"Information Integration" soll Firmen helfen

Die schwierige Suche nach den richtigen Daten

08.04.2008 von Nicolas Zeitler
Die nötigen Daten zum richtigen Zeitpunkt dem zuständigen Mitarbeiter zugänglich machen - was simpel klingt, entwickelt sich für Firmen offenbar zunehmend zum Problem. Vor allem, dass immer größere Informationsmengen an verschiedenen Orten in einem Betrieb gespeichert werden, erschwert den Zugriff. Das Problem dürfte sich künftig noch verschärfen.
Der schnelle Zugriff auf an verschiedenen Orten abgelegte Daten ist für Unternehmen von großer Bedeutung. Ein wichtiges Motiv für Projekte zur Informations-Integration ist der Wille, die eigene IT agiler zu machen.
Foto: Aberdeen

Davon ist zumindest IT-Fachmann Rüdiger Spies vom Beratungshaus IDC überzeugt. Er spricht von einer ungebremsten "Informations-Sammelwut" in Unternehmen. Das sei an sich nichts Schlechtes. "Um Unternehmensprozesse effizient zu steuern, benötigt man möglichst viele Daten über möglichst viele Vorgänge", sagt Spies.

Doch schwierig kann der Zugriff auf Daten werden, wenn diese aus verschiedenen Quellen zusammengetragen werden müssen. Das ist mittlerweile bei fast allen Firmen der Fall, wie eine Untersuchung der Aberdeen Group ergeben hat. 97 Prozent von 146 Unternehmen halten demnach ihre Informationen in mehr als einer Quelle vor. Dadurch wird es zunehmend schwieriger, verlässliche Daten rechtzeitig verfügbar zu machen.

Um des Problems Herr zu werden, rät Aberdeen Firmen zur "Enterprise Information Integration" (EII). Hinter dem Begriff verbirgt sich der Ansatz, Daten aus unterschiedlichen Quellen über eine einzige Schnittstelle zugänglich zu machen. Die Mitarbeiter sollen auf diese Weise einen kompakten und auf ihre Aufgaben zugeschnittenen Überblick über Informationen bekommen.

Indem sie EII-Initiativen ergreifen, erhofft sich die Mehrzahl der von Aberdeen befragten Unternehmen, ihre Informationstechnologien agiler zu machen. Das heißt: Verlangt das Geschäft eines Unternehmens nach neuen Funktionen, soll es der IT-Abteilung möglich sein, darauf schneller zu reagieren. Von den Betrieben, die Aberdeen als führend bei der EII identifiziert hat, verfolgen 87 Prozent diesen Ansatz um einer besseren IT-Agilität willen. Von den Firmen, die bei der Informations-Integration laut Aberdeen im Mittelfeld liegen, sind es 68 Prozent, von den als "Nachzügler" eingestuften 62 Prozent.

Fortschrittliche Firmen setzen lieber auf einen einheitlichen Zugang zu verschiedenen Datenquellen als darauf, Datenbanken zusammenzuführen.
Foto: Aberdeen

Eine mögliche Strategie, um die IT agil zu machen und verlässliche Daten zur Verfügung zu stellen, liegt darin, Informationen unternehmensweit allgemein zugänglich zu machen. Von den "Klassenbesten" verfolgen diesen Weg 65 Prozent. Auch viele der übrigen Firmen sehen in dieser Herangehensweise Vorteile - mit 53 Prozent knapp die Hälfte von ihnen.

Middleware-Lösungen

Datenspeicher zusammenzulegen ist hingegen eine Vorgehensweise, die nur ein Fünftel der bei der Datenintegration besonders erfolgreichen Firmen verfolgt. Dagegen setzen 42 Prozent der übrigen Unternehmen auf diesen Weg. Mit Blick auf die Kosten und den Verwaltungsaufwand könne dies durchaus attraktiv sein, kommentieren die Studienautoren. Allerdings erweise sich dieses Unterfangen möglicherweise in kurzer Zeit als Übergangslösung, mit der sich das erwünschte Ziel nicht erreichen lasse. Laut Aberdeen hängt das von der Verschiedenheit der zusammengelegten Datenquellen ab.

Als erfolgversprechender beurteilen die Marktforscher indes den Ansatz, die Komplexität der Daten mittels Middleware-Lösungen vor den darüberliegenden Anwendungen zu verbergen. Dieses Konzept erlaube es, Server zu verlagern oder ganze Datenspeicher zu ersetzen - über die Middleware werden all diese Vorgänge nachvollzogen, so dass über Anwendungen immer problemlos auf alle nötigen Informationen zugegriffen werden kann.

