Stammdaten sind ein wichtiges Gut. Aber gerade in gewachsenen IT-Landschaften driften die Daten von CRM-, ERP- und BI-Systemen gerne auseinander. "Das kann so weit gehen, dass ein Unternehmen keine belastbare Aussage über die derzeitige Liquidität geben kann", sagt Jochen Kokemüller, Forscher am Fraunhofer IAO und Autor der Studie "Stammdaten-Managementsysteme 2009".
Die wichtigsten Stammdaten von Unternehmen sind nach wie vor Kunden und Produkte, weitere Stammdatenklassen heißen Kontorahmen, Geschäftspartner, Angestellte, Lieferanten oder Liegenschaften. Genau da klemmt es: "Um Compliance-Anforderungen gerecht zu werden, sind konsistente Stammdaten eine Voraussetzung, die viele Unternehmen heutzutage nur unzureichend erfüllen", sagt Kokemüller.
In Unternehmen scheint diese Erkenntnis angekommen. Entgegen dem Trend in anderen Softwaresparten legt der Markt für Stammdaten-Management-Systeme (Master Data Management, MDM) zweistellig zu. Nach Berechnungen der Analysten von Gartner sind die Umsätze von gut einer Milliarde Dollar in 2007 um rund 24 Prozent auf knapp 1,3 Milliarden in 2008 gestiegen. Chad Eschinger, Research Director bei Gartner, prophezeit in seiner Studie "Market Trends: Master Data Management Growing Despite Worldwide Economic Gloom, 2007–2012" vom November 2008 anhaltendes Wachstum: Bis zum Jahr 2012 soll der globale Umsatz mit MDM-Software auf 2,8 Milliarden Dollar zulegen.
Im Jahr 2007 wurden rund 85 Prozent des weltweiten MDM-Umsatzes in Nordamerika und Europa gemacht, wobei Gartner von einem geringeren Wachstum in Amerika, aber überdurchschnittlichen Steigerungsraten von etwa 25 Prozent im zweitgrößten Markt Europas ausgeht. Bei den Stammdatenklassen sind es die Sparten Produktdaten und Kundendaten, die am häufigsten in MDM-Systeme integriert werden. Zusammen machen sie einen Anteil von etwa zwei Dritteln des MDM-Marktes aus. So lag der Umsatz im Segment Produktdaten im Jahre 2007 bei 401,2 Millionen Dollar (prognostizierte 718,8 Millionen in 2010) und bei 334,7 Millionen (prognostizierte 538,8 Millionen in 2010) im Bereich der Kundendaten.
Gartner fasst den MDM-Markt weiter
Allerdings rechnet Gartner-Analyst Eschinger über die MDM-Systeme der großen Anbieter von Plattform- und Applikations-Suiten IBM, Oracle, SAP, Sun und Tibco hinaus noch eine Vielzahl von Nischenanbietern dem MDM-Markt hinzu: Neben Spezialisten aus BI-Randbereichen wie ETL (Extract, Transform, Load), Datenqualität, Data Warehousing oder Data-Management sind das eine ganze Reihe von Anbietern mit Branchenschwerpunkten oder mit Fokus auf bestimmte Stammdatenklassen wie Kunden-, Produkt-, Finanzdaten oder Asset-Management.
Dass Anwender das Thema MDM gerade jetzt entdecken, kommt für Kokemüller nicht überraschend: "In den vergangenen Jahren haben die Unternehmen vermehrt in Prozessintegration und SOA investiert. Damit wird MDM als Querschnittsfunktion jetzt umso wichtiger – das ist eigentlich ein logischer Schritt", sagt der Fraunhofer-Forscher. Zudem sei im Vergleich etwa zu BI- oder CRM-Systemen die Anzahl der weltweit
installierten MDM-Systeme ausgesprochen gering, es gebe deshalb noch einen massiven Nachholbedarf.
Ranking fällt aus
In der IAO-Studie hat er ausschließlich solche Systeme einbezogen, die eine komplette MDM-Funktionalität bereitstellen und sich bis auf ein System (Stibo Step 5) mit den Anbietern von Plattformen und Applikations-Suiten der Gartner-Studie decken. Im Einzelnen wurden die Systeme IBM InfoSphere MDM, Oracle Customer Hub, SAP NetWeaver MDM, Stibo Step 5, Sun Caps und Tibco CIM gegenübergestellt. "Mit dieser Auswahl decken wir den deutschen Markt für MDM-Systeme fast zu 100 Prozent ab", sagt Kokemüller.
Trotz des gründlichen Vergleichs bleibt Kokemüller eine Rangliste schuldig: Zu unterschiedlich seien die Anforderungen der Anwender sowie die Architekturen der verschiedenen MDM-Systeme. Außerdem sei es nicht immer einfach, den Unternehmenswert eines MDM-Projekts zu dokumentieren: "MDM an sich führt weder zu steigendem Umsatz noch zu direkten Kostensenkungen", sagt Gartner-Experte Eschinger, "aber es bringt IT und Business in besseren Einklang."