Die Servicetechniker bei Otis, dem weltgrößten Unternehmen für Aufzüge, Fahrtreppen und Fahrsteige, müssen ihre Ersatzteile schnell und zuverlässig erhalten. Zuständig für die Lieferungen sind die Mitarbeiter des European Part Center (EPC) bei Paris. Wenn die Angestellten im EPC einen Verbesserungsvorschlag für die auf der Entwicklungsumgebung Adabas/Natural basierende Lager- und Verwaltungs-Software haben, meldet sich der IT-Verantwortliche bei Mak Data System in Kiel; denn dort arbeitet das zehnköpfige "Service Desk" für Otis. Besonderheit: Mak Data hat die Betreuung der individuell für Otis geschriebenen Programme erst 1997 übernommen. "Wir wollten unsere Ressourcen vor allem für die Organisationsberatung und Einführung neuer Systeme einsetzen. Daher haben wir die Wartung ausgelagert", sagt Klemens Hauk, Leiter der Anwendungsentwicklung.
Seit einem Jahr vermarktet das 200-Mann-Systemhaus seine Dienstleistung aktiv als Marke: Application Maintenance Services heißt der Bereich, der in Zukunft stark wachsen soll. Die Mitarbeiter am Otis-Service-Desk erledigen die Komplettbetreuung aller auf Unix-Systemen laufenden Anwendungen, sie wirken unterstützend bei Adabas/Natural-Projekten und helfen im Visual-Basic-Umfeld - alles remote aus Kiel. "Wir warten und verbessern zwölf Systeme in Belgien, Frankreich, Großbritannien, den USA und Deutschland und können Otis jederzeit über den Stand der Arbeiten informieren", so Systemmanagerin Ines von Jagemann.
Die Wünsche der Otis-Mitarbeiter bekommt das Team an der Förde per E-Mail. "An unserem Service Desk erfolgen die Annahme, Priorisierung, Zuordnung und das Monitoring der auftauchenden Probleme", sagt von Jagemann. Sind die Anfragen seitens der Niederlassung genehmigt, legen die Programmierer los. "Durch die Kunden-Lieferanten-Beziehung erzeugen wir Kostentransparenz, denn inhouse bauen viele Mitarbeiter aus Kollegialität einfach neue Features ein. Bei uns muss der Kunde vorab alles genehmigen", sagt Geschäftsführer Martin Lochte-Holtgreven. Der Effekt: "Otis spart Kosten von bis zu 30 Prozent im Vergleich zu eigener Wartung."
Know-how sinnvoll einsetzen
Hinter Mak Data steht seit 1995 das US-Software-Haus Consist International. Entstanden ist das Unternehmen 1982, als der Krupp-Maschinen und Anlagenbauer (MAK) seine IT-Abteilung outsourcte. Später dann verkaufte der Krupp-Konzern seine Kieler Unternehmung - genau wie alle anderen Bereiche - Stück für Stück. Heute schreibt das Unternehmen schwarze Zahlen. Im Geschäftsjahr 2001 wuchs der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent auf 21,1 Millionen Euro.
"Wir wollen AMS von einem Geschäftsanteil mit rund 20 auf 55 Prozent ausbauen", sagt Lochte-Holtgreven. AMS-Kunden sind inzwischen auch die Kieler Provinzial Versicherung und der Kosmetikkonzern Yves Rocher. Die Dienstleistung sei ideal für alle, die ihre Entwickler wegen ihres Know-hows in anderen Projekten brauchen, sowie bei besonderen Belastungen wie Standortwechsel, Fusion oder Umstrukturierungen, so der Geschäftsführer. "Wer soll die individuelle Software weiterentwickeln, wenn der Entwickler keine Lust mehr hat und kündigt?", fragt er. Die Kieler möchten künftig auch Firmen bedienen, die ihre selbst gebauten Lösungen mittelfristig durch Standard-Software ablösen wollen.
Wer kann denn heute noch Cobol?
Natürlich ist der Know-how-Transfer nicht ganz einfach. "Wer hat denn noch Cobol drauf? Da können sie nur mit Youngstern nichts werden. Wir aber haben Fachleute für alle Systeme", wirbt Lochte-Holtgreven. "Wir waren zunächst skeptisch, aber die haben sich sehr gut eingearbeitet", bestätigt auch Hauk von Otis.
Mit ihrem Angebot wollen die AMS-Spezialisten alle größeren Organisationen ansprechen, die über eine komplexe Individual-Software verfügen. Doch auch Mak Data ist wählerisch: Während der so genannten Über-gabephase ist ein Ausstieg für beide Partner jederzeit möglich, heißt es. "Das haben wir schon mal gemacht", berichtet der Geschäftsführer. "Denn wir müssen ja auch langfristig Spaß miteinander haben."
Keiner dürfe den andern über den Tisch ziehen, Vertrauen sei sehr wichtig. Das gelte auch für die Mitarbeiter, betont der Geschäftsführer. "Sie müssen den Mut haben, auf Fehler hinzuweisen und zu sagen: Was wir gemacht haben, das läuft so nicht." Oft seien Verzögerungen bei Projekten schon früh abzusehen.
Wartung zum Festpreis
Nach drei bis sechs Monaten "Einschwingen" beginnt die "Produktionszeit", in der die Verantwortung für die Wartung und Weiterentwicklung der IT-Systeme beim Systemhaus liegt. "Diese Phase dauert drei Jahre oder länger." Gewartet wird zum Festpreis auf Basis einer Monatspauschale. Wenn der Vertrag ausläuft, gehen alle Anwendungen und Systeme an den Auftraggeber zurück.
Die Kunden der Firma, die einspringt, wenn die Entwickler keine Lust mehr haben, müssten jedoch keine Angst haben, dass es den Entwicklern an der Förde einmal genauso geht. Geradezu demonstrativ stellen Geschäftsführer und Mitarbeiter gute Laune und Heimatverbundenheit zur Schau: "Fast jeder von uns besitzt sein eigenes Boot und liebt das Wasser." Lochte-Holtgreven hat sein Boot "Be happy" jedoch gerade verkauft. - "Wegen der Kinder", wie er schnell versichert.