Android- & Apple-Uhren-Fail

Die Smartwatch ist gescheitert

Kommentar  von Mike Elgan
Schuld daran sind vor allem große Hersteller wie Apple und Samsung. Wir sagen Ihnen, welche Fehler zum Scheitern der Smartwatch geführt haben.

Im Wesentlichen ist die Smartwatch gescheitert, weil die maßgeblichen Player in diesem Sektor einen großen Fehler begangen haben: Sie haben ihren Fokus auf den Consumer-Markt gelegt und erst im zweiten Schritt daran gedacht, wie dieses Produkt im Enterprise-Umfeld zum Einsatz kommen könnte. Das hätte allerdings in umgekehrter Reihenfolge ablaufen müssen.

Die Smartwatch ist gescheitert. Wir sagen Ihnen, warum.
Foto: Peppunizo - HM Design - shutterstock.com

Die harte Smartwatch-Realität

Vor drei Jahren wurde gemeinhin damit gerechnet, dass sich die Smartwatch schnell zu einer innovativen Mainstream-Produktkategorie entwickeln würde. Stattdessen kommen die schlauen Uhren hauptsächlich als Delivery-System für Smartphone-Nachrichten zum Einsatz. Und als Fitness-Begleiter.

Von den einstigen Erfolgsgeschichten ist inzwischen auch nicht mehr viel übrig: Motorola - beziehungsweise Lenovo - hat den Smartwatch-Markt bereits verlassen, ebenso wie Pebble und Jawbone. Der Chipgigant Intel hatte das Wearable-Startup Basis erworben, um bei den Smartwatches mitzumischen - inzwischen ist Basis nicht mehr existent und Intel hat sich komplett aus dem Geschäft mit Smartwatches und Fitness Trackern zurückgezogen. Wearable-Krösus Fitbit hat unterdessen mit sinkenden Absatzzahlen zu kämpfen. Ob die kürzlich vorgestellte, erste Smartwatch des Unternehmens dem Trend entgegen wirken kann, muss sich zeigen.

Mit seiner Android-Wear-Plattform mauserte sich Google vor knapp dreieinhalb Jahren zum Smartwatch-OS-Darling. Stand heute: Laut Strategy Analytics dominiert Apples proprietäres watchOS den Markt für Smartwatch-Betriebssysteme mit 57 Prozent Marktanteil. Samsung und Google landen mit Tizen (19 Prozent) und Android Wear (18 Prozent) mit erheblichem Abstand auf den Plätzen zwei und drei. Die Analysten von Gartner gehen davon aus, dass Apple mindestens noch bis zum Jahr 2021 Marktführer bleibt.

