Männer lassen sich gerne vor Maschinen ablichten: Vor ihrem Motorrad, ihrem Auto, ihrer Kettensäge. Oder vor ihrer Getränke-Abfüllanlage: Auf der Facebook-Seite der Krones AG recken Mitarbeiter von Brauereien oder anderen Getränkeherstellern irgendwo auf der Welt stolz die Daumen in die Höhe, hinter ihnen eine riesige, glänzende Maschine.
Krones aus Neutraubling nahe Regensburg stellt mit circa 12.000 Mitarbeitern Anlagen für die Abfüllung und Verpackung von Getränken und flüssigen Nahrungsmitteln her. Darüber hinaus plant und baut Krones Komplettanlagen zur Getränkeherstellung, vor allem für Brauereien.
Auf Facebook interessiert das 86.000 Menschen. Und diese Community wurde keineswegs mit Riesenaufwand und ausgefeilter Marketingstrategie gezüchtet und gepäppelt. Im Gegenteil. "Bevor ich mich intensiv mit der Materie beschäftigt habe, war mir gar nicht klar, dass es im Maschinenbau Fangemeinden gibt", sagt Charles Schmidt, Corporate Social Media Officer bei Krones.
Auf Twitter überraschend viele Krones-Fans entdeckt
Er hat sie quasi entdeckt, die Fans. Als Schmidt sich in den Weihnachtsferien 2009 auf Twitter herumtrieb, war er überrascht, wie intensiv dort über die Marke Krones getwittert wurde. Vor allem junge Macher von US-Micro-Breweries waren offensichtlich stolz auf ihre Maschinen Made in Germany - und teilten ihre Freude mit anderen.
Vermutlich ist es selten, dass ein Unternehmen überrascht davon ist, wie viel Begeisterung die eigenen Produkte auslösen. Natürlich macht es Sinn, sich diese Begeisterung zunutze zu machen, selbst für Investitionsgüterhersteller. Oder gerade für sie: Denn 86.000 Fans zu haben, statt vier oder fünf Millionen wie ein Limonadenkonzern, bringt Vorteile, findet Charles Schmidt. "Mit fünf Millionen Fans kann ich nicht wirklich kommunizieren, sondern ich kann höchstens hineinsenden in die Community. Bei uns ist das anders."
Auf der Facebook-Seite von Krones gibt es - neben den erwähnten Männern vor Maschinen - persönlich gefärbte Berichte aus verschiedenen Unternehmensbereichen, das Azubi-Blog mit Reportagen über Auslandspraktika, Details zu neuen Maschinen oder die Aktion #smile, bei der Mitarbeiter einfach nur freundlich bis unernst in die Kamera gucken.
Die Ziele: Wirgefühl und Dialog
Die Inhalte zeigen, worum es der Krones AG in seiner Social-Media-Strategie geht: um das Wirgefühl und um Dialog. "Dialogstärke ist einer unserer zentralen Werte, und den wollen und müssen wir hier unter Beweis stellen." Hinzu kommt, so Schmidt, dass 2010 von den zehn Corporate-Facebook-Seiten mit den meisten Fans sieben aus der Getränkeindustrie stammten.
Beim Telefon sucht auch niemand den ROI
Wobei die Tatsache, dass die potenziellen Kunden stark präsent sind auf sozialen Medien, keineswegs bedeutet, dass die Krones AG Facebook schlicht als einen Verkaufskanal neben anderen betrachtet. Charles Schmidt: "Ich glaube nicht, dass eine komplette Brauerei für 100 Millionen Euro über Facebook verkauft wird."
Der Social Media Officer ist der Ansicht, dass Unternehmen nicht versuchen sollten, den Nutzen von Social Media mit vordergründigen ROI-Betrachtungen zu bewerten: "Wie messe ich den Wert von Kommunikation? Beim Telefon hat auch niemand die ROI-Frage gestellt. Das war irgendwann da und man hat es genutzt. Die Kommunikation findet nun mal heute auf Sozialen Medien statt und deshalb müssen wir dort sein. Die Frage, ob wir das wollen oder wie viel uns das in Zahlen ausgedrückt nützt, stellt sich so eigentlich nicht."
Schmidt ist damit schon einen ganzen Schritt weiter als viele andere, die in Unternehmen für den Umgang mit Sozialen Medien verantwortlich sind.
Studie: Marketing hat keinen Erfolg in Social Media
Wie im vergangenen Jahr die breit angelegte Studie "Mastering Digital Feedback. How the Best Consumer Companies Use Social Media" von Tata ermittelte (CIO berichtete), verbinden die meisten Firmen mit ihren Aktivitäten die Hoffnung auf die unmittelbare Aquise neuer Kunden. Und werden enttäuscht.
Der Großteil von weltweit befragten 655 Unternehmen gab an, kaum nachhaltigen Marketingerfolg mit Hilfe von Facebook & Co. erzielt zu haben. Eine zweite Umfrage zum Thema ergab sogar, dass aus Sicht von Unternehmen Facebook das Werbemedium mit der geringsten Effizienz ist.
Social Media stärkt die Marke - ROI nicht messbar
Diese Untersuchungen bestärken all diejenigen, die sich ROI- und Effizienzüberlegungen im Zusammenhang mit Facebook sparen und diesen Kanal vor allem zur Stärkung der Marke nutzen. Und zur internen Kommunikation. Wobei die Grenzen zwischen intern und extern hier nicht klar zu ziehen sind.
Bewerber wartet zwei Stunden im Foyer
Ebenso wie im Falle der Kunden-Fans auf Facebook musste Krones auch die Kommunikation der eigenen Leute via Social Media nicht initialisieren, sondern "nur" entdecken: Charles Schmidt sah irgendwann den Tweet eines potenziellen neuen Mitarbeiters, der schrieb, er habe bei seinem ersten Termin bei Krones zwei Stunden im Foyer warten müssen, bevor er abgeholt wurde. "Da stellten sich mir spontan zwei Fragen. Erstens: Warum musste er zwei Stunden warten? Zweitens: Warum beteiligen wir uns als Unternehmen nicht an solchen Konversationen?"
Interne Daten auf Facebook verbreitet
Die zweite Frage wurde drängender, als sich zwei Mitarbeiter via Facebook darüber austauschten, dass der Krones-Umsatz in einer bestimmten Region um zehn Prozent eingebrochen war. "Solche Interna zu verbreiten, kann natürlich auch aktienrechtlich bedenklich sein, das mussten wir den Mitarbeitern erklären. Der Fall führte uns vor Augen, dass wir diese Kommunikation nicht mehr einfach nur laufen lassen können."
Allerdings sollte der notwendige Eingriff nicht per Verordnung, nicht mit Hilfe maximalen Drucks erfolgen, sondern eher durch offene Kommunikation und Sensibilisierung. Krones entwickelte Guidelines, die nicht Dienstanweisung waren, sondern eher Tipps und Tricks. Damit die Mitarbeiter sie trotzdem ernst nahmen, wurden sie zusammen mit den Gehaltsabrechnungen verteilt anstatt sie irgendwo im Intranet zu verstecken.
Xing manchmal besser als das eigene Intranet
Ziel der Guidelines ist es nicht, den Dialog abzuwürgen, im Gegenteil. Die Kollegen sollen Soziale Medien gezielt zur Vernetzung einsetzen. Auch der Einsatz von Xing und LinkedIn wird gefördert. Charles Schmidt: "Wichtige Dinge aus anderen Bereichen des Unternehmens mitzubekommen, das funktioniert über Xing manchmal besser als über unser Intranet."
Wie sich die Beteiligten bei aller erwünschten Kommunikation nicht entblößen und Privates schützen können, vermitteln er und sein Team nicht nur durch die Guidelines, sondern auch in Schulungen. "Früher haben sich die Leute im Wirtshaus vielleicht mal öffentlich über den Nachbarn oder Exfrau aufgeregt. Aber das haben dann zehn Leute gehört, um nach spätestens einer Woche war es vergessen. Im Internet stehen die Dinge dagegen für die Ewigkeit, das sollte niemand vergessen."
Irgendwas verpasst man immer
Und wie ist das persönliche, private Verhältnis des Social Media Officers zu sozialen Medien? "Ich nutze das auch privat, betreibe ein eigenes Blog. Im Urlaub verzichte ich auch mal ohne Probleme zwei Wochen auf diese Kommunikation." Verpasst er dann nichts? "Doch, irgendwas verpasst man immer. Aber damit kann ich leben."