IT-Organisation komplett umstellen

Die Top CIO-Trends 2018 von Roland Berger

22.11.2017 von Dirk Möbus, Thade Nahnsen und Stephan Diederich
Die Schnelllebigkeit von Technologien und Märkten erfordern eine grundlegend veränderte Aufstellung der Unternehmens-IT. Dazu zählen insbesondere Business-IT-Alignment, die IT-Organisation sowie das Programm- und Projektmanagement.
  • Intelligente Automatisierung auf Basis von Softwarerobotern und Künstlicher Intelligenz wird relevanteste Technologietrend werden.
  • Der Fokus der IT-Architektur wird auf einer schichtenweisen Erneuerung statt auf einem langwierigen Neubau von Legacy-Systemen liegen.
  • Eine zentrale Aufgabe für den CIO: unkoordinierte und widersprüchliche Entwicklungen in und insbesondere zwischen Fachbereichen erkennen und vermeiden.
  • Managed Agility ist ein Ansatz im Programm- und Projektmanagement, bei dem die Vorteile von klassischen und agilen Ansätzen kombiniert werden.
Alles fließt - und das immer schneller. Neue Technologien, neue Methoden, neue Ansätze, neue Jobprofile. Der CIO muss all das zusammenhalten.
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Der in den vergangenen Jahren zu beobachtende Trend stark beschleunigter IT-Entwicklungen und zunehmender Digitalisierung wird sich auch in den folgenden Jahren nicht verlangsamen. Neue Technologien, insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz, gewinnen zunehmend an Marktreife und erste Potenziale werden realisiert. Dies erfordert neue Ansätze auch für die Governance und Prozesse in Unternehmen, im Besonderen in der IT.

Während praktisch alle Unternehmen bereits mit agilem Projektmanagement und DevOps experimentieren oder es in einer ersten Ausbaustufe produktiv nutzen, so muss für eine zukunftsfähige Positionierung der IT auch der erforderliche Rahmen geschaffen werden. Hierbei steht die IT vor der Herausforderung, klassische Entwicklungsansätze und Organisationsformen mit Agilität zu verbinden, Lösungen innerhalb kurzer Zeit an die Fachbereiche zu liefern, dabei steigenden Anforderungen gerecht zu werden sowie gleichzeitig mit Ressourcen- und Fachkräftemangel umzugehen.

Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen existieren im Jahr 2018 zwei wesentliche Stoßrichtungen für CIOs: Die zunehmende Marktreife und -durchdringung neuer Technologien nutzen sowie die IT wertschöpfend am Geschäft ausrichten und Innovationen vorantreiben.

Die Top 10 CIO-Trends 2018 von Roland Berger.
Foto: Roland Berger GmbH

Stoßrichtung 1: Zunehmende Marktreife und -durchdringung neuer Technologien nutzen

Eines der relevantesten Technologiethemen für das nächste Jahr wird die intelligente Automatisierung auf Basis von Softwarerobotern und künstlicher Intelligenz sein. Robotic Process Automation (RPA) wird hierbei zunehmend zur kurzfristigen und kostengünstigen Automatisierung von sich stark wiederholenden und manuellen Geschäftsprozessen innerhalb und außerhalb der IT produktiv eingesetzt werden.

Erste Potenziale von Anwendungen im Bereich künstlicher Intelligenz, beispielsweise zur Klassifikation und Informationsextraktion aus digitalen Posteingängen, in der Kundenkommunikation via Chatbots oder im IT-Betrieb durch die vollautomatische Bearbeitung von IT-Tickets und Incidents, werden zunehmend realisiert. CIOs sind hierbei gefordert die relevanten Anwendungsbereiche in ihrem Unternehmen zu identifizieren, zu priorisieren und dem Fachbereich einen technologischen Werkzeugkasten zur Verfügung zu stellen.

IT-Architektur zukunftsfähig für Agilität ausrichten

Die zukunftsfähige Ausrichtung der IT-Architektur vor dem Hintergrund agiler und kurzfristig zu entwickelnder Softwarelösungen, beispielsweise an der Kundenschnittstelle, wird weiterhin ein wesentliches Thema für 2018 sein. Dabei sind verstärkt Funktionalitäten und komplexe Legacy-Lösungen über (Micro-)Services zu kapseln. Der Fokus wird hier auf einer schichtenweisen Erneuerung statt auf einem langwierigen und aufwändigen Neubau von Legacy-Systemen liegen.

Übergreifende Zielsetzung ist dabei, standardisierte und sprachunabhängig adressierbare Schnittstellen zur Verfügung stellen, um Applikationen für die Fachbereiche flexibel und schnell in die bestehende Architektur integrieren zu können.

Stoßrichtung 2: IT wertschöpfend am Geschäft ausrichten und Innovationen vorantreiben

Während CIOs die oben genannten Technologietrends in die Unternehmens-IT integrieren müssen, ist die rein technologische Betrachtung jedoch nicht ausreichend. Der zugrundeliegende Wandel und die damit verbundene Schnelllebigkeit erfordern eine grundlegend veränderte Aufstellung der Unternehmens-IT. Dies umfasst insbesondere das Business-IT-Alignment, die organisatorische Aufstellung der IT als auch das Programm- und Projektmanagement.

