Entscheidungen auf Grundlage messbarer Daten: So lautet ein an sich schlagendes Argument für den Einsatz von Business Intelligence (BI) und Performance Management (PM). Doch beim Versuch der Performance-Optimierungen verzetteln sich viele Unternehmen bei Beobachten zu vieler Kennzahlen. Berater und Analysten empfehlen, sich bei der Auswahl der Key Performance Indicators (KPI) auf ein sinnvolles Maß zu beschränken.
Rupert Ralston, Berater bei IRIS Enterprise Software Australia, äußert sich in unserer australischen Schwesterpublikation CFOWorld sehr deutlich: „Zu viele Unternehmen verfangen sich in all dem Unsinn und der Überkomplexität, die KPI-Analyse, -Reporting und –Messung umgeben.“ Der Überblick über Stärken und Schwächen eines Unternehmens gehen vor allem dann verloren, wenn es wächst und sich verändert. Der gleiche Effekt stelle sich ein, wenn der CFO mit zu vielen Zahlen und Statistiken zu jonglieren versucht.
Die Logik von KPIs bestehe darin, den Ist-Zustand in der Firma mit gesteckten Zielen vergleichen zu können, so Ralston. Als Kriterien werden Daten aus der eigenen Geschichte, anvisierte Vorgaben und Ergebnisse von Wettbewerbern herangezogen. Zum Problem werde das KPI-Management auf strategischem Level, wenn Veränderungen anstehen. „Dann muss man einen hohen Anteil der Anstrengungen in die Änderung jedes ausgewählten KPIs stecken“, erläutert Ralston. „Je größer der angestrebte Wandel, umso schwieriger ist er umzusetzen.“ Sinnvoll sei es deshalb, mit möglichst wenigen KPIs zu arbeiten.
Am Sinn der Steuerung via KPI zweifelt der Berater keineswegs. Als Beispiel für einen funktionierenden Indikator nennt er die Forderungslaufzeit – also die gemittelte Zahl der Tage zwischen Rechnungsstellung und Zahlungseingang bei der Bank. Wer an dieser Stelle ansetzen will, hat eine Reihe von einzelnen Faktoren zu bewerten: Die Geschwindigkeit und die Genauigkeit der Systeme zu Rechnungserstellung, die verstreichende Zeit durch den Postweg, die Zahlungsschnelligkeit der Kunden, das interne Mahnsystem, die Möglichkeit elektronischer Bezahlung. Wer all diese einzelnen Punkte im Blick hat und überall Fortschritte erzielen kann, verbessert so den aussagekräftigen KPI Forderungslaufzeit.
Der dargelegte Aufwand in diesem Beispiel zeigt nach Einschätzung Ralston, dass die Steuerung von 20 bis 30 KPIs einen CFO schnell überfordere. Zudem könnten die gerade wichtigsten Kennzahlen in diesem Mix untergehen. Der Consultant rät deshalb, zunächst die fürs Unternehmen sinnvollen KPIs akribisch auszuwählen. Der nächste Schritt ist die Identifizierung aller Geschäftsprozesse, deren Messung zur Bestimmung der Schlüsselindikatoren nötig ist. Auf dieser Basis lassen sich dann die IT-Systeme bestimmen, die zur Steuerung dieser Prozesse und für die Berichte über die Ergebnisse relevant sind.
Herausforderung für CIOs: Effizienz-Messung
Desweiteren ist dann zu klären, inwieweit die IT den Ansprüchen genügt und ob möglicherweise Investitionen in diesem Bereich geboten sind – etwa für BI- und PM-Lösungen. „Wer Prozesse und Reporting-Strukturen wie beschrieben identifizieren kann, kann eine Reihe von kleinen Schritten planen, die in der Summe eine signifikante Verbesserung darstellen“, so Ralston. Die Alternative sei ein großer Schritt wie ein neues IT-System, das verschiedene Prozess integriert, den Datendurchlauf beschleunigt, den Informationsfluss im Unternehmen optimiert und die Reaktionszeit auf Kundenwünsche verringert.
Auch in der IT selbst spielen Kennzahlen eine immer wichtigere Rolle. Die Experton Group nennt als größte Herausforderung für CIOs die Steuerung der IT-Kosten durch noch zu selten eingesetzte Messverfahren, die Verbesserung von Geschäftsprozessen und den Nachweis des Wertbeitrages der IT. Das Aufgabenspektrum der CIOs werde vor allem durch pro-aktives Kosten-, Vertrags-, Prozess- und Qualitätsmanagement bestimmt, so Experton-Analyst Alexander Hemzal. „Alle genannten Bereiche sind eng mit der Messung der eigenen Effizienz und Effektivität verbunden“, so Hemzal.
Hinsichtlich der KPIs hat die IT nicht nur einen Beitrag zur Messung der für die Fachbereiche relevanten Indikatoren zu leisten. Sie selbst steht in der Pflicht, über eigene KPIs die Leistungsfähigkeit nachzuweisen. Laut Experton beziehen sich die KPIs in der IT vor allem auf ITIL-Prozesse, die aber keine Aussage darüber machen, welche KPIs zur Messung der Prozessqualität verwendet werden sollen. Daher liegt es an den Unternehmen, selbst entsprechende Indikatoren zu entwickeln.
Auch Hemzal warnt wie Ralston vor einer Verzettelung durch zu großzügig ausgewählte KPIs. Als Faustregel empfiehlt er zwischen zehn und 60 KPIs – je nach Größe des Unternehmens. „Nach Möglichkeit sollten sich die eigenen Kennzahlen an Best Practice Benchmark-Leistungseinheiten orientieren“, rät Hemzal. Das gewährleiste einen unkomplizierten Vergleich mit externen Daten.
Problematisch ist allerdings nicht nur das mögliche Ausufern von Kennzahl-Projekten. „So selbstverständlich wie heute Kennzahlen verwendet werden, genauso vielfältig sind die Schwächen, die damit einhergehen“, warnt Richard Vizethum, Managementberater bei Coretelligence. Das Beratungshaus kritisiert insbesondere eine zu starke Kennzahlengläubigkeit in vielen Unternehmen, obwohl deren Aussagekraft zum Teil fragwürdig sei.
Bequemlichkeit verursacht Schwächen
Coretelligence meint damit eine Reihe von typischen Schwächen: Die Interpretation der Kennzahlen werde oft subjektiven Einschätzungen überlassen. Häufig sei unklar, wie die Zahlen zustande kommen. Wenn etwa die Stornoquote ermittelt werde, gehe daraus nicht hervor, welche Ursachen zur Auftragsstornierung führen. Überhaupt sei oft nicht nachvollziehbar, warum sich Kennzahlen verändern, weil auch nicht beeinflussbare Faktoren wie Kundenverhalten oder Wettbewerbsbedingungen mit hinein spielen.
Ferner würden Kennzahlen oft isoliert betrachtet, ihr Kontext sei nicht transparent. „Die Beschränkung auf bloße Zahlen in den Reports lässt den Entscheider allein“, so Coretelligence weiter. Die Kritik: Aus den analysierten Kennzahlen lassen sich keine praktischen Handlungsempfehlungen ableiten. Hinzu komme, dass die Zahlen oft widersprüchlich seien. „In der Praxis sind inhaltlich identische Kennzahlen in verschiedenen Datenbankanwendungen oft mit unterschiedlichen dimensionalen Ausprägungen und in unterschiedlicher Granularität vorhanden“, so die Berater. Derartige Schwächen seien in fast allen Unternehmen anzutreffen. Vizethum begründet dies mit der allgemeinen Tendenz, auch sehr komplexe Verhältnisse auf einfache Zahlen zu reduzieren und sich so bequeme Entscheidungsgrundlagen zu schaffen.