Die besten Apps für Android Wear
Shazam
Google Now ist in der Lage, Songs auf dem Smartphone selbständig zu erkennen und zu identifizieren. Im Fall von Android Wear ist das aber bislang leider kein natives Feature. Die Frage ist nur, warum? Schließlich wäre diese Funktion gerade bei einer Smartwatch erheblich praktischer, als jedes Mal das Smartphone aus der Tasche zu ziehen. <br /><br /> Gut, dass es Shazam gibt. Denn diese Android Wear App tut genau das, was Google Now nicht kann: Sie identifiziert Songs. Und das macht sie gut. Einfach die App per Sprach- oder Touchbefehl starten - schon sieht sich die Software nach Musik um. Identifizierte Songs werden postwendend auf der Uhr angezeigt und auf einer Wiedergabeliste gespeichert. In manchen Fällen zeigt die Shazam App sogar die Songtexte an. Im Google Play Store sind verschiedene Apps von Shazam erhältlich - die Wear-Funktionalität ist bei allen Versionen die gleiche.
Google Notizen
Die beste Notizen-App ist vielleicht schon auf ihrem Smartphone: Google Notizen. Diese App ist auf vielen Android-Phones nicht standardmäßig vorinstalliert, aber ein absolutes Must-Have für Android-Wear-Besitzer. <br /><br /> Über die Software lässt sich auf sämtliche Notizen zugreifen. Zudem lassen sich die Notizen archivieren oder auch mit Erinnerungen verknüpfen. Die Listen sind scrollbar und lassen sich auch per Sprachbefehl um neue Positionen ergänzen - oder um alte verkürzen. Neue Notizen können - ebenfalls über Voice-Command - komplett über die Smartwatch erstellt werden. Wie von Google gewohnt ist auch diese App kostenlos.
IFTTT
Die webbasierte Automationsplattform "If This Then That" (IFTTT) unterstützt auch Android Wear. Wenn man sich mal eingefunden hat, ist die App auf der Smartwatch auch genauso nützlich. Wer den Dienst noch nicht kennt: Mit IFTTT lassen sich viele verschiedene Services und Plattformen miteinander verknüpfen. <br /><br /> Ganz konkret heißt das: Mit IFTTT ließe sich ein Button erstellen, der die WiFi-Funktion eines Smartphones steuert, eine Text-Message verschickt oder das Licht in der Wohnung schaltet. Zudem können vielerlei Benachrichtigung an die Smartwatch geschickt werden. Dank des Multichannel-Konzepts von IFTTT sind die Möglichkeiten breit gefächert. Idealerweise gibt es das ganze Paket für Android Wear auch noch völlig umsonst.
Weather Timeline
Der Wetter-Check stellt einen guten Use Case dar, um die Existenz der schlauen Uhren zu rechtfertigen. Denn das Wetter über die Smartwatch zu prüfen, dürfte in der Regel nativer von der Hand gehen, als das Phablet aus der Tasche zu ziehen. <br /><br /> Erfrischend asketisch geht an dieser Stelle Weather Timeline zu Werke - passt sich dabei aber der Android Wear-Plattform nahezu perfekt an. Die App kreiert eine Wetteransicht mit den wesentlichen aktuellen Informationen. Ein Wisch nach rechts ruft eine stündliche Vorhersage auf, ein weiterer Wisch öffnet die Vorhersagen für die kommenden Tage. Das Design ist dabei angenehm schlicht und beschränkt sich auf das Wesentliche. Wer immer noch nicht überzeugt ist, probiert die App mal auf seinem Smartphone oder Tablet aus - sie gehört zu den Besten ihrer Art und wird ihrem Preis von 0,69 Euro in jedem Fall gerecht.
Wear Aware
Ihre Android-Uhr ist permanent mit ihrem Smartphone verbunden. Ein Disconnect verheißt also meist nichts Gutes für die Befindlichkeit des in der Regel teuren Taschencomputers. <br /><br /> Wear Aware verspricht, dass Sie nie wieder ihr Smartphone vergessen. Einmal installiert (auf beiden Geräten), meldet sich die App auf der Android Smartwatch sofort, wenn die Verbindung zum Handy verloren geht. Außerdem nützlich: Wenn das Telefon mal wieder unauffindbar ist, kann man es per Smartwatch-Befehl klingeln lassen. Auch diese Android Wear App ist kostenlos.
PixtoCam
Android Wear Devices haben zwar keine eigenen Kameras an Bord, dafür lässt sich aber die Smartphone-Kamera per Smartwatch steuern - und zwar mit PixtoCam. Nach dem Öffnen der App wird das Bild der Kamera auf das Uhren-Display gespiegelt. <br /><br /> Die App kann auch zwischen Front- und Rückkamera hin- und herschalten, den Blitzmodus wählen, ein Foto machen oder auch Videoaufnahmen anstoßen. Das funktioniert sogar, wenn sich das Telefon im Standby-Modus befindet. Das Bild ist zwar leicht pixelig, dafür sind die Latenzzeiten stets gering. PixtoCam für Android Wear steht im Play Store zum Preis von 1,49 Euro zum Download zur Verfügung.
Wear Audio Recorder
Eine Android Wear Smartwatch erfüllt ziemlich viele Funktionen. Unter anderem tragen Sie ständig ein Mikrofon am Handgelenk herum. Das können Sie mit der App Android Wear Recorder zu Ihrem Vorteil nutzen. <br /><br /> App öffnen, Aufnahme starten, pausieren, beenden - alles über ein einziges Interface. Alle Aufnahmen werden anschließend mit dem Smartphone synchronisiert. Auf letzterem lässt sich zusätzliches App-Feintuning betreiben. Dafür dass die App kostenlos ist, bietet sie ziemlich viel.
Endomondo
Smartphones und Trainingseinheiten vertragen sich in der Regel überhaupt nicht. Eine Smartwatch ist da schon praktischer. Fehlt nur noch die richtige Fitness-App. Womit wir bei Edomondo wären. <br /><br /> Über die kostenlose Version der App lassen sich Workout-Typen einrichten und Zeiten nehmen. Natürlich können Sie auch Ihre Fortschritte verfolgen. Wer bereit ist, etwas Geld zu investieren, bekommt tiefergehende Funktionen.
Photo Gallery for Android Wear
Fotos aufnehmen können Sie ja bereits dank PixtoCam über ihre Android-Smartwatch. Mit Photo Gallery for Android Wear können Sie die Aufnahmen dann auch auf dem Uhrendisplay betrachten. <br /><br /> Nach dem Öffnen stellt die App eine scrollbare Ansicht aller Fotos auf dem Smartphone dar. Einzelne Fotos lassen sich damit öffnen - auch eine Zoom-Funktion steht zur Verfügung. Displays von Smartwatches sind dafür eigentlich weniger gut geeignet - aber mit der App können Sie durchaus prüfen, ob die Qualität der Fotos stimmt.
Coffee
Google hat seinen Android Wear Apps verschiedene, rudimentäre Messaging-Funktionen spendiert, allerdings ist man dann meist besser bedient, wenn man doch das Handy aus der Tasche zieht. Die kostenlose App Coffee will die Erstellung von Text-Nachrichten über Android Wear wesentlich schneller machen. <br /><br /> Und das tut sie auch. Coffee kann auf SMS-Nachrichten mit verschiedenen, personalisierbaren Antworten reagieren, neue Unterhaltungen mit Kontakt-Favoriten starten und reagiert auch auf Sprachbefehle.

Unternehmen legen ja gemeinhin viel Wert auf Zahlen. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass die meisten - wenn nicht sogar alle -Hersteller von Smartwatches derzeit Geld verlieren. Apple und Samsung macht das nicht viel aus - schließlich hat man genug Geld und Smartwatches unterfüttern einerseits die eigenen Smartphone-Ökosysteme und erhöhen andererseits die Loyalität der Kunden.

Das Smartwatch-Innovations-Dilemma

Wie das Kantar Worldpanel im Dezember 2016 herausgefunden hat, besitzen 15,6 Prozent aller US-Consumer eine Smartwatch oder ein Fitness Band. Die Konsumenten in Europa sind sogar noch zurückhaltender: Nur zehn Prozent besitzen solche Wearables. Und diejenigen die eine Smartwatch besitzen, tragen sie nicht. Nach dem Kauf und einigen Monaten der Nutzung verstauben die Dinger regelmäßig in Schubladen und Schränken. Warum das so ist, ist einfach zu erklären: Die Teile sind nutzlos.

Smartwatches haben die Erwartungen, die an sie gestellt wurden, einfach nicht erfüllt - aus einer Vielzahl von Gründen. Wesentlich für ihr Scheitern ist dabei in aller Regel, dass die schlauen Uhren zu klobig, zu teuer oder einfach zu limitiert in ihren Möglichkeiten sind, um einen Kauf zu rechtfertigen. Zumindest wenn man kein Early Adopter oder Gadget-Enthusiast ist.

Anders ausgedrückt: Der aktuelle Status der Technologie erlaubt es einfach nicht, schlanke, funktionale und günstige Devices auf den Markt zu bringen, die die Adoption der Technologie ankurbeln könnten. Stattdessen sieht es so aus, als wären die heute begehrtesten Smartwatches diejenigen, die am ehesten mit traditionellen Armbanduhren vergleichbar sind. Sie werden aus den gleichen Beweggründen gekauft wie früher - und nicht wegen ihrer smarten Features.

Und dann gibt es noch die Luxus-Uhren, die so teuer sind, dass sie zwar sehr begehrt sind, aber kaum jemand bereit ist den Preis auch zu bezahlen. Die Summit Smartwatch von Montblanc etwa, die in Titan rund 1000 Dollar kostet. Dieses Produkt ist ein Paradebeispiel für eine Smartwatch, die im Wesentlichen eine traditionelle Armbanduhr ist, die mit einigen (sehr subtilen), smarten Funktionen ausgestattet wurde. Die gesamte Summit-Produktlinie von Montblanc läuft mit Android Wear 2.0. Trotzdem macht die Luxus-Smartwatch nicht viel mehr, als über Smartphone-Benachrichtigungen zu informieren. Bezeichnend ist hingegen ihr bestes Feature: Sie sieht nicht aus wie eine Smartwatch.

Auch die Connected Modular 45 von Tag Heuer ist eine begehrte Smartwatch, die eher selten verkauft wird. Auch hier dürfte das in erster Linie am Preis liegen: zwischen 1700 und 6750 Dollar müssen Interessenten dafür auf den Tisch legen. Die Tambour Horizon von Louis Vuitton ist hingegen klobig, funktionslimitiert und gleichzeitig auch noch viel zu teuer (2500 Dollar).

Andere Hersteller versuchen sich mit ihren Smartwatches auf extrem kleine Nischen zu fokussieren. Die Fantom Smartwatch ist beispielsweise eine schlaue Uhr, die sich speziell an Fussball-Fans richtet und diese stets über alle Geschehnisse rund um das Lieblingsteam infomiert hält. Das war es dann aber auch schon mit Alleinstellungsmerkmalen. Darüber hinaus gibt es auch noch zahlreiche Smartwatches, die sich an Kinder richten, zum Beispiel die Kidizoom DX2 von VTech oder die dokiWatch.

Einige Unternehmen versuchen Innovation auch dadurch zu erzeugen, dass sie Features für ihre Smartwatches anbieten, die es für konventionelle Uhren bereits seit Jahrzehnten gibt. Sequent zum Beispiel, die eine 220 Dollar teure Smartwatch im Programm haben, die sich selbst über kinetische Energie auflädt. Ansonsten kann das Wearable aber auch nur Smartphone-Benachrichtigungen anzeigen.

Andere versuchen das Innovations-Dilemma bei den Smartwatches über eine Angleichung an Smartphones aufzulösen. Die nächste Apple Watch soll bereits in den Startlöchern stehen und zusammen mit iPhone 7S, iPhone 7S Plus und iPhone 8 am 12. September vorgestellt werden. Gerüchteweise wird die Apple Watch 3 mit LTE-Funktion kommen, was bedeuten würde, dass einige ihrer Features (zum Beispiel das Annehmen von Anrufen) künftig auch ohne iPhone-Kopplung funktionieren werden. Apple würde damit einigen anderen großen Herstellern folgen, die bereits LTE-Smartwatches anbieten - zum Beispiel Huawei mit seiner Watch 2.

Und dann gibt es da noch ein paar Exoten - zum Beispiel die Arrow Smartwatch, die mit einem in den Rand integrierten Kamerasystem punkten möchte. Oder die Martian mVoice Smartwatches, die auf die Integration persönlicher, digitaler Assistenten (in diesem Fall Amazons Alexa) setzt.

Der Consumer-Markt braucht kein Dutzend verschiedener Smartwatches, von denen jede jeweils ein Feature analoger Armbanduhren oder Smartphones an Bord hat. Die Kunden wollen eine Smartwatch, die alle Features mitbringt.

Warum auch die IFA 2017 nicht hilft

Mit der IFA steht im September 2017 ein Ereignis an, das die Industrie nutzen will, um die Wearables wieder ein Stückchen mehr in den Mainstream zu drücken.

Samsung wird auf der IFA sehr wahrscheinlich die neue Gear Fit 2 Pro und andere Geräte der Gear-S-Produktlinie vorstellen. Und auch Sony und Huawei könnten auf der Elektronikmesse neue Wearables zeigen. Auch mit Garmins Vivoactive 3 und einer ganzen Reihe von Smartwatches aus dem Hause Fossil ist in Berlin zu rechnen. Und auch wenn all diese Produkte (inklusive der erwarteten Apple Watch 3) teils überraschende Features mitbringen sollten: Es wird kein Gerät dabei sein, das eine "Killer"-Kombination aus Größe, Features und Preis bietet. Das ist schlicht unmöglich, weil die Technologie noch nicht so weit ist.

Wie die Smartwatch zum Hit geworden wäre

Die großen Player sind mit einer Fehleinschätzung in den Smartwatch-Markt gestartet: Sie dachten, dass die schlauen Uhren erst auf dem Consumer-Markt eingeführt werden müssen. Stattdessen hätte man sich vom Beispiel Smart Glasses inspirieren lassen sollen.

Immer noch hält sich die Story, Google habe Glass als Consumer-Produkt eingeführt und sei damit gescheitert. Danach habe Google seinen Kurs geändert und Glass als Enterprise-Produkt neu eingeführt. In meiner Realität stellt sich die Sache ein wenig anders dar: Googles Forschungs- und Entwicklungsabteilung erstellte ein "Explorer Program".

Das sollte per Crowdsourcing feststellen, wie Smart Glasses am besten genutzt werden können. Das Ergebnis informierte die Google-Forscher darüber, dass die Smart-Glass-Technologie noch nicht bereit für den Consumer-Markt ist, aber für den Enterprise-Markt. Schließlich sind Abmessungen und Design von Geräten im Business zweitrangig, wenn die Effizienz stimmt. Also machte Google seine Smart Glasses vom Forschungsprojekt zum Produkt - der Glass Enterprise Edition.

Genau so hätten die Tech-Riesen auch im Fall der Smartwatch verfahren sollen. Ein solches "Explorer Program" hätte Apple, Samsung oder Google bereits vorab gezeigt, dass ihre Bemühungen zuerst in den Enterprise- und danach in den Consumer-Markt hätten fließen sollen. Statt Smartwatches, die Instagram-Posts anzeigen und die Herzfrequenz messen, hätten Apple, Samsung und Co. sich auf die Entwicklung von Business-Funktionen konzentrieren sollen - etwa biometrische Sicherheitsfunktionen, GPS-Funktionen für Logistik-Applikationen oder die Übertragung von elektronischen Visitenkarten von Smartwatch zu Smartwatch.

Das Resultat der stattdessen an den Tag gelegten Vorgehensweise: Weder Consumer, noch Business-Anwender wollen heute (in großem Umfang) auf die Smartwatch setzen. Für die Hersteller von Wearables sollte die Lehre für ihre künftige Strategie klar sein: Enterprise first!

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.