Der Markt für Business-Software ist geprägt von hohen Kosten, geringer Flexibilität und starker Herstellerabhängigkeit - so die Bestandsaufnahme von Forrester Research in der kürzlich erschienenen weltweiten Studie "Digital Innovation Reshapes The Future Of Business Applications". Das wollen die Anwender, die nach mehr Flexibilität und intensiveren Kundenbeziehungen streben, nicht mehr mitmachen. Für sie entsteht ein Konflikt: Wie viele Ressourcen sollen noch in das Renovieren und Upgraden vorhandener Legacy-Anwendungen gesteckt werden? Und wie gelingt es, den Budgetanteil für kundennahe CRM-, Marketing- und Vertriebs- oder Analytics-Lösungen aus der Cloud zu erhöhen?
Oftmals sind die Budgets durch pflegebedürftige ERP-Anwendungen gebunden, die meist noch stationär installiert und im Unterhalt teuer sind. Das wird auch erst einmal so bleiben: 26 Prozent der europäischen und amerikanischen Softwareentscheider sagen, es sei für sie eine "kritische Priorität", ihre Legacy-Anwendungen zu modernisieren. Weitere 49 Prozent räumen dieser Aufgabe immer noch eine "hohe Priorität" ein. Aktualisierte ERP-Lösungen sind aber nicht das, was Business-Entscheider heute würdigen. Sie wenden sich an ihre IT, weil sie Analysedaten brauchen - zum Kundenverhalten etwa, zu betrieblichen Abläufen, Leistungsmetriken, Finanzergebnissen, Marktentwicklungen, Mitarbeiter-Performance etc. Business Intelligence einschließlich Analytics, Big Data und Entscheidungsunterstützung steht auf der Agenda oben.
SaaS bringt Entlastung
Mit Software as a Service (SaaS) setzt sich ein Betriebsparadigma durch, das Unternehmen Flexibilität und Entlastung verspricht. Für Software-Updates zeichnet nicht mehr der Anwender, sondern der Anbieter selbst verantwortlich. Fast 60 Prozent der Softwareentscheider in Europa und den USA wollen die Nutzung von SaaS-Lösungen intensivieren. Für Anwendungen mit Kundenbezug plant sogar die Hälfte der Unternehmen, SaaS-Lösungen zu nutzen. Auch auf Gebieten wie Einkauf, Personal, Finance und Supply Chain kommen SaaS-Anwendungen immer häufiger zum Zuge.
Langfristig sind klassische ERP- und BI-Programme bedroht. Für den On-Demand-Ansatz sprechen Flexibilität und Einfachheit, schnelles Deployment und regelmäßige, störungsfreie Updates. IT-Abteilungen haben keinen Aufwand mehr mit Wartungs- und Support-Aufgaben. Sie können sich auf Anwendungen und Projekte konzentrieren, die ihr Kerngeschäft voranbringen.
Forrester glaubt, dass in den kommenden drei Jahren reine SaaS-Anbieter wie Salesforce, Netsuite oder Workday gegenüber den klassischen Softwarehäusern Marktanteile gewinnen werden. Ihr Vorteil: Sie haben keinen Aufwand mit der parallelen Pflege von On-Premise-Software. Außerdem soll es einen Übernahmestreit um aussichtsreiche SaaS-Startups geben. Sowohl traditionelle Softwarehäuser mit ihren meist gut gefüllten Kassen als auch aufstrebende SaaS-Player werden zukaufen. Welche irrationalen Summen dabei bisweilen über den Tisch gehen, macht Forrester am Beispiel der Concur-Übernahme durch SAP deutlich: 8,3 Milliarden Dollar blätterten die Walldorfer für den Anbieter von Reisekosten-Management-Software hin, obwohl dieser nur 700 Millionen Dollar jährlich umsetzte.
User Experience
Wichtig neben der SaaS-Unterstützung ist das Design der Anwendungen. Kunden, Mitarbeiter, Partner oder wer immer Nutzer sein soll, haben inzwischen ausgiebig Erfahrungen mit Apps und Web-Anwendungen im privaten Umfeld gesammelt. Wer hier Aufmerksamkeit ernten und näher an seine Kunden heranrücken will, muss innovativ sein. Anwender werden bei der Auswahl von Software auch emotional entscheiden: Eine im Grundsatz positive Einstellung zur genutzten Software wird zu intensiverer Nutzung und damit zu mehr Effektivität führen.
Eine zielgruppengerechte, visuelle Aufbereitung der Applikationen wird zur Pflichtaufgabe. Neben grafischen Elementen und übersichtlicher Navigation sind reicher Content und dynamische Features wie Activity Streams oder Gamification wichtig. User Experience orientiert sich zunehmend an Web-Anwendungen und Apps. Responsive Design für eine optimale Nutzung auf allen Endgeräten ist unverzichtbar.
Forrester glaubt, dass alle großen Anbieter hier massiv investieren müssen. Die User Experience sei wettbewerbsdifferenzierend. Grundsätzlich werde sich dabei ein Mobile-first-Design durchsetzen. Zudem sei es wichtig, schnell und kontextbezogen einfache Anwendungen etwa über einen Enterprise App Store zur Verfügung zu stellen. Hier könne das Segment der Business-Anwendungen vom Consumer-Markt lernen.
Flexibler, bitte!
Anpassbarkeit ist eine weitere wichtige Eigenschaft von Business-Applikationen. Dabei ist es entscheidend, dass auch Anwender ohne technischen Background Konfigurationsänderungen vornehmen können. So lassen sich Implementierungszeiten und -aufwand senken. Ohne Unterstützung der internen IT können neue Prozesse implementiert, Kundenprogramme aufgesetzt oder organisatorische Einheiten eingebunden werden.
Darüber hinaus muss aber auch echtes Customizing möglich sein, ohne damit die Upgrade-Fähigkeit einzubüßen. Ist Entwicklungsarbeit nötig, hilft es, wenn native Entwicklungs-Tools bereitstehen, mit denen die IT und ihre Partner kundenspezifische Anpassungen oder industriespezifische Layer bauen können.
Laut Forrester werden die Business-Stakeholder immer mehr Kontrolle über die Anwendungen gewinnen, besonders im SaaS-Umfeld. Damit werden einfache Konfigurationsmöglichkeiten zu einem Differenzierungsmerkmal für SaaS-Provider. Gleichzeitig wachsen die Anwendungs-Ökosysteme weiter, insbesondere in der Cloud. Ein Beispiel sind die Entwicklungsplattform Force.com von Salesforce in Kombination mit dem Marktplatz AppExchange: Kunden können native Erweiterungen zu den Salesforce-Produkten erstellen oder auf dem Softwaremarktplatz finden. Dabei sind Integration und Upgrade-Möglichkeiten bereits architektonisch verankert. Auch SAPs HANA Cloud Platform (HCP) und Microsofts Pinpoint repräsentieren signifikante PaaS- und Ökosystem-Ansätze, die mit den jeweiligen SaaS-Modellen integriert sind.
Kein ERP ohne Analytics
Unternehmen erwarten die Möglichkeit, tiefe Einblicke in ihre Geschäfte nehmen zu können - rückblickend, gegenwartsbezogen und zunehmend auch zukunftsgerichtet. Eingebettete Analytics-Technologien werden Business-Software um schnelle, gut aufbereitete und vorausschauende Analysemöglichkeiten bereichern. Den Hebel dafür liefern Technologien wie In-Memory-Computing, Big Data, Machine Learning, Predictive Analytics und Datenvisualisierung.
Vor allem Predictive Analytics wird Forrester zufolge Bestandteil von Business-Anwendungen werden. Noch sind die Anbieter hier in der "Kreativphase", aber sie werden sich weiterentwickeln. Auch die Visualisierung der Daten wird immer besser, besonders auf mobilen Endgeräten. Einfache Kuchen- und Balkencharts reichen nicht mehr, jetzt müssen es stilisierte "Donut"-, Netz- und Streudiagramme sein. Consumer-Apps, wie es sie beispielsweise zu den Fitness-Trackern von Fitbit gibt, zeigen, wie so etwas aussehen kann.
Integration ist unerlässlich
Business-Anwender möchten künftig vollständige Umsatzströme von der Bestellung durch den Kunden über die Auftragsabwicklung bis hin zum After Sales kontrollieren. Dafür müssen verschiedene Anwendungen zusammenspielen. Integration ist umso wichtiger, als mehr und mehr Software aus der Cloud eingesetzt und so die Komplexität des Portfolios erhöht wird.
Forrester erwartet, dass die Anbieter von Business-Software einfachere und offenere Integrationsmöglichkeiten bieten werden. Die Komplexität steige in dem Maße, wie Cloud-, On-Premise- und Third-Party-Lösungen zusammenspielen sollen. Die Hersteller und ihre Technologiepartner könnten einiges vereinfachen, indem sie ausreichend Programmierschnittstellen (APIs) für externe Integrationsspezialisten bereitstellten. Integrationsumgebungen müssten modern, modular gestaltet und durch visuelle Design-Tools unterstützt sein. Forrester erwartet, dass die Anbieter von Business-Software externe Integrationspartner an sich binden werden, um ihr Ökosystem zu erweitern.
Blieben sie mit ihren Integrations-Tools ausschließlich der eigenen Plattform verhaftet, würden die Kunden irgendwann feststellen, dass damit nicht zu arbeiten ist. Besser sei eine Integrationstechnik und -strategie, die Partner einbeziehe. Das führe zu mehr voreingestellten Schnittstellen und einer besseren Designumgebung. Anwender sollten bei der Auswahl ihres Business-Software-Anbieters darauf achten, dass dieser eine offene, neutrale Integrationsplattform biete und hier mit Partnern zusammenarbeite.
Die Analysten glauben, dass standardisierte Integrationsangebote über verschiedene Softwareplattformen hinweg zunehmen werden. Sie ermöglichen ein schnelleres Deployment. Dabei soll die Cloud-to-Cloud-Anwendungsintegration besonders schnell reifen und virtuelle Plug-and-Play-Connectivity erlauben. Vorteile entstehen, wo Anwendungen eine gemeinsame Entwicklungsumgebung oder ein gemeinsames Ökosystem teilen, was etwa bei Force.com von Salesforce der Fall ist.
Systems of Engagement
Schon vor Jahren hat Forrester in Anlehnung an den Erfolgsautor Geoffrey Moore zwischen den "Systems of Record" und den "Systems of Engagement" unterschieden. Erstere bilden das Rückgrat des Unternehmens: Es handelt sich um ERP-Systeme, Datenbanken und Rechenzentrums-Infrastrukturen, in denen große Datenmengen und Transaktionen effizient verwaltet werden. Die zugrunde liegenden Geschäftsprozesse verlaufen in der Regel linear und unterliegen der Kontrolle eines Unternehmens. Beispiele wären etwa die Schadensabwicklung einer Versicherung oder die Gehaltsabrechnung im Personalwesen.
Forrester empfiehlt indes den CIOs, sich stärker den Systems of Engagement zuzuwenden. Diese stellen die Interaktion und Collaboration mit Menschen in den Vordergrund. Als Systems of Engagement sind Lösungen zu bezeichnen, die sich auf den Endkunden beziehen und ihm neue Services bieten, indem sie Komponenten wie moderne Datenanalyse, soziale Netzwerke, Cloud Computing und mobile Endgeräte intelligent verknüpfen.
Beispiel wäre die App, die einem Kunden nicht nur eine Hotelbuchung ermöglicht, sondern ihm darüber hinaus zusätzliche Dienste wie eine automatische Zimmerschlüsselvergabe beim Betreten der Hotellobby, eine Tischreservierung oder einen besonderen Concierge-Service anbietet.
Solche Lösungen funktionieren nicht mehr im Kontext eines geschlossenen Geschäftsprozesses. Die Wertschöpfung wird über die Öffnung des Prozesses gegenüber einem Ökosystem erreicht, das Kunden, Partner und Mitarbeiter einbindet. Die Kunden sorgen unbewusst für eine kontinuierliche Verbesserung der Dienstleistung, indem sie Daten zu ihrem Bewegungs- und Verhaltensmuster freigeben.