Maßgeschneiderte XML-Software

Laut den Marktbeobachtern von Aberdeen gelingt die Informations-Integration mit XML-basierter Middleware offenbar am besten. Zumindest nutzt ein großer Teil von Aberdeens "Klassenbesten" derartige Lösungen, um verschiedene Informationsquellen zu verbinden. 64 Prozent arbeiten mit eigens auf sie zugeschnittener XML-Middleware, 55 Prozent mit entsprechender Standard-Software. Die Nachzügler hinken hier deutlich hinterher. Sie setzen zu 41 Prozent auf maßgeschneiderte und zu 23 Prozent auf serienmäßige XML-Middleware. Viele der "Best in Class" kombinieren XML-Lösungen mit ETL-Werkzeugen (Extract - Transform - Load), die Daten aus verschiedenen Quellen vereinigen können.

Auch aus der Sicht von IDC-Analyst Spies spielt XML eine wichtige Rolle, vor allem im Umgang mit unstrukturierten Daten wie zum Beispiel Texten. Anders sei das allerdings bei strukturierten Informationen. Hier ist für Rüdiger Spies die Datenbanksprache SQL "immer noch das Mittel der Wahl".

Will ein Unternehmen bei der Informations-Integration erfolgreich sein, sollte Aberdeen zufolge ein strukturiertes Vorgehen eingehalten werden. Unterschieden werden fünf Ebenen. Auf der Prozess-Ebene sollte demnach eine unternehmensweite Strategie entwickelt werden, wie mit Daten verfahren wird. Die Organisationsebene umfasst abteilungsübergreifende Teams, die sich mit Projekten zur Datenintegration beschäftigen. Diese Projekte müssen vom CIO eingesehen werden können.

Informationsarchitektur überprüfen

Auf der Wissensebene schlagen die Marktbeobachter ein Verzeichnis aller verfügbaren Zugangswege zu den im Unternehmen vorhandenen Informationen vor. Der Einsatz von XML-Middleware schließlich ist Teil der Technologieebene. Zuletzt entscheidet sich der Erfolg von EII-Projekten noch auf einer Leistungsebene. Darunter versteht Aberdeen, dass die Informationsarchitektur regelmäßig auf den Prüfstand gestellt wird.

Den letzten Punkt betont auch Rüdiger Spies. Unter Informationsarchitektur sei nicht zu verstehen, dass "alles in einem zentralen Archiv haarklein geregelt werden muss". Diese Herangehensweise lasse sich gar nicht auf Dauer durchhalten. "Vielmehr müssen so genannte Data Governance-Regeln definiert, eingehalten und überwacht werden", ist der Analyst überzeugt.

Aberdeens Klassenbeste liegen in dieser Hinsicht deutlich vorn. 53 Prozent von ihnen unterziehen ihre Datenarchitektur in geregelten Abständen einer Bewertung. Von den Durchschnittsfirmen sind es 36, von den Nachzüglern sogar nur elf Prozent.

Große Unterschiede

Auch was die organisatorischen Grundlagen erfolgreicher Informations-Integration angeht, sind die Unterschiede immens. Die fortschrittlichsten Firmen haben zum Beispiel doppelt so häufig abteilungsübergreifende Mannschaften im Einsatz wie die übrigen Unternehmen (61 gegenüber 33 Prozent).

Aberdeen rät Firmen, die beim Thema EII noch Nachholbedarf haben dazu, von Konsolidierungs-Bestrebungen beim Speichern von Informationen Abstand zu nehmen. Maßnahmen unter dem Stichwort Abstraktion versprächen mehr Erfolg, etwa der angesprochene Einsatz von Middleware-Lösungen. Unternehmen aus dem Mittelfeld, die solche Lösungen schon im Einsatz haben, sollten eher auf Standard-Middleware setzen als auf Eigenentwicklungen, um zur Spitzengruppe aufzuschließen. Für die Klassenbesten schließlich biete sich zunehmend der Einsatz von Software as a Service an. Mehr als ein Drittel der bei EII Führenden setze schon darauf.

Aberdeen hat seine Studie unter dem Titel "Enterprise Information Integration - The Foundation for Business Success and Transformation" veröffentlicht. Die Marktforscher befragten über das Internet Verantwortliche von 146 Firmen; zwei Drittel von ihnen arbeiten in der IT-Abteilung ihres Unternehmens. Außer in Hightech-Firmen sind die Teilnehmer zu großen Teilen in der Finanzbranche und dem öffentlichen Sektor tätig. Fast die Hälfte der Organisationen hat ihren Sitz in Nordamerika, ein Drittel in Europa, Nahost und Afrika. 36 Prozent der befragten Unternehmen haben einen Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Finanziert wurde die Studie von BEA Systems und Stone Bond.