Neben diesen drei großenTrends werden sich CIOs 2018 insbesondere auch mit den Themen Talentgewinnung (also wie gewinne ich gute Talente für die guten und wichtigen Themen?) sowie Mitarbeiterschulungen und -qualifizierungen (also wie halte und qualifiziere ich die bestehenden Mitarbeiter für die neuen und wichtigen Technologien und Aufgaben?) auseinandersetzen müssen.

IT konsequent an den Businessanforderungen ausrichten

Der Einfluss der IT auf das Business und die Entwicklung von Unternehmen wächst mit der Digitalisierung weiterhin stark. CIOs müssen ihre IT daher maximal wertschöpfend aufstellen und die organisatorischen, prozessualen und systemseitigen Rahmenbedingungen schaffen. Voraussetzung hierfür ist die Identifikation und Konzentration auf die wesentlichen USPs, mit denen die IT Mehrwerte für das Unternehmen liefert.

Dies umfasst beispielsweise Kompetenz in zukunftsorientierten Schlüsseltechnologien, noch tieferes Verständnis der Fachbereichsanforderungen sowie veränderte Governance-Strukturen zur Priorisierung des Projektportfolios entlang des tatsächlich größten Wertschöpfungsbeitrag.

Der CIO muss die IT aus der Rolle des Auftragnehmers und Dienstleisters stärker in Richtung Business Partner und Innovationstreiber bewegen. Die IT-Governance muss sicherstellen, dass IT kein Engpassfaktor für die Umsetzung neuer Anforderungen des Business darstellt.

IT zunehmend fachbereichsnah aufstellen

In der Vergangenheit war die weitgehende Zentralisierung der IT zur Realisierung von Skaleneffekten ein Ansatz, den zahlreiche Unternehmen verfolgt haben. Insbesondere aufgrund der zunehmenden Verfügbarkeit und Reife von IT-Lösungen in den Bereichen Cloud Computing, RPA und Artificicial Intelligence sowie der massiv steigenden Verfügbarkeit von IT-Know-How in den Fachbereichen gibt es einen Trend zur vermehrt dezentralen Erbringung von IT-Dienstleistungen in den Fachbereichen. Unterstützt wird dies durch die steigende Bereitschaft zu Investitionen in die IT gegenüber reinen Kostensenkungsmaßnahmen, da IT zunehmend als Wettbewerbsfaktor wahrgenommen wird (im Gegensatz zur bisher weitläufigen Wahrnehmung als Commodity).

Der Aufgabenumfang der zentralen IT-Funktion wird sich hierdurch zwangsläufig verändern. Gleichzeitig ergibt sich für das Unternehmen die Herausforderung, unkoordinierte und widersprüchliche Entwicklungen in und insbesondere zwischen den Fachbereichen zu erkennen, zu vermeiden und in ein konsistentes Gesamtbild zu überführen. Hierbei wird der zentralen IT-Funktion eine wichtige Rolle zufallen, da unter anderem die folgenden Fragen zu beantworten sind:

In der zentralen Verantwortung sollten beispielsweise aufgrund ihrer koordinierenden Bedeutung das Unternehmens-Architekturmanagement oder das Help Desk angesiedelt werden. Auf der anderen Seite kann die Entwicklungsarbeit sowie anwendungsnaher Betrieb für bestimmte Lösungen verstärkt an die Fachbereiche im Rahmen einer klar definierten IT-Governance übertragen werden.

Managed Agility im Programm- und Projektmanagement zu erwarten

Managed Agility ist ein Ansatz im Programm- und Projektmanagement, bei dem die Vorteile von klassischen und agilen Ansätzen kombiniert werden. Die Projekte stellen an ihren Außenkanten eher klassisch orientierte (Meilenstein-)Pläne zur übergreifenden Planung bereit, während die Projekte selbst agilen Projektmanagementmethoden folgen. Während viele (fast alle) Unternehmen bereits mit agilem Projektmanagement experimentieren, bewegt sich dies zumeist in Pilotprojekten, dem Aufbau von ersten "Digital Factories" oder eher kleineren Projekten.

Für den in 2018 erwarteten noch breitflächigeren Einsatz in Unternehmen, schlägt beispielsweise Gartner bereits seit einigen Jahren den Ansatz der IT der zwei Geschwindigkeiten vor (d.h. klassische Wasserfallmethoden und Release-Zyklen für die Core IT und agile Methoden mit schnellem Deployment für nicht-Core-IT). Häufig beobachten wir Bedenken von CIOs zu diesem Vorgehen, da durch das Nebeneinander der beiden Ansätze an ihren Kanten starke Spannungen entstehen.

Zudem erwartet auch die Fachseite Planbarkeit hinsichtlich der IT-Budgets, da in den meisten Fällen noch überwiegend klassische Controlling- und Strategieentwicklungsprozesse gefahren werden. Zentraler Erfolgsfaktor ist daher eine pragmatische Anwendung von agilem und Wasserfallvorgehen, die Eckpfeiler zu Scope und Deliverables von IT-Projekten liefert, gleichzeitig aber bei der Ausgestaltung den neuen Paradigmen folgt, um eine schnelle Time-to-Market zu gewährleisten.