Im Wesentlichen ist die Smartwatch gescheitert, weil die maßgeblichen Player in diesem Sektor einen großen Fehler begangen haben: Sie haben ihren Fokus auf den Consumer-Markt gelegt und erst im zweiten Schritt daran gedacht, wie dieses Produkt im Enterprise-Umfeld zum Einsatz kommen könnte. Das hätte allerdings in umgekehrter Reihenfolge ablaufen müssen.
Die harte Smartwatch-Realität
Vor drei Jahren wurde gemeinhin damit gerechnet, dass sich die Smartwatch schnell zu einer innovativen Mainstream-Produktkategorie entwickeln würde. Stattdessen kommen die schlauen Uhren hauptsächlich als Delivery-System für Smartphone-Nachrichten zum Einsatz. Und als Fitness-Begleiter.
Von den einstigen Erfolgsgeschichten ist inzwischen auch nicht mehr viel übrig: Motorola - beziehungsweise Lenovo - hat den Smartwatch-Markt bereits verlassen, ebenso wie Pebble und Jawbone. Der Chipgigant Intel hatte das Wearable-Startup Basis erworben, um bei den Smartwatches mitzumischen - inzwischen ist Basis nicht mehr existent und Intel hat sich komplett aus dem Geschäft mit Smartwatches und Fitness Trackern zurückgezogen. Wearable-Krösus Fitbit hat unterdessen mit sinkenden Absatzzahlen zu kämpfen. Ob die kürzlich vorgestellte, erste Smartwatch des Unternehmens dem Trend entgegen wirken kann, muss sich zeigen.
Mit seiner Android-Wear-Plattform mauserte sich Google vor knapp dreieinhalb Jahren zum Smartwatch-OS-Darling. Stand heute: Laut Strategy Analytics dominiert Apples proprietäres watchOS den Markt für Smartwatch-Betriebssysteme mit 57 Prozent Marktanteil. Samsung und Google landen mit Tizen (19 Prozent) und Android Wear (18 Prozent) mit erheblichem Abstand auf den Plätzen zwei und drei. Die Analysten von Gartner gehen davon aus, dass Apple mindestens noch bis zum Jahr 2021 Marktführer bleibt.
Unternehmen legen ja gemeinhin viel Wert auf Zahlen. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass die meisten - wenn nicht sogar alle -Hersteller von Smartwatches derzeit Geld verlieren. Apple und Samsung macht das nicht viel aus - schließlich hat man genug Geld und Smartwatches unterfüttern einerseits die eigenen Smartphone-Ökosysteme und erhöhen andererseits die Loyalität der Kunden.
Das Smartwatch-Innovations-Dilemma
Wie das Kantar Worldpanel im Dezember 2016 herausgefunden hat, besitzen 15,6 Prozent aller US-Consumer eine Smartwatch oder ein Fitness Band. Die Konsumenten in Europa sind sogar noch zurückhaltender: Nur zehn Prozent besitzen solche Wearables. Und diejenigen die eine Smartwatch besitzen, tragen sie nicht. Nach dem Kauf und einigen Monaten der Nutzung verstauben die Dinger regelmäßig in Schubladen und Schränken. Warum das so ist, ist einfach zu erklären: Die Teile sind nutzlos.
Smartwatches haben die Erwartungen, die an sie gestellt wurden, einfach nicht erfüllt - aus einer Vielzahl von Gründen. Wesentlich für ihr Scheitern ist dabei in aller Regel, dass die schlauen Uhren zu klobig, zu teuer oder einfach zu limitiert in ihren Möglichkeiten sind, um einen Kauf zu rechtfertigen. Zumindest wenn man kein Early Adopter oder Gadget-Enthusiast ist.
Anders ausgedrückt: Der aktuelle Status der Technologie erlaubt es einfach nicht, schlanke, funktionale und günstige Devices auf den Markt zu bringen, die die Adoption der Technologie ankurbeln könnten. Stattdessen sieht es so aus, als wären die heute begehrtesten Smartwatches diejenigen, die am ehesten mit traditionellen Armbanduhren vergleichbar sind. Sie werden aus den gleichen Beweggründen gekauft wie früher - und nicht wegen ihrer smarten Features.
Und dann gibt es noch die Luxus-Uhren, die so teuer sind, dass sie zwar sehr begehrt sind, aber kaum jemand bereit ist den Preis auch zu bezahlen. Die Summit Smartwatch von Montblanc etwa, die in Titan rund 1000 Dollar kostet. Dieses Produkt ist ein Paradebeispiel für eine Smartwatch, die im Wesentlichen eine traditionelle Armbanduhr ist, die mit einigen (sehr subtilen), smarten Funktionen ausgestattet wurde. Die gesamte Summit-Produktlinie von Montblanc läuft mit Android Wear 2.0. Trotzdem macht die Luxus-Smartwatch nicht viel mehr, als über Smartphone-Benachrichtigungen zu informieren. Bezeichnend ist hingegen ihr bestes Feature: Sie sieht nicht aus wie eine Smartwatch.
Auch die Connected Modular 45 von Tag Heuer ist eine begehrte Smartwatch, die eher selten verkauft wird. Auch hier dürfte das in erster Linie am Preis liegen: zwischen 1700 und 6750 Dollar müssen Interessenten dafür auf den Tisch legen. Die Tambour Horizon von Louis Vuitton ist hingegen klobig, funktionslimitiert und gleichzeitig auch noch viel zu teuer (2500 Dollar).
Andere Hersteller versuchen sich mit ihren Smartwatches auf extrem kleine Nischen zu fokussieren. Die Fantom Smartwatch ist beispielsweise eine schlaue Uhr, die sich speziell an Fussball-Fans richtet und diese stets über alle Geschehnisse rund um das Lieblingsteam infomiert hält. Das war es dann aber auch schon mit Alleinstellungsmerkmalen. Darüber hinaus gibt es auch noch zahlreiche Smartwatches, die sich an Kinder richten, zum Beispiel die Kidizoom DX2 von VTech oder die dokiWatch.
Einige Unternehmen versuchen Innovation auch dadurch zu erzeugen, dass sie Features für ihre Smartwatches anbieten, die es für konventionelle Uhren bereits seit Jahrzehnten gibt. Sequent zum Beispiel, die eine 220 Dollar teure Smartwatch im Programm haben, die sich selbst über kinetische Energie auflädt. Ansonsten kann das Wearable aber auch nur Smartphone-Benachrichtigungen anzeigen.
Andere versuchen das Innovations-Dilemma bei den Smartwatches über eine Angleichung an Smartphones aufzulösen. Die nächste Apple Watch soll bereits in den Startlöchern stehen und zusammen mit iPhone 7S, iPhone 7S Plus und iPhone 8 am 12. September vorgestellt werden. Gerüchteweise wird die Apple Watch 3 mit LTE-Funktion kommen, was bedeuten würde, dass einige ihrer Features (zum Beispiel das Annehmen von Anrufen) künftig auch ohne iPhone-Kopplung funktionieren werden. Apple würde damit einigen anderen großen Herstellern folgen, die bereits LTE-Smartwatches anbieten - zum Beispiel Huawei mit seiner Watch 2.
Und dann gibt es da noch ein paar Exoten - zum Beispiel die Arrow Smartwatch, die mit einem in den Rand integrierten Kamerasystem punkten möchte. Oder die Martian mVoice Smartwatches, die auf die Integration persönlicher, digitaler Assistenten (in diesem Fall Amazons Alexa) setzt.
Der Consumer-Markt braucht kein Dutzend verschiedener Smartwatches, von denen jede jeweils ein Feature analoger Armbanduhren oder Smartphones an Bord hat. Die Kunden wollen eine Smartwatch, die alle Features mitbringt.
Warum auch die IFA 2017 nicht hilft
Mit der IFA steht im September 2017 ein Ereignis an, das die Industrie nutzen will, um die Wearables wieder ein Stückchen mehr in den Mainstream zu drücken.
Samsung wird auf der IFA sehr wahrscheinlich die neue Gear Fit 2 Pro und andere Geräte der Gear-S-Produktlinie vorstellen. Und auch Sony und Huawei könnten auf der Elektronikmesse neue Wearables zeigen. Auch mit Garmins Vivoactive 3 und einer ganzen Reihe von Smartwatches aus dem Hause Fossil ist in Berlin zu rechnen. Und auch wenn all diese Produkte (inklusive der erwarteten Apple Watch 3) teils überraschende Features mitbringen sollten: Es wird kein Gerät dabei sein, das eine "Killer"-Kombination aus Größe, Features und Preis bietet. Das ist schlicht unmöglich, weil die Technologie noch nicht so weit ist.
Wie die Smartwatch zum Hit geworden wäre
Die großen Player sind mit einer Fehleinschätzung in den Smartwatch-Markt gestartet: Sie dachten, dass die schlauen Uhren erst auf dem Consumer-Markt eingeführt werden müssen. Stattdessen hätte man sich vom Beispiel Smart Glasses inspirieren lassen sollen.
Immer noch hält sich die Story, Google habe Glass als Consumer-Produkt eingeführt und sei damit gescheitert. Danach habe Google seinen Kurs geändert und Glass als Enterprise-Produkt neu eingeführt. In meiner Realität stellt sich die Sache ein wenig anders dar: Googles Forschungs- und Entwicklungsabteilung erstellte ein "Explorer Program".
Das sollte per Crowdsourcing feststellen, wie Smart Glasses am besten genutzt werden können. Das Ergebnis informierte die Google-Forscher darüber, dass die Smart-Glass-Technologie noch nicht bereit für den Consumer-Markt ist, aber für den Enterprise-Markt. Schließlich sind Abmessungen und Design von Geräten im Business zweitrangig, wenn die Effizienz stimmt. Also machte Google seine Smart Glasses vom Forschungsprojekt zum Produkt - der Glass Enterprise Edition.
Genau so hätten die Tech-Riesen auch im Fall der Smartwatch verfahren sollen. Ein solches "Explorer Program" hätte Apple, Samsung oder Google bereits vorab gezeigt, dass ihre Bemühungen zuerst in den Enterprise- und danach in den Consumer-Markt hätten fließen sollen. Statt Smartwatches, die Instagram-Posts anzeigen und die Herzfrequenz messen, hätten Apple, Samsung und Co. sich auf die Entwicklung von Business-Funktionen konzentrieren sollen - etwa biometrische Sicherheitsfunktionen, GPS-Funktionen für Logistik-Applikationen oder die Übertragung von elektronischen Visitenkarten von Smartwatch zu Smartwatch.
Das Resultat der stattdessen an den Tag gelegten Vorgehensweise: Weder Consumer, noch Business-Anwender wollen heute (in großem Umfang) auf die Smartwatch setzen. Für die Hersteller von Wearables sollte die Lehre für ihre künftige Strategie klar sein: Enterprise first!
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.