendäres Blankziehen auf hoher See

Zugegeben: Mit einem ERP-Rollout hat dieser Vorfall nicht direkt etwas zu tun. Dennoch ist derSegel-"Incident" zwischen SAP-Chef Hasso Plattner und Oracle-CEO Larry Ellison quasi eine moderne Legende.

Was ist passiert? Während des Segelwettbewerbs Kenwood Cup im Jahr 1996 segelt Ellisons Crew (Ellison war selbst nicht an Bord) nachweislich mehrfach an Plattners Segelyacht vorbei. Das wäre nichts Verwerfliches, wäre diese nicht wegen eines gebrochenen Masts liegen geblieben und hätte ein offensichtlich verletztes Crew-Mitglied an Bord gehabt.

Plattners Revanche: Er zieht blank. Angeblich gibt es auch ein Video vom Vorfall. Aufgetaucht ist es bislang nicht. Ob das nun gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Der Schlagabtausch zwischen SAP und Oracle ist damit jedenfalls noch lange nicht beendet.

So stemmen Sie den ERP-Rollout

Was können Unternehmen also aus diesen ERP-Flops lernen? Wir fassen die Erkenntnisse noch einmal für Sie zusammen:

Greg Crouse hat noch ein weiteres Stichwort für CIOs: Kontinuität. Der Experte erklärt: "Ich arbeite gerade an einem Fall, bei dem es um eineERP-Implementation geht, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren geplant ist. Bisher gab es bereits vier Personen auf der Position des CIO. Das sorgt für einen ganzen Rattenschwanz von Problemen. Sie sollten also für Rückendeckung aus der Vorstandsebene sorgen - es muss jemanden geben, der das Projekt vorantreibt. Wenn sowohl die Entscheider, als auch die Leute, die das Projekt von Kundenseite her gut kennen, ständig wechseln, wird es schwierig."

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation cio.com.

Kampf der ERP-Titanen
Marktanteile
SAP sichert sich unter den Top-Anbietern den größten Marktanteil. Allerdings verlieren die drei Führenden ein paar Prozentpunkte. Der große Gewinner im Vergleich zur vorangegangenen Umfrage ist Infor.
Auf der Shortlist
Die hohen Marktanteile spiegeln sich auch in den Shortlists wider. SAP taucht hier am häufigsten auf ...
Auswahl gewonnen
... und in der Folge gewinnt SAP auch am häufigsten die Projekte, in denen es die Walldorfer in die engere Auswahl schaffen.
Einführungsdauer
Im Vergleich zur vorangegangenen Umfrage brauchen die Anwender länger, um ein neues ERP-System einzuführen. Am längsten dauert es mit Microsoft Dynamics - über zwei Jahre. 2014 schnitt der US-Konzern mit 12,5 Monaten noch am besten ab.
Verzögerungsgründe
Nachträgliche Projekterweiterungen sowie Probleme mit Technik, Daten und der Organisation sind die häufigste Ursachen dafür, dass Unternehmen ihre Zeitbudgets für die ERP-Einführung überschreiten.
Return on Invest (RoI)
Meist dauert es Jahre, bis sich ein neues ERP-System aus Perspektive der Anwenderunternehmen bezahlt macht.
Projektkosten
Oracle-Projekte kommen die Unternehmen am teuersten. In den meisten Projekten reicht das Geld nicht. Ausnahme Infor: Hier liegen die tatsächlichen Kosten für die ERP-Einführung im Durchschnitt niedriger als ursprünglich geplant.
ERP-Vorteile
Über ein Drittel der Unternehmen hat es im Zuge der ERP-Einführung geschafft, die Verfügbarkeit von Informationen zu verbessern. Auch die interne Zusammenarbeit und Integration wollen die Unternehmen mit einem neuen ERP-System effizienter machen.
Ziele erreicht?
Insgesamt scheinen die selbstgesteckten ERP-Ziele schwer zu erreichen. Gerade einmal jeder fünfte SAP- und Microsoft-Kunde schafft mehr als 50 Propzent Zielerreichungsgrad. Oracle mit 14 Prozent und Infor mit elf Prozent schneiden noch deutlich schlechter ab.
Funktionalität
Die meisten ERP-Funktionen bleiben ungenutzt. Ein Viertel bis die Hälfte der Anwenderunternehmen gaben an, höchstens 40 Prozent der mit dem ERP-System gelieferten Funktionalität auch zu nutzen.
Projektvorgehen
Der Umstieg in Phasen bleibt das präferierte Umstiegsmodell für die meisten ERP-Anwender.
Customizing
Das Customizing - eine der Hauptursachen für komplexe Anwendungslandschaften - nimmt ab. Gerade im SAP-Umfeld geben sich immer mehr Anwender mit den im Standard gebotenen Funktionen zufrieden.
Umstieg mit Unterbrechung
Die meisten ERP-Einführungen sind nach wie vor mit einer Unterbrechung des operativen Betriebs verbunden.
Unterbrechungsdauer
Und diese Unterbrechungen können dauern - teilweise sogar bis zu einem halben Jahr.
ERP aus der Cloud
Das Cloud-Modell will im ERP-Umfeld nicht so richtig in Schwng kommen. SAP kann zwar etwas zulegen, aber bei Microsoft und Oracle stagniert der Cloud-Anteil im Vergleich zur Umfrage vor zwei Jahren.
Kostenvorteile in der Cloud
Die zögerliche Cloud-Adaption mag auch daran liegen, dass die Kostenersparnisse aus Anwendersicht nur bei 40 Prozent und weniger liegen.
Zusammenfassung
ERP-Projekte dauern lange, kosten viel Geld und überschreiten in aller Regel Zeit- und Kosten-Budgets. Daran scheint sich wenig zu ändern, wie auch die aktuelle Umfrage wieder einmal gezeigt